"Man muss zum Auge reden, will man verstanden werden." (Johann
Gottfried Herder (1744-1803) Dieser Ausspruch des deutschen
Philosophen bringt zum Ausdruck, was der Volksmund etwas anders ausdrückt,
wenn er sagt: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.
"▪
Lesen
gilt noch heute als »gebildeter« als das Konsumieren von Bildern", beklagt
Christian
Doelker (1997/2002, S. 16) zu
Beginn seiner Untersuchung nüchtern und kritisiert den modernen
Kulturpessimismus, der angesichts der wachsenden Bedeutung von Bildern in
der Kommunikation "die mittelalterlichen Bilderstürme in der modernen
Version der Bilderverachtung" fortsetze (vgl.
ebd., S. 19) Seine Kritik
akzentuiert, was andernorts ebenso klar mit dem Vorwurf gesagt worden ist, dass "die meisten Schulabgänger »piktorale
Analphabeten« seien, denen es an "visual literacy" mangle (Weidenmann
1988, S.9)
Besonders zu denken geben muss, wenn der "Verbalsnobismus"
(Doelker), die kulturpessimistisch fundierte, geringschätzige Haltung in
Schule und Bildung gegenüber der Bildkommunikation fördert:
"Sie reicht
von der stolzen Äußerung »Wir haben keinen Fernseher!« bis zur
Alleinherrschaft des Buches. Gerade wegen der heutigen Bilderflut müsse das
Lesen (gemeint von Worttexten) stärker gefördert werden, lautet eine
buchfundamentalistische Forderung. Die Schule [...] reagiert auf die
Herausforderung des »optischen Zeitalters« (Pawek 1963) größtenteils mit
Abwehr: Wegen der Bilderflut beschränkt sie sich auf die Schriftlichkeit." (Doelker
(1997/2002, S. 20)
Daher ist ungeachtet des in der Massenkommunikation allgemein festzustellenden
Trends zum Visuellen hin, "unsere Kultur trotz der Bilderflut weitgehend
eine Kultur der Schriftlichkeit geblieben." (ebd., S.21) Da kann es
nicht verwundern, wenn die Gesellschaft - und die
Politik - auf die in Umfragen
festgestellte nachlassende
▪
Leselust der Jüngeren
(2002) alarmiert reagiert.
Und doch: die Einsicht wächst, dass auch das Lesen "in der sich dramatisch
entwickelnden Mediengesellschaft nicht so einfach in seiner alten Funktion
fortbestehen kann und wird", selbst wenn ihm "auch und gerade im Kontext
einer Mediengesellschaft" die Rolle einer "Schlüsselkompetenz"
zufallen sollte (Christmann/Groeben
(1999), Psychologie des Lesens, in:
Handbuch
Lesen (1999), S.206)
Allen noch immer bestehenden Vorbehalten zum Trotz befindet sich das Bild
gegenüber dem Text schon seit Mitte des 20. Jahrhunderts auf der
"Überholspur, und mit der Digitalisierung dürfte der Vorsprung gegenüber der
Schrift immer größer werden." (Doelker
(1997/2002, S. 16)
Für diese Entwicklung sprechen gesellschaftlich eine Reihe von Faktoren,
die allgemein gesellschaftlicher, ökonomischer oder technischer Natur sein
können und die allgemein von den ▪
Bedingungen abhängig
sind, unter den Werbung heute "funktioniert".
-
Die technischen Möglichkeiten
zur (digitalen) Bildproduktion nehmen stetig zu und werden ständig
verbessert bzw. vereinfacht.
-
Die Herstellung von
Bildern
wird zusehends billiger.
-
Der fortschreitende
Information overload (▪
Informationsüberlastung),
die unübersehbare Menge von Informationen in der westlichen Welt,
begünstigt die "schnelle" und "verdichtete" Bildrezeption und fördert
damit die
▪
Dominanz der Bildkommunikation.
-
Die
▪
gesättigten Märkte erzwingen unter den Bedingungen der
Informationsüberlastung eine möglichst schnelle, daher meist visuelle
Aufnahme der Werbebotschaft durch den Rezipienten.
-
Das ▪
Fernsehen,
das wie andere elektronischen Medien auch, selbst ein bildbetontes Medium
ist (vgl.Kroeber-Riel/Esch
(2000, S. 14),
fördert die Gewohnheit, nur noch "schnelle" Bilder zu konsumieren. (vgl.
Schierl 2001, S.
228)
-
Und mit dem Internet
und seinen sozialen Netzwerken (YouTube, Instagram) hat sich diese
Tendenz sicher noch potenziert
Hinzu kommen noch die besonderen
▪ Vorzüge der bildlichen Kommunikation
überhaupt.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
16.01.2024