Thema - ein schwieriger Begriff
In der deutschen Literaturwissenschaft hat der Begriff Thema
einen schweren Stand. Wenn es um Literatur geht, dann werden in
seinem Bedeutungsumfeld eher Begriffe wie
Stoff oder
Motiv, gelegentlich
auch
Sujet bevorzugt
oder, wie im Fall von Motiv auch oft synonym verwendet.
Und: Die Abgrenzung Abgrenzung von weiteren Begriffen wie z. B. "Konzept,
Problem, Haupt-. Leit- und Grundgedanke, Idee, Handlung,
(Roh-)Stoff,
Inhalt,
Plot,
Fabel,
Sujet" (Müller-Kampel
2006, S.403) ist ohnehin schwierig und für den schulischen
Literaturunterricht kaum nachzuvollziehen.
Zudem unterscheidet sich der Themabegriff der literaturwissenschaftlichen Themenforschung (Thematologie), die den
Blick auf die Bildung von Gruppen von Texten zu bestimmten Themen
richtet, erheblich von der didaktisch motivierten Verwendung des
Begriffs Thema im Deutschunterricht (Schreib- und
Literaturunterricht), bei der es in der Regel um einen Text geht,
dessen Inhalt einem über den Text hinausweisenden, abstrakteren
Thema zugeordnet werden soll. In diesem Kontext entspricht der
Begriff eher dem im englischsprachigen Raum üblichen
Hauptthema (main idea) (s. u.).
Wird der Begriff in der deutschen Literaturwissenschaft
verwendet, dann wird er z. B. als "gleichartiges Inhaltselement
verschiedenartiger Dichtungen" bezeichnet, das in der behandelten
Problematik gleich bleibt und "variabel in der Ausgestaltung von
Situationen und Handlungsabläufen wie in der örtlichen, zeitlichen
und figuralen Konkretisierung" ist. (Fricke/Zymner
1993, S.148)
In der englischsprachigen Fachdisziplin ist der Themabegriff
indessen weiter verbreitet und wird als
Hauptthema (main idea)
verwendet. Damit wird so etwas wie der Grund- bzw.
Leitgedanke eines fiktionalen Textes bezeichnet. Er steht dabei Seite an
Seite neben Begriffen wie
Handlung,
Charakter,
Schauplatz oder Stil und zählt zu den Grundelementen der
literarischen Fiktion.
Das Thema als Gegenstand der (literaturwissenschaftlichen) Forschung
Die Frage, worum es in einem fiktionalen literarischen Text geht,
kann entweder auf den Inhalt oder das Thema des Textes zielen.
Dabei ist das, was die beiden
Begriffe bedeuten, gar nicht so klar, wie es auf den ersten Blick
scheint.
Oftmals wird der Begriff Thema nämlich auch synonym für
Motiv benutzt und
die Abgrenzung von anderen Begriffen wie z. B. "Konzept,
Problem, Haupt-. Leit- und Grundgedanke, Idee, Handlung,
(Roh-)Stoff,
Inhalt,
Plot,
Fabel,
Sujet" (Müller-Kampel
2006, S.403) ist ohnehin schwierig und für den schulischen
Literaturunterricht kaum nachzuvollziehen.
Und selbst Fachleute, die es wissen sollten, können hier keine
eindeutige Auskunft geben. So hat denn auch die
Thematologie, die sich "mit der
vergleichenden Analyse einer themenbezogenen Textreihe"
beschäftigt, deren Textcorpus in einem "(konventionellen)
Überlieferungszusammenhang" steht, auf einem "verdichteten
intertextuellen Bezugssystem" beruht oder "ein anthroplogisches
Grundmuster" bildet (Lubkoll,
2009, S.747 f.) keine verbindlichen Antworten parat, zumal sie
sich selbst zwischen zwei Polen bewegt.
-
Als
"literaturwissenschaftliche Inhaltsforschung" (Müller-Kampel
2001, S.1) ist ihr Rahmen sehr weit gezogen.
-
Als systematisch
vergleichende und problemorientierte "Untersuchung literarischer
Stoffe, Motive und Themen im diachronen und synchronen
Vergleich" bezieht sie neben Texten der Weltliteratur auch
andere mediale Bearbeitungen in ihre Untersuchungen mit ein. (Lubkoll
2009, S.747 f.)
Themen als inhaltliche Muster
Der Themabegriff der Thematologie geht dabei von dem Grundgedanken
aus, "dass in der Literatur ebenso wie in den benachbarten Künsten
immer wieder bestimmte inhaltliche Muster tradiert werden, 'die als
gemeinsame Bestandteile und Anordnungen vieler ähnlicher
Ereigniszusammenhänge mental gespeichert bleiben'" (ebd.,
Anz, 2007, S.130)
Was diese inhaltlichen Muster interessant macht, ist vor allem die
Tatsache, dass ihr gemeinsames Thema auch über die Geschichte und
Kulturen hinweg bestehen bleibt.
Zugleich geben die jeweiligen Gestaltungen des Themas (in Figuren,
Konstellationen, Ereignissen und Handlungsmustern) "Aufschluss über
kulturgeschichtliche Rahmenbedingungen, mentalitätshistorische
Kontexte, soziologische Zusammenhänge, psychologische Motivationen
oder auch ästhetische Ausrichtungen, die einen literarischen Text
bzw. andere künstlerische Produktionen in ihren jeweiligen Kontexten
kennzeichnen und wirksam werden lassen." (Lubkoll
2009, S.749)
Auf einen einzelnen Text bezogen gibt es kein "richtiges" Thema
Fragt man nach dem Thema eines literarischen Textes dann ist die
Antwort gewöhnlich eine einigermaßen abstrakt formulierte Aussage
über die allgemeine Bedeutung des ganzen Textes oder einzelner
Teile, eventuell auch so etwas wie seine "Sinnmitte" oder
seine Grundidee oder auch seinen Gehalt.
Die Antworten auf solche Fragen können bei ein und demselben Text
sehr unterschiedlich ausfallen. Das ist in der Alltagskommunikation
kaum anders als im Kreis von Fachleuten. Dies gilt insbesondere für
literarische Texte.
Wer dazu einmal die unterschiedlichen Interpretationsansätze für die
▪ Parabeln
von Franz Kafka in Betracht zieht, kann leicht ermessen, in
welcher Bandbreite sich das von Literaturwissenschaftlern jeweils
zugeschriebene Thema des Textes einordnen lässt. (vgl. z. B.
Allegorische Interpretationsansätze
in der Analyse von Ulrich Gaier (1969)
Und: So wie es keine "richtige" Interpretation gibt, gibt es auch
kein "richtiges" Thema. Wo es einen prinzipiellen "Pluralismus toleranter Interpretationen"
gibt (Gaier (1969),
ist auch die "Sinnmitte", die ein Rezipient in einem literarischen
Text sieht, "eine Entscheidung, die der Interpret fällt." (Horst
Steinmetz 1995, S.475).
Was
als Thema eines literarischen Textes angesehen wird, liegt
dementsprechend vor allem im Auge des Betrachters. Das bedeutet,
dass es von etlichen textinternen und textexternen Faktoren abhängt,
was man als das Thema eines solchen Textes ansieht. Richtig oder
unrichtig, wahr oder falsch gibt es also dabei nicht. Allenfalls
kann man von einem
plausiblen Thema sprechen und zwar dann, wenn das, was von einem
dazu gesagt wird, von anderen nachvollzogen und ggf. sogar geteilt
werden kann.
Kriterien für die plausible Themenbestimmung
Für die Reflexion
der eigenen Textrezeption und des Textverstehens in einem
hermeneutischen Prozess so wie für die
Anschlusskommunikation kann es sehr fruchtbar sein, sich mit der
Frage nach dem Thema des genauer zu befassen.
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Um insbesondere in
der Anschlusskommunikation im Unterricht über den Text begründen zu
können, warum man die sich auf ein bestimmtes Hauptthema festgelegt
hat und andere Rand- und Nebenthemen für plausibel hält, kann man
sich auf verschiedene nachvollziehbare Kriterien stützen, die für
die •
intersubjektive Plausibilität der eigenen Auffassung sorgen
können.
-
Allgemeine
thematische Relevanz: Das Hauptthema ist das, was man für
das wichtigste Anliegen des Textes hält. Um dieses dreht sich,
wie man meint, die Handlung. Es erscheint einem für die
Entwicklung der Handlung und der Figuren von entscheidender
Bedeutung. Zudem wird es in irgendeiner inhaltlichen oder
sprachlichen Form immer wieder aufgegriffen und zieht sich somit
irgendwie durch den ganzen Text.
-
Häufigkeit und
Bedeutung: Ein Kriterium für die thematische Relevanz des
Hauptthemas könnte auch sein, dass es eben im Text häufiger und
ausführlicher behandelt als die Nebenthemen.
-
Verknüpfung
mit anderen Themen: Plausibel dürfte auch sein, wenn es
einem gelingt zu zeigen, wie die Themen des Textes über das
Hauptthema miteinander verknüpft sind. So könnte man
beschreiben, wie andere Nebenthemen auf das Hauptthema in
irgendwie Bezug nehmen bzw. im Text mit diesem zusammenhängen.
Dabei können auch
konnotative
und
assoziative Bezüge berücksichtigt werden.
-
Intention des
Autors/der Autorin: Auch den begründeten Verweis auf die
vermutliche Intention, die der Autor/die Autorin mit seinem Text
als Ganzes verfolgt, kann zur Plausibilisierung der eigenen
"Themenbestimmung" dienen.
Situationsthemen und -stoffe
Auch "Situationsthemen"
bzw. -stoffe können brauchbare vertraute Muster und kognitive •
Schemata (z.
B. •Ereignisschemata)
), sein, die eine thematische Einordnung eines Textes sowie die
Feststellung von Haupt- und Nebenthemen ermöglichen und plausibel
begründen lassen.
Hier zeigt sich
auch wiederum die Nähe zu den
oben genannten verwandten Begriffen.
Wie
Müller-Kampel (2006, S.405) können könnte es dabei um die
nachfolgenden "Situationsthemen"
bzw. -stoffe gehen:
-
Situationen im engeren
Sinn (das Dreiecksverhältnis, der Generationenkonflikt)
-
natürliche Phänomene
-
geo- und
topographische Gegebenheiten (Wald, Ozean, Gebirge; Stadt,
Dorf, Land)
-
Konzepte (Freiheit, Natur)
-
Empfindungen (Liebe, Hass,
Eifersucht)
-
Bereiche der conditio
humana (Glück, Tod, Krieg, Arbeit)
-
immerwährende Gegebenheiten menschlichen Daseins (Träume,
Tod)
-
ständige und immer wiederkehrende menschliche Konflikte und
Konfliktkonstellationen (Konflikt zwischen Illusion und
Realität, die Macht des Schicksal, Libertinage)
-
immer wieder auftauchende Motive in der Literatur und Folklore
(die drei Wünsche, das wüste Land)
Das Hauptthema (main idea) bestimmen
Auf ein einziges Thema lässt sich ein literarischer Text nicht
festlegen, weil der Begriff keine Eigenschaft des Textes selbst
beschreibt.
Dennoch kann man den Versuch
unternehmen, eines der für einen in Frage kommenden Themen zum
Hauptthema des Textes zu machen.
In Schreib- und Literaturunterricht in der Schule sind solche
Entscheidungen durchaus gewünscht und werden auch oft im Rahmen
bestimmter ▪
schulischer
Schreibformen auch eingefordert.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
24.06.2024
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