Schrift ist immer auch Schriftbild
Die schriftliche Kommunikation mit
Sprache hat immer auch eine ▪ Schriftgestalt:
Schrift ist immer auch
Schriftbild.
Schrift bzw. Text und Bild haben dabei besondere
Eigenschaften, die sie für die Kommunikation in jeweils besonderer Weise
geeignet machen. (vgl.
Grundlagen der Bildkommunikation)
Schrift und Schriftbild stehen dabei in einem bestimmten Verhältnis
zueinander. Während die Schrift den Inhalt vermittelt, kann das Schriftbild
vor allem Emotionen ausdrücken bzw. beeinflussen. So nimmt der Leser einer
Schrift ganz von selbst Eigenschaften wahr, die mitunter über die
eigentliche Zeichenbedeutung hinausgehen. Dies bezeichnet man auch als die
Anmutung von Schriften. Auch wenn sich die
besondere Anmutung bestimmter Schriftbilder meistens nicht rational
bestimmen lässt, führt sie doch zur Auslösung von Assoziationen und
Gefühlen. (vgl.
Felser 1997, S.287f.)
Schemata und Konventionen regeln die Schriftverwendung
Häufig wissen wir aus Erfahrung,
welche Schrift zu welchem sprachlichen Inhalt passt. Dafür haben wir
offenbar entsprechende
Schemata
erworben.
Ebenso wird die jeweilige Schriftverwendung oft auch durch ▪
Konventionen geregelt,
auch wenn dies oft nicht für die Gesellschaft als Ganzes, sondern
nur für bestimmte Gruppen gilt.
So ist wird wohl von den meisten Menschen z. B.
die Gestaltung einer Beileidskarte in einer hingekritzelten
und unleserlich wirkenden Schrift oder in einer Fancy- oder Fun-Schriftart
gestaltet als eher unpassend empfunden. Vielleicht kommt es aber
einfach auch darauf an, wer gestorben ist u. v. a. m. Sprach- bzw.
Texthandlungen des ▪
Kondolierens
können also kaum, es sei denn die Wahl erfolgt aus irgendeinem mit
dem Verstorbenen und seinem Leben in besonderer Weise
zusammenhängenden Grund, mit einer Fun-Schriftart im
Flower-Power-Stil vollzogen werden, ohne anzuecken.
Und auch bei einem
privaten Geschäftsbrief sollte man auf die für den jeweiligen
gesellschaftlichen Handlungs- bzw. Kommunikationsbereich üblichen
Schriftarten zurückgreifen. Wer z. B. in bestimmten
Kommunikationsbereichen zu den in manchen Kreisen in Verruf
geratenen Gothic-Schriftarten greift, muss wissen, dass ihm damit
bestimmte
Schriftdesign und seine Elemente
Im ▪ Schriftdesign spiegelt sich
in besonderer Weise, was Typographie leistet. Dabei steht die formale
Schriftgestaltung steht mal mehr mal weniger stark in unmittelbarem
Zusammenhang mit dem Inhalt, kann aber die Rezeption des Inhalts wirksam
steuern.
Schriften steuern die Aufmerksamkeit ihrer Leserinnen und Leser
Die ▪ typographische Gestaltung von
Schriften trägt in erheblichem Maße dazu bei, dass und
inwieweit sich die Aufmerksamkeit des Rezipienten auf einen Text richtet.
Die
wichtigsten Faktoren sind dabei nach
Urban (1980, S.20):
-
Schreibweise (Groß- oder
Kleinschreibung)
-
Schriftrichtung (umgekehrt,
seitenverkehrt etc.)
-
Schriftart (Antiqua, Grotesk,
Fraktur)
-
Schriftcharakter
(Schriftschnitt: Varianten wie kursiv, mager, fett, Neigungsgrad)
-
Schriftgröße (Schriftgrad
groß oder klein)
-
Wiedergabe (gesperrt,
unterstrichen etc)
-
bildhafte Typographie (konkrete
Poesie, dadaistische Spielformen)
Schriften unterliegen Trends und Moden
Schriften haben Konjunktur, d. h. tagtäglich werden neue
Schriften kreiert, übers Internet zum Kauf oder kostenlosen Download
angeboten.
In der digitalen Welt, in der die individuelle
Handschrift immer mehr an Bedeutung verliert, suchen die Menschen
offenbar nach einer Art Ersatz, um ihre Persönlichkeit im
"gedruckten" Wort auszudrücken. In einer Konsumwelt, die uns alle
gleich macht, basteln wir uns eine Identität mit allerlei Dingen und
Accessoires, die uns - selbst wenn Millionen andere dasselbe tun und
nutzen - das Gefühl geben, irgendwie einzigartig zu sein.
Auf diese
Weise werden auch Schriften bei ihrer privaten Nutzung zum
Lifestyle-Produkt und zum Teil unseres "individuellen Styles"
erklärt, wie modische Kleidung, Parfüm oder Smartphone-Vorlieben und
damit Teil der gesellschaftlichen
Singularisierungprozesse.
Und wo die Schriftartenauswahl bei der Kommunikation dies nicht
erlaubt, z. B. bei Instant Messengern, da "retten" wir uns mit der
Nutzung des bereitgestellten Arsenals von Smileys oder Emoticons, um
über die Schrift den Botschaften, die wir versenden, eine besondere
(emotionale) Färbung zu verleihen.
Schriften verschmelzen mit einer Marke und werden selbst zur Marke
Aber nicht nur in unserer zwischenmenschlichen Kommunikation hat
die (maschinelle) Schriftgestaltung im digitalen Zeitalter an
Bedeutung gewonnen.
Zeitgeist, Trends und Moden bei den Schriften spiegeln sich auf einem Markt
wieder, auf dem Produkte und
Firmen miteinander konkurrieren, eine bestimmte »Marke
zu stützen. (vgl.
Klein 2001)
Die Schriftgestaltung ist heute ein zentrales Mittel dafür
geworden, "um sich auszuzeichnen, Zugehörigkeit zu markieren, eben Typisches
erkennen zu können." (ebd.)
Schriftgestaltung ist Teil des Corporate Designs von Institutionen
und Unternehmen
Die Schriftgestaltung gehört auch zu einem der unverzichtbaren Bestandteile jedes »Corporate
Designs, mit dem z.B. die »Unternehmensidentität
(corporate identity) eines
Unternehmens oder einer
Organisation gefördert und signalisiert werden soll.
Die Festlegung von Regeln für
deren gesamtes
Erscheinungsbild betrifft so auch sämtliche
Kommunikationsmittel (Firmenzeichen, Geschäftspapiere, Werbemittel,
Verpackungen, Internetauftritt und andere).
Häufig umfasst es auch das Produktdesign
der Waren und Dienstleistungen.
Schriften müssen lesbar und im digitalen Zeitalter kompatibel sein
Dem Schriftdesign sind natürlich
auch Grenzen gesetzt. Auch wenn wahrscheinlich jedem großen Unternehmen lieb
wäre, auch über eine einzigartige Schrift identifiziert zu werden, setzt
natürlich auch die Kompatibilität der Schriften Grenzen.
-
Geschäftspost und
Dokumente, die in einer herkömmlichen Textverarbeitung bearbeitbar bleiben
sollen, können nicht einfach in einer ganz besonderen Schrift gestaltet
sein, wenn garantiert bleiben soll, dass ihre Gestalt auch auf einem anderen
Rechner in der ursprünglichen Weise erscheint.
-
Verfügt der Zielrechner über
diese Schrift nicht, wird das noch so professionell gestaltete Dokument
durch die automatische Zuweisung einer, meist wenig anmutenden
Ersatzschrift, kurzerhand "verunstaltet".
Die Marktführer: Helvetica, Arial und Univers
Die Anzahl von "Fonts", die heute dem
Computernutzer angeboten werden, sind unübersehbar geworden. Und eine ganze
Font-Industrie tut alles, damit die Trends und Moden anhalten.
So lassen sich natürlich auch nur bedingt Aussagen darüber
machen, welche Schriften heute
den Markt dominieren. Die
Google-Recherche mit String "Meist verwendete Schriften"
bringt es jedenfalls schon nach 0,43 Sekunden auf 21.200.000 (!)
Ergebnisse (25.5.2019).
Helvetica: "Eine Schrift ohne Füße und Dächer"
Betrachten wir daher einfach von drei Schriftarten, die äußerst
populär sind (»Helvetica,
»Arial
und »Univers)
die Helvetica etwas genauer.
Dabei gibt es natürlich von jeder dieser Schriften zahlreiche
Schriftschnitte. Von der Helvetica, der man deshalb in Fachkreisen
eine gewisse "Chamäleon-Natur" bescheinigt, sollen es angeblich über 200
sein, "von 'Light Condensed', über 'Italic' bis 'Extrabold Extended'. Satz,
Farbe, Komposition mit anderen Schnitten und Schriften, Bildern und Formen
sowie Buchstabenabstände und Schriftgröße machen aus der 'Helvetica' immer
wieder etwas anderes." (Gmür
2011)
Die »serifenlose
Helvetica (»DIN
16518, "Schrift ohne Füße und Dächer") hat dabei den Ruf "die neutrale
Schrift schlechthin" (Gmür
2011) zu sein.
Weil sie unaufdringlich, einfach, modern und klassisch zugleich,
im Aufbau harmonisch, scharf und sauber geschnitten, ohne kalt zu
wirken sei, sei sie so beliebt und verbreitet.
-
So
könne man sie bei Fluglinien und Friseurgeschäften ebenso finden, wie auf
Klebstoffen von 3M.
-
Einfache Take-Away-Buden machten damit ebenso auf sich
aufmerksam wie der Autohersteller Saab.
-
Ob Zahnpflege (Oral-B) oder
Tupperware, nahezu überall verbinde man mit der Helvetica wohl die
Vorstellung von einer "fast unsichtbare(n) Schrift, die Botschaften direkt
vermittelt." (vgl.
ebd.)
-
Darüber hinaus, das zeige ihre seit 1984 von Apple genutzte
Verwendung als Mac-Sytsemschrift, dass sie über ausgezeichnete
Bildschirmqualitäten für das Desktop-Publishing verfügt.
An der Helvetica arbeiten Profis in aller Welt, aber auch viele
Hobby-Designer. Und so findet man auch unzählige
Plagiate, die mit ganz unterschiedlichen Namen aufwarten, wie z. B.
Swiss, Switzerland, Geneva/2, Hamilton, HE, Helios, Helios/II, Helv,
Helvette,, Swiss 721, Triumvirate, Vega, Video Spectra etc. (vgl.
wikipedia)
In welche Richtung soll sich das Schriftdesign bewegen?
Profidesigner sind sich, wie könnte es angesichts der auf dem Spiel
stehenden Interessen anders sein, uneins darin, ob
Schriftgestaltung sich eher an emotional oder rational orientierten
Designkonzepten ausrichten soll:
"Braucht es eine romantische Schrift, um
'ich liebe dich' auszudrücken?" (ebd.)
Dabei ist nicht nur an die nächstliegenden Kontexte zu denken, welche
Schrift nämlich eine Geburtstagkarte für einen bestimmten Adressatenkreis
interessant macht.
Weitaus interessanter scheint der Aspekt, dass man heute
sich heute schon als einigermaßen versierter Computernutzer seine eigene
Handschrift einscannen und zur Maschinenhandschrift umfunktionieren kann.
Ein Markt, der sich den Problemen individualisierter Lebensformen in unserer
Gesellschaft sehr gut anzupassen scheint. Und die Handschrift selbst? Wen kümmert's ...
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
11.01.2024
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