Schreibkonferenzen klappen
nicht von heute auf morgen
Das Modell der Schreibkonferenz von D. H.
Graves (1983)
wurde von Gudrun
Spitta (1992) (Regeln) modifiziert.
Ihrer Ansicht nach ist es unbedingt
erforderlich, dass sich sowohl die Lehrkräfte, als auch die Schüler
zunächst einmal mit dem Konzept der Schreibkonferenz Schritt für Schritt
vertraut machen, da die dafür nötigen Arbeitsstrategien erst entwickelt
und gelernt werden müssen.
In der Tat ist das Konzept der Schreibkonferenz nicht einfach eine Art
Sozialform zur kooperativen Texterstellung, die man mehr oder weniger
voraussetzungslos, ohne entsprechende Einführung und ein angemessenes
Training einfach als ein Organisations- oder Ablaufmodell umsetzen kann.
Über Texte Gefühle ausdrücken ist nicht leicht
Darauf hat nicht zuletzt
Fix 2006/2008,
S.176f,) hingewiesen. Er betont, dass Schülerinnen und Schüler oft große
Schwierigkeiten dabei haben, "ihr Gefühl über eine Formulierung"
sprachlich auch ausdrücken zu können.
-
Wenn sie darin nicht geübt, die
Schreibaufgaben nicht klar sind und
sie sich diese nicht als Schreibziel angeeignet haben, gehen die
Hinweise der Schülerinnen und Schüler deshalb oft kaum über
Rechtschreib- oder Satzbaufehler oder andere, eher der
Textoberfläche
zuzuordnende Mängel hinaus.
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Die
Textlöcher an
der Textoberfläche, die von den Lesern im Rahmen seiner
Textarbeit bei
der Herstellung eines mehr oder weniger
kohärenten
Textverständnisses geschlossen werden, sind eben unerfahrenen
Feedbackgebern nicht so ohne weiteres zugänglich.
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Sie denken einfach
an den Stellen mit, an denen die Verknüpfungsverweise auf der
Textoberfläche durch
Kohäsionsmittel, wie z. B.
Konjunktionen,
nicht hinreichend ausgeführt sind. Allerdings ist ihnen häufig nicht
bewusst, dass und wie sie die jeweiligen Textlöcher "gestopft" haben.
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Übrig bleibt dann eben so ein vages Gefühl, dass es "vielleicht irgendwo
etwas klemmt" oder "irgendwie nicht stimmt".
In Handlungsvorschläge jedenfalls lassen sich solche Gefühle beim
Peer-Feedback wohl kaum umsetzen.
Im Übrigen ist dies ein Problem des
Peer-Feedbacks,
das in zahlreichen Kontexten zu beobachten ist.
Die Forschung: Peer-Feedback
ist nicht für alle besser als das Feedback einer Lehrkraft
Auch wenn die empirischen Forschungsergebnisse zur Effizienz des
Peer-Feedbacks im Rahmen kooperativer Schreibprozesse sehr
unterschiedlich sind (Berger
1990;
Connor/Asevanage 1994), steht eben doch auch fest, dass das
Peer-Feedback bei den Schülerinnen und Schülern auf eine hohe Akzeptanz
stößt (Leki 1990,
Mangelsdorf 1994,
Mendonca/Johnson 1994.
Andererseits ist auch klar, dass nicht alle
Schreiber gleichermaßen und das bei allen Schreibaufgaben in gleicher
Weise vom Peer-Feedback, zumindest als Feedbacknehmer, profitieren.
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Erfahrene und versierte Schreiber unterscheiden sich hier genauso, wie
die jeweils zu bewältigenden Schreibaufgaben Unterschiede
schaffen.
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Und nicht zuletzt gibt es auch Schreiber/innen, die aufgrund
ihrer lernstrategischen Orientierung
differenzierte Hinweise, die sie von der Lehrkraft erhalten immer noch
"besser" verwerten.
Das Peer-Feedback darf nicht nur an der Oberfläche
kratzen
Die
konzeptuelle
Basis, die
Texttiefenstruktur (Kohärenz)
muss erreicht werden, soll das Peer-Feedback die
Schreibkompetenz über die
Formulierungskompetenz
auf der Textoberfläche hinausgehend fördern.
Schließlich soll sich
das Ganze auch in den Bereichen von Zielsetzungskompetenz,
inhaltlicher Kompetenz,
Strukturierungskompetenz
des jeweiligen Schreibers und Lesers auswirken.
Ohne Wissen auf Seiten der Schülerinnen und Schüler
geht es nicht
Wenn die
Schülerinnen und Schüler nicht über das
konzeptuelle Wissen zum Thema
verfügen, können sie natürlich kaum in ihren Feedbackäußerungen über die
Textoberflächenstruktur hinausgehen und "tiefer gehende Probleme" (Fix
2006/2008, S.176) erfassen und artikulieren.
Kriterien an die Hand geben oder erarbeiten
Neben solchem Wissen (Weltwissen,
Handlungswissen,
Textmusterwissen), das bei einem förderlichen Peer-Feedback
vorausgesetzt werden kann oder ggf. erst zu schaffen ist, benötigen die
Schülerinnen und Schüler bei der Einübung
des schrittweisen kooperativen Schreibens auch
Kriterien, nach denen sie
das Geschriebene beurteilen sollen.
An vorderster Stelle stehen dabei Kriterien, die sich aus den von der Schreibaufgabe bestimmten
Schreibzielen ergeben.
Deren Klärung muss, sofern sie nicht im
Vorfeld z. B. im Klassenplenum gemeinsam erarbeitet worden sind,
daher auch an erster Stelle der bei einer Schreibkonferenz
stattfindenden Verständigungshandlungen stehen. (→Kriterienkataloge
zur Feststellung von Textqualität)
Hier können auch
"Arbeitsblätter mit Basisfragen in einem nicht-direktiven Duktus" eine
wertvolle Hilfe leisten. (Bräuer
2010, S.7)
Allerdings besteht dabei auch die Gefahr des oben schon
erwähnten schematischen Abarbeitens
der aufgelisteten Kriterien oder Gesichtspunkte. (vgl.
Fritzsche 2005,
S.30)
Dies resultiere, so
Fritzsche (1994,
S.199), vor allem daraus, "dass die Kriterien der Überarbeitung nicht
aus dem Verständnis und der Wirkung des einzelnen Textes gewonnen
werden, sondern als allgemeinverbindliche an alle Texte angelegt werden:
Die Texte werden
'nach Schema F' verbessert."
Das wiederum müsse insbesondere beim
Überarbeiten im Rahmen des
Kreativen
Schreibens vermieden werden.
Kriterien oder spontane Gefühle? - Kommt eben darauf
an
Auch wenn das enge und vor allem streng
kriteriengeleitete Verständnis des Schreibkonferenz-Konzeptes (vgl.
auch: Experten-Team) heute
angesichts der vielfältigen Dimensionen des Peer-Feedbacks
überwunden zu sein scheint, sind Fritzsches Äußerungen über dessen Charakter in gewisser
Hinsicht programmatisch.
Danach soll die Schreibkonferenz-Gruppe
(insbesondere beim
kreativen
Schreiben!) nämlich auch darüber hinaus möglichst ohne
vorgefertigte Kriterienkataloge und Checklisten besprechen, "wie
sie den Text versteht, wie er auf sie wirkt, welche Vorstellungen und
Gefühle er wachruft", denn, so Fritzsche an dieser Stelle weiter:
"Feedback' ist für das Lernen wichtiger als Überarbeitung."
Auch wenn
sich gerade im Peer-Feedback zu einem Text, anders als Fritzsche
annimmt, beides ja in besonderer Weise miteinander verbinden kann: Es bedarf
hier also einer sorgfältigen Abwägung, auch wenn wohl
allgemein richtig zu sein scheint, dass eine "didaktische
Steuerung des Feedbacks in allen Schulstufen hilfreich" ist. (vgl.
Bräuer 2010, S.7,
Hervorh. d. Verf.))
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
11.01.2024
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