▪
Infografiken lassen sich unter dem Blickwinkel
▪
journalistischer Darstellungsformen
als eine Form der ▪
journalistischen
Pressegrafik auffassen, zu denen dann auch die drei
weiteren ▪ Funktionstypen
▪
Zuordnungsgrafik,
▪
Kommentargrafik
und
▪
Unterhaltungsgrafik gezählt
werden.
Als journalistische
Darstellungsform kann die journalistische Pressegrafik ▪
tatsachenbetont,
▪
meinungsbetont
(z. B. politische Karikatur) oder
▪
phantasiebetont (Comic-Strips und Witzzeichnungen) sein, aber natürlich
auch in verschiedenen Mischformen auftreten.
Die journalistische Pressegrafik ist
Gebrauchsgrafik. Sie hat im Zeitalter der technischen
Reproduzierbarkeit (vgl.
Walter Benjamin 1935/1977)
die Debatte um die dem klassischen Künstler eigene ästhetische
Schöpferqualität längst hinter sich gelassen und dem aus solchen
Vorstellungen erwachsenden Gedanken an "Schöpfertum und Genialität" (ebd.
1935/1977S. 137) längst ein Ende gesetzt. Heute ist "die
Herstellung von Druckwerken [...] keine Frage der technischen Fertigkeit des
einzelnen mehr, und, mit Verlaub gesagt, auch keine der ästhetischen
Befähigung - höchstens eine der finanziellen Mittel" und damit hat auch das
"klassisch Handwerkliche" im Zeitalter der Digitalisierung binnen weniger
Jahrzehnte an Boden verloren (Liebig
1999, S.20).

Was heute im Allgemeinen im Bereich der Pressegrafik gestaltet und gedruckt
wird, ist zunächst einmal "Kurzzeit-Grafik",
d. h. sie wird für den aktuellen Tagesgebrauch produziert.
Pressegrafiken lassen sich als "in sich geschlossene visuelle Collagen"
verstehen, so genannte Composings, "die in
Print-Produkten jeder Art und Gattung veröffentlicht werden." Sie bestehen
aus einer Kombination von "optischen Versatzstücken, aus grafischen
'Einzelteilen', die durch eine gezielte Zusammenstellung, durch einen
konstruierten, dabei logischen optischen Bezug eine in sich geschlossene
bildliche Aussage hervorbringen." (Liebig
1999, S.22) Wenngleich sich aus konstruktivistischer Sicht gegen
eine solche
Definition,
die von einem irgendwie manifesten Aussagegehalt ausgeht, Einwände
erheben lassen, kann sie als Arbeitsdefinition durchaus taugen.
In der nachfolgenden Infografik (genauer:
PR-Infografik) werden z. B. drei Elemente miteinander kombiniert:
-
zeichnerische Elemente
-
typografische
Elemente
-
fotografische Elemente

Infografik als Mittel der thematischen Segmentierung
Auch wenn Infografiken in der Regel aus sich selbst heraus
verständlich sein sollten, stellen sie doch häufig nur einen Aspekt eines
übergeordneten Themas dar, das auch durch Text und Fotos erschlossen wird.
Sie sind, seit die Buchstabendominanz vergangener Jahrzehnte überwunden
worden ist, ein Element der
"Info-Portionierung", d. h. sie besetzen ein bestimmtes Segment,
eines in verschiedene Info-Einheiten zerlegten Themas. (vgl.
Liebig
1999, S.59 f.)
Dies kann sich z. B. auf die Gestaltung des Seitenlayouts für bestimmte
Themenseiten unmittelbar auswirken. Ein typisches Beispiel dafür ist die
Gestaltung der Seite 2 der
»Süddeutschen Zeitung, die
unter der Rubrik "Themen des Tages" einen aktuell interessanten Sachverhalt
mit verschiedenen
▪
journalistischen Darstellungsformen
(▪ Bericht,
▪
Reportage,
▪
Interview,
▪
Kommentar, Infografik,
Pressefoto, aktuelles Lexikon) thematisch "aufknackt" und dabei, wenn auch
mit dominierenden Textanteilen, entweder Infografiken oder Fotos, mitunter
auch beides, verwendet.
In einem solchen thematischen Kontext verweist die
Infografik thematisch auf das auch im sonstigen redaktionellen Text
Behandelte, pointiert oder illustriert es.
Darüber hinaus kann
eine Infografik die beim
Durchblättern einer Zeitung prinzipiell flüchtige Aufmerksamkeit des Lesers
erregen und als Blickfang (eye-catcher) fungieren. So kann sie den Leser
bzw. die Leserin einer Zeitung unter Umständen erst zur weiteren Lektüre
redaktioneller Inhalte auf der Seite veranlassen. Zugleich spricht eine
solche "Info-Portionierung" auch verschiedene Adressatengruppen an, die eher
auf textliche oder bildlich-grafische Informationen ansprechen.
Wird eine Infografik als Teil eines größeren thematischen Ganzen verwendet,
das z. B. auf einer einzelnen Seite dargestellt wird, dann sollte der in
einer Grafik vorhandene Text (z. B. Headline, Subheadline, Fließtext,
Legende, etc.) den Grundschriften angepasst sein, die auf dieser Seite bzw.
im gesamten Printmedium verwendet werden. Ferner sollten folgende Aspekte
beachtet werden:
-
Grundsätzlich
sollten nicht mehr als zwei unterschiedliche Schriftarten in der
Infografik verwendet werden, soll die Lesbarkeit nicht herabgesetzt
werden.
-
Bei diesen beiden
Schriftarten sollten nicht mehr als drei bis vier verschiedene
Schriftschnitte (z.B. kursiv, fett usw.) verwendet werden.
-
Fließtext bzw.
Mengentext, der in der Grafik eingesetzt wird, sollte die Schriftgröße von
8 Punkt (8 pt) nicht unter- und 12 Punkt (12 pt) nicht überschreiten.
-
Überschriften und
Zwischentitel können natürlich größer und Quellenangaben, die Angabe des
Grafikers bzw. Grafikstudios oder Urheberrechtsanmerkungen kleiner
ausfallen.
Über die Textmenge insgesamt, die in einer Infografik
verwendet werden sollte, gehen die Meinungen auseinander. Während man in
angloamerikanischen Ländern nicht selten dem "Stand-Alone-Item" folgt, und
damit anstrebt, dass eine Infografik eine komplette Kurzinformation über ein
Thema enthält, wird in Deutschland noch immer die textbegleitende Infografik
bevorzugt. Dies wirkt sich natürlich auch auf die in einer Infografik
vorhandene Textmenge aus. In den USA findet man daher in Infografiken häufig
mehr Text als in deutschen Infografiken. (vgl.
Sprissler 1999, S. 25)
Infografik als eigenständige Informationseinheit
Nicht
immer sind Infografiken, die in Printmedien der Presse verwendet werden, nur
Teil eines größeren Themenpakets. Sie können so, wie dies das die
amerikanische Tageszeitung »USA
TODAY« macht, auch als feste Kolumne
zur Wiedererkennung eines bestimmten Blattes beitragen.
In dieser Zeitung,
die 1982 gegründet, "die Infografik vom Luxusobjekt zur täglichen
Darstellungsform" (Liebig
1999, S.98) mit durchschnittlich über 30 Grafiken gemacht hat,
wird unter dem Kolumnetitel »USA Snapshots« in der linken unteren Ecke der
Titelseite stets eine zwei Spalten umfassende Infografik präsentiert. Mit der Herausgabe des deutschen Wochenmagazins »Focus« im Jahre 1993 begann
der Siegeszug der Infografik in Deutschland.
Weitere Funktionen der Infografik
Werden Infografiken in einem bestimmten thematischen Umfeld
präsentiert, können sie durch den "Einbau" von Fotos, Zeichnungen oder Logos
nicht nur informieren, sondern auch bestimmte Inhalte oder Themen zuordnen.
Durch Übernahme dieser Funktion nehmen Infografiken eine Doppelrolle als
Infografik i. e. S. und als ▪
Zuordnungsgrafik ein. Die
Zuordnungsfunktion sorgt dabei dafür, dass die Grafik als Ganzes die Rolle
eines thematischen Signets annimmt, das die Aufmerksamkeit eines an solchen Themen interessierten
Lesers auf sich ziehen kann. (vgl.
Liebig
1999, S.73)
Schließlich kann eine gut gemachte und anmutend gestaltete
Infografik auch einen allgemeinen Beitrag zur Ästhetik des Printmediums
leisten. Auch wenn es natürlich unter journalistischem Aspekt mehr auf die
Inhalte als auf die Form einer Infografik ankommt, wirkt ein Printmedium in
den Augen seiner Leser wohl besser, wenn es sich mit ästhetisch
ansprechenden und gut durchkomponierten Infografiken an seine Leserschaft
wendet.
"Infografiken als bildliche Elemente entwickeln in mancher Hinsicht
offenbar bereits fast aus sich selbst heraus eine potentiell prestigefördernde Wirkung", behauptet daher Martin Liebig (ebd.,
S.75) Sie würden vor allem modern wirken, weil sie, am Computer
erstellt, auch visuell den Eindruck vermitteln würden, "das Blatt befinde
sich auf der Höhe der Zeit und der technischen Entwicklung." (ebd.)
Doch bleibt diese Feststellung kaum mehr als eine Vermutung, denn es gibt
schließlich im internationalen Blätterwald noch ganz andere Auffassungen,
wie das Beispiel der
Neuen Zürcher Zeitung zeigt,
deren Leser und Leserinnen, gleichwohl ebenfalls nicht mehr als Vermutung,
darin u. U. nur "Chartjunk" und "Fast-Food"-Journalismus sehen.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
10.01.2024
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