Die Besonderheiten des
Bildes im Vergleich zum Wort sind die Grundlage für die Vorzüge der
Bildkommunikation. Nach
Doelker (1997/2002, S. 52-60)
lassen sich diese Besonderheiten - in Abgrenzung vom Wort - mit vier
Eigenschaften beschreiben: Vieldeutigkeit, Konkretheit, Räumlichkeit und
Unmittelbarkeit der emotionalen Wirkung.
Abhängig von dem
jeweiligen Kommunikationsinhalt zeichnen sich
▪
bildliche Darstellungen durch
eine ganze Reihe von Vorzügen aus, die sich
▪
in der Kommunikation positiv
auswirken können. Dazu zählen:
(vgl.
Schierl 2001,
S. 286) Ob man um der Effizienz willen in der Kommunikation auf Text oder
Bild zurückgreift, hängt dabei stets von dem spezifischen
Kommunikationszusammenhang und dem jeweiligen Kommunikationsinhalt ab.
Bilder können in kürzester Zeit aufgenommen
werden. Die Konsequenzen daraus hat sich vor allem die
▪
Anzeigenwerbung mit ihrer
▪
Betonung von bildlichen Elementen
zu eigen gemacht.
- Es dauert oft nur Hundertstelsekunden, bis die wichtigsten
Grundinformationen oder das Thema eines Bildes erfasst wird. Nach ungefähr
2 Sekunden schon, kann man ein Bild sicher wieder erkennen. (Behrens/Hinrichs
1986, S. 85)
- Im Gegensatz dazu können abhängig von der Textschwierigkeit und der
Leserfähigkeit nur 4-6 Wörter pro Sekunde aufgenommen werden. (Carpenter/Just
1983)
Diese Geschwindigkeit hat natürlich auch ihren Preis. Denn dadurch und
wegen der vergleichsweise geringen gedanklichen Anstrengung bei der
Rezeption von Bildern ist es sehr viel leichter,
"Inhalte an der gedanklichen Kontrolle des Rezipienten »vorbeizumogeln«" (Schierl 2001,
S. 229)
Bilder werden mehr holistisch (holistisch = das Ganze betreffend)
wahrgenommen. Wir sehen in ihnen eine Einheit und analysieren und
kontrollieren sie bei der Informationsverarbeitung gedanklich sehr viel
weniger als sprachliche Mitteilungen. (vgl.
Kroeber-Riel 1985, S. 124)
Daran liegt es auch, dass Bilder so schnell rezipiert werden können.
Bilder werden verglichen mit Text besonders schnell und effizient, aber
auch in der Kapazität praktisch unbegrenzt gespeichert. (vgl.
Schweiger 1985, S. 229)
Allerdings sind die wissenschaftlichen Thesen darüber, wie Bilder in das
Gedächtnis gelangen sehr verschieden und zum Teil widersprüchlich.
Das Modell der dualen
Kodierung
Der Ansatz der dualen Kodierung geht auf
A. Paivio (1971,1977)
zurück. Er zählt zu den strukturalen Modellen des
▪
Gedächtnisses, die von
einer
▪
Mehrspeichertheorie
ausgehen. Duale Kodierung besagt, dass Bilder und Sprache in voneinander
unabhängigen, aber auf vielfältige Weise miteinander in Verbindung
stehenden symbolischen Systemen verarbeitet werden. So betrachtet, werden
Bilder also autonom und unabhängig vom Sprachsystem verarbeitet. Dies
geschieht bei Bildern eher holistisch-analog und nach einer räumlichen
Logik, während
sprachliche Informationen sequenziell und nach logisch analytischen Regeln
verarbeitet werden. (Paivio
1977;
Kroeber-RIel 1993,
Schierl 2001, S.202). Darum
besitzen Bilder empirischen
Untersuchungen zufolge auch einen außerordentlich hohen
Wiedererkennungswert. (vgl.
u. a.
Paivio 1971) Diese als "Picture
Superiority-Effect" bezeichnete Erscheinung kann, so
Paivio (1977), darauf
zurückgeführt werden, "dass der sprachliche Kode in einen bildlichen
übersetzt werden kann und umgekehrt. Bilder werden diesem Ansatz nach
besonders leicht doppelt kodiert und deshalb auch besonders leicht in das
Gedächtnis übernommen." (Schierl 2001,
S.202)
Hinzu kommen noch weitere Gesichtspunkte, die die Verarbeitung von
Bildern beeinflussen:
-
Je konkreter bzw. realistischer ein Bild ist, desto besser und
langfristiger wird es behalten.
Daraus folgt, dass man ein reales Objekt besser behalten kann als ein
Farbfoto davon, ein Farbfoto davon besser als einen Schwarzweißabzug und
ein Schwarzweißfoto besser als eine stilisierte Illustration.
-
Je "lebendiger" (Vividness) die erzeugten
inneren Bilder sind, um so leichter und dauerhafter werden sie behalten.
Um diese Lebendigkeit zu erzeugen, müssen die die Bilder, die wir
wahrnehmen, "besonders assoziationsreich, gestaltfest und eigenständig -
also anders als die anderen - sein" (Kroeber-Riel/Weinberg
1999, S. 344)." (Schierl 2001,
S.202)
Das Modell der Verarbeitungstiefe
Neben dem strukturalen Mehrspeichermodell des Gedächtnisses liefert auch der
funktionale Ansatz der ▪
Verarbeitungstiefe
Erklärungen dafür, wie Bilder in das Gedächtnis gelangen und warum die
Verarbeitung von Bildern so effizient vonstatten geht. Ganz allgemein
durchlaufen nach diesem Anfang der siebziger Jahre entwickelten Ansatz
Reize, die verarbeitet werden sollen, auf ihrem Weg zur langfristigen
Speicherung verschiedene Verarbeitungsstufen. Diese Stufen unterscheiden
sich durch das Niveau ihrer jeweils erreichten "semantischen" bzw.
"kognitiven Tiefe". Die Verarbeitungstiefe eines Reizes hängt u. a. von dem Aktivierungspotential des
Reizes ab. Das ▪
Aktivierungspotential von Bildern ist besonders
stark. Aktivierend sind Reize insbesondere dann, wenn sie
emotional stark
besetzt sind und einen Neuigkeitswert besitzen.
Bilder können durch die Form (z. B.
Farben,
Größe) und durch ihren
dargestellten Inhalt (z. B. emotional sehr stark wirkende Darstellungen)
aktivierend wirken. Die bildliche Darstellung eines Objekts hat damit ein
größeres Aktivierungspotential als eine Beschreibung oder Bezeichnung
desselben. Hinzu kommt noch, dass die Bilder stets in Verbindung zu anderen
schon gespeicherten Bildern oder Erlebnissen treten. Dadurch kann sich die
Bildkommunikation beim Ansprechen von Gefühlen deutliche Vorteile
verschaffen. (vgl.
Schierl 2001,
S.230)
Bilder beeinflussen die
▪
Emotionen ihres Betrachters
besonders stark. Sie wirken geradezu suggestiv und geben dem Betrachter nur
wenig Chancen, sich ihren Informationen zu entziehen. Dazu liefern sie ihre
Informationen oft auf eine äußerst subtile Art und Weise, indem "viele
wichtige Informationen nicht ganz zentral in der visuellen Kernaussage
übermittelt werden, sondern mehr durch die im ausschmückenden bildlichen
Beiwerk enthaltenen Informationen. Dies macht sich die
▪
Werbung in besonders
ausgeprägter Weise zunutze. Jeder kennt Beispiele aus dem Bereich der
▪
Automobilwerbung, wo auf
Werbeanzeigen ein gut aussehendes, junges Mädchen vor oder neben dem Auto
posiert. Nur bei der bildlichen Darstellung wird die subtile gedankliche
Verbindung zwischen Mädchen und Auto aufgebaut, die vom Betrachter in der
Regel widerspruchslos hingenommen wird. Würde die gleiche Information
"Mädchen steht vor Auto XY" als Satz im Rahmen einer Werbebotschaft
formuliert, würde er wahrscheinlich als für die Beurteilung des Wagens
ungeeignete Information zurückgewiesen. (vgl.
Schierl 2001,
S.231f.)
Bilder, so glauben
die meisten Menschen, sind objektiv und werden nicht ohne Weiteres der
Manipulation verdächtigt. Sie werden im Allgemeinen mit großer
Selbstverständlichkeit hingenommen und gelten mithin glaubwürdiger als Text.
(vgl.
Seyffert 1966, S.674ff.)
Allerdings wird man hier anzunehmen haben, dass sich im Zuge der wachsenden
Bedeutung der Bildkommunikation und der vielfach gemachten Erfahrungen und
erworbenen Schemata auch die Fähigkeit zu ihrer Kritik geschärft hat. Was
früher in der Photographie beispielsweise noch einfach für wahr gehalten
worden ist, wird heute im Zeitalter digitaler Bildbearbeitung und damit
Bildveränderung nicht mehr so ohne Weiteres die gleiche Glaubwürdigkeit
beanspruchen können. Und doch: Dem Wahrheitsanspruch eines Bildes lässt es
sich, insbesondere dann, wenn es nur flüchtig rezipiert wird, nicht so
einfach entziehen.
Bilder sind verglichen
mit Text sehr anschaulich. Sie können viele
räumliche Gegebenheiten, Zustände und Beziehungen darstellen, die sich
eigentlich nur anlalog-bildhaft, zumindest in besondere Kürze und Prägnanz,
darstellen lassen. Nicht selten lassen sich so komplexe Tatbestände oder
Wirkungen mit Bildern besonders übersichtlich und präzise ausdrücken. Die
Anschaulichkeit eines Bildes kann im Extremfall so weit gehen, dass,
besonders bei der Darstellung aktivierender Inhalte, ein Erlebnis vermittelt
werden, "dessen Intensität nahe an den Stellenwert des Primärerlebnisses
kommt." (Schierl 2001,
S.234)
Bilder sind auch in der internationalen Kommunikation, unabhängig von
Muttersprache und Kultur, gut verständlich, wenn der Zusammenhang, in
dem die Abbildung steht, klar ist. Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
16.01.2024
|