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Die •
systematische Beschreibung
einer Verfassung kann unter dem Aspekt der von ihr ermöglichten Partizipation
erfolgen.
Partizipation bedeutet Beteiligung oder Mitbestimmung. Unter diesem Aspekt
werden also jene Strukturen einer Verfassung betrachtet, die mit den
Möglichkeiten zur Beteiligung und damit Mitbestimmung des Volkes in einem
politischen System zusammenhängen (z.B. Partizipationsmöglichkeiten
durch Wahlen, Abstimmungen)
Dabei können die Gewichte in demokratischen Verfassung sehr unterschiedlich
verteilt sein.
-
So gibt es demokratische Verfassungen mit stark
ausgeprägten, unmittelbaren Mitbestimmungsrechten des Volkes
(plebiszitäre Elemente: z.B. Volksentscheid, Volksbegehren).
-
Andere legen
politische Entscheidungen stärker in die Hände von gewählten
Abgeordneten im Parlament (repräsentatives Element), wiederum andere
weisen eine sehr große Machtfülle einem direkt vom Volk gewählten
Präsidenten zu (präsidiales Element).
-
Außerdem können sich die drei
Elemente zu so genannten Mischverfassungen verbinden.
Die Partizipationsmöglichkeiten der Bürger sind u. a. durch das
»Wahlrecht
geregelt. Dieses Wahlrecht kann unterschiedlich gestaltet sein
(»Mehrheitswahl,
»Verhältniswahl; Wahlalter, direktes und indirektes
Wahlrecht, z. B. über sog. "Wahlmänner"gremien wie das »Electoral
College bei den
»Präsidentschaftswahlen
in den USA),
»aktives
und »passives
Wahlrecht.
Darüber hinaus kann es bestimmten Wahlgrundsätzen
verpflichtet sein (»demokratische: allgemein, frei, gleich, geheim,
unmittelbar; »Zensuswahlrecht…).

Unter dem Aspekt der Partizipation müssen also die folgenden Fragen
beantwortet werden:
-
Wer kann am politischen Willensbildungsprozess gestaltend teilnehmen?
-
In welcher Art und Weise und kann der Wille des Volkes zum Ausdruck
gebracht werden?
-
Welche Grundsätze gelten für die Beteiligung des Volkes?
Die
Partizipationskategorie gibt Aufschluss darüber, wer also am
politischen Willensbildungsprozess im Rahmen der von der
Organisation der Verfassung vorgesehenen Möglichkeiten gestaltend
Einfluss nehmen kann. Sie kann gewöhnlich in einem Strukturbild bzw.
Funktionsdiagramm einer Verfassung "abgelesen" werden.
Unter dem
Blickwinkel der deutschen Geschichte unterscheidet sich
»preußische Dreiklassenwahlrecht (1849-1918) unterscheidet sich
in dieser Hinsicht von
»Wahlrecht
auf der Reichsebene im Deutschen (Kaiser-)Reich (1871-1918)
sowie dem
»Wahlrecht
in der Weimarer Republik (1919-1933) und dem •
Wahlrecht in der Bundesrepublik Deutschland
Andere Faktoren der Partizipation
In
Strukturbildern von Verfassungen werden gewöhnlich die in einer
Verfassung niedergelegten institutionellen Formen der Partizipation
der Bürgerinnen und Bürger in Wahlen und Abstimmungen niedergelegt.
Zudem können auch die in demokratischen Systemen geltenden
Wahlgrundsätze für eine demokratische Wahl
oder Abstimmung in solchen Strukturbildern aufgeführt werden,
werden aber oft auch weggelassen. Nicht selten werden sie wie im
nebenstehenden Beispiel der •
Weimarer Reichsverfassung von 1919, um die Visualisierung zu
entlasten, auch als Anmerkung aufgeführt.
Die Ausgestaltung
des gesamten Wahlrechts ist in Verfassungen häufig nicht
niedergeschrieben. So hat auch das »Mehrheits-
oder das »Verhältniswahlrecht
oft keinen Verfassungsstatus, sondern kann durch den Gesetzgeber
geändert werden. Beide Wahlrechtssysteme entsprechen, wenn sie den
Grundsätzen für eine demokratische Wahl folgen, dem Strukturprinzip
einer Demokratie.
Allerdings gibt es
auch in liberalen Demokratien jenseits der verfassungsrechtlichen
Regelungen Möglichkeiten auf die institutionelle Partizipation der
Bürgerinnen und Bürger steuernd Einfluss zu nehmen. Solche
"Steuerungsmaßnahmen" werden gewöhnlich in Strukturbildern von
Verfassungen nicht abgebildet, da sie keinen Verfassungsrang haben.
Sie müssen aber mitbedacht werden, wenn eine Verfassung auf ihre
Partizipationsmöglichkeiten hin analysiert und beurteilt werden
soll. Gegebenfalls werden Informationen darüber im Kontext des
Strukturbildes gegeben oder können z. B. im Internet recherchiert
werden.
Eine besondere
Rolle für die Beurteilung der Partizipationsmöglichkeiten spielt
dabei in »Mehrheitswahlsystemen
die Aufteilung in Wahlkreise, ihr Zuschnitt und die jeweilige Zahl
der in einem Wahlkreis lebenden Wahlberechtigten.
Das macht der
beispielhafte Blick auf die »Aufteilung
der Wahlkreise zu den »Reichstagswahlen im
• Deutschen (Kaiser-)Reich (1871-1918) deutlich, die nach dem »absoluten
Mehrheitswahlrecht durchgeführt wurden. Da die Wahlkreise nicht der Bevölkerungsentwicklung
angepasst wurden, wurden die der Sozialdemokratie zusprechenden
Wähler klar benachteiligt. So stieg z. B. n den Jahren 1871 bis 1912
im ländlichen ostpreußischen Wahlkreis Heiligenbeil-Preußisch Eylau
die Zahl der Wahlberechtigten nur von 18.252 auf 18.988. Der
Wahlkreis Bochum, indem zahlreiche Industrie angesiedelt war und
dementsprechend viele tausend Arbeiterinnen und Arbeiter lebten,
stieg in der gleichen Zeit von 24.514 auf 162.995 und durfte, ebenso
wie der ostpreußische Wahlkreis, nur jeweils einen Abgeordneten in
den Reichstag entsenden (vgl.
Anderson 2009, S.409f., vgl.
Milatz 1965,
S.27).
Gerrymandering
Auch bei den
»Präsidentschaftswahlen
in den USA zeigt sich immer wieder, dass die
beiden großen Parteien sich im Vorfeld der Wahlen immer wieder um
einen
»parteipolitischen
Zuschnitt der Wahlkreise bemühen.
Man bezeichnet
diese Strategie als
»Gerrymandering,
was etwa Wahlkreisschiebung bedeutet. Es kommt in Staaten mit
Mehrheitswahlsystemen vor und dient der Manipulation der
Wahlkreisgrenzen. In einem reinen Verhältniswahlrecht gibt es keine
Möglichkeiten zu solchen Manipulationen.
Da in den
Vereinigten Staaten dafür häufig die Legislative oder Exekutive der
Bundesstaaten zuständig sind, die von den jeweiligen Mehrheiten
abhängig sind, können diese die Grenzen der Wahlkreise so ziehen,
dass sie jeweils den größten Vorteil und der jeweilige politische
Gegner entsprechende Nachteile erfahren.
"Beim Gerrymandering sind mehrere Strategien zu unterscheiden:
-
Verdünnung
Wahlkreiszuschnitt, sodass die Opposition den Wahlkreis
nicht gewinnen kann und die oppositionellen Stimmen verfallen
-
Hochburgbildung
Möglichst viele Wähler der Opposition in einem Wahlkreis
zusammenfassen, sodass die Opposition zwar einen Wahlkreis mit
hohem (aber irrelevanten) Vorsprung gewinnt, ihr in mehreren
umliegenden Wahlkreisen aber Stimmen zum Wahlsieg fehlen.
-
Aufeinanderhetzung
Dies ist dann möglich, wenn nur Bewohner dieses Wahlkreises
darin auch wählbar sind. Ein Wahlkreis wird so gebildet, dass
zwei zurzeit aktive Abgeordnete der Opposition ihren Wohnsitz
darin haben. Einer der beiden muss umziehen oder bei der
nächsten Wahl gegen den anderen kandidieren oder seinen Sitz
aufgeben.
-
Eine Hand wäscht die
andere
Beide Parlamentsfraktionen teilen gemeinsam die Wahlkreise
so auf, dass derzeitige Sitzinhaber mit großer
Wahrscheinlichkeit wiedergewählt werden, während Gegenkandidaten
wenig Chancen haben. Anstrengende Wahlkampagnen und schwer zu
haltende Wahlversprechen werden somit vermieden, auch müssen die
Abgeordneten kaum noch Rücksicht auf die Wechselwähler der
politischen Mitte nehmen und können somit besser auf Parteilinie
gebracht werden.
-
Gefängnis-Gerrymandering
In den USA zählen Gefängnisinsassen für den Ort, an dem das
Gefängnis steht, dürfen jedoch in 48 der 50 Bundesstaaten nicht
wählen. Weil die meisten Gefangenen aus urbanen Gebieten stammen
und überproportional oft schwarz sind, bedeutet diese Praxis
eine Verschiebung des Gewichts hin zu ländlichen, zumeist von
Weißen bewohnten Wahlkreisen (in denen sich viele der
Gefängnisse befinden)."
(Quelle: Seite „Gerrymandering“.
In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 28.
Juni 2023, 18:55 UTC. URL:
https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Gerrymandering&oldid=235018627
(Abgerufen: 18. Oktober 2023, 15:18 UTC)
Wie es funktioniert,
wenn der Wahlkreiszuschnitt im Vorfeld der Präsidentenwahlen
verändert wird, zeigt die nachfolgende Abbildung besonders deutlich.
Wenn man also vorher die Wahldistrikte entsprechend einteilt, kann
eine Partei, die eigentlich deutlich weniger Stimmen erhalten hat,
die Wahlen gewinnen.

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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
10.01.2024 |