Der ▪
Referenzrahmen für literarische
Kompetenz, den Theo
Witte
(2008) im Zusammenhang
einer
Längsschnittstudie an niederländischen Schulen entwickelt hat,
unterscheidet sechs verschiedene Kompetenzniveaus der ▪
literarischen Kompetenz, die auf
jeweils spezifischen Arten des Lesens beruhen. Vom untersten Level 1 bis
zum obersten Level 6 sind dies (Terminologie in der dt. Übersetzung von
Altinay-sezen
(2015, S.6 f.):
Aspekte des Referenzrahmens beim erkennenden Lesen
Der
▪ Referenzrahmen literarischer
Kompetenz für
Leserinnen und Leser beim interpretierenden
Lesen (interpretive reading) auf dem vierten der sechs Kompetenzniveaus (Witte
(2008, S.531) umfasst leserseitige
und textseitige Faktoren sowie die
darauf Bezug nehmenden Niveaus der Aufgaben
und des jeweiligen niveauspezifischen Aufgabendesigns.
Leserseitige Faktoren
Schülerinnen und Schüler
-
verfügen über eine
relativ breite literarische Kompetenz
-
haben Erfahrung im
einfachen Lesen von belletristischer Literatur für Erwachsene
-
sind in der Lage zu
lesen, zu verstehen, zu interpretieren
-
schätzen Literatur,
die nicht zu komplex ist
-
können über
Interpretation und ihre literarischen Vorlieben mit anderen
kommunizieren
-
finden aufgrund ihrer
allgemeinen und literarischen Entwicklung Zugänge zu fiktionaler
Literatur (Romane) namhafter Autorinnen und Autoren, sofern diese
nicht zu komplex angelegt sind
-
sind bereit, in
Literatur zu investieren
-
machen ihre
Bereitschaft sich, auf literarische Texte einzulassen, nicht mehr so
sehr vom Umfang und der Komplexität der Größe der Aufgabe abhängig
-
zeigen erste
Anzeichen eines sich entwickelnden ästhetischen Bewusstseins
-
wissen, dass ein
fiktionaler Text "erfunden" ist und dass ihr Verfassen Schreiben
eine Kunst ist
-
sind bereit, in
komplexe Ereignisse und erwachsene Emotionen einzutauchen, die weit
entfernt von der eigenen Erfahrung liegen
-
interessieren sich
für Erzähltechnik und andere Strukturen und unter gewissen Umständen
auch für die Absicht des Autors
Textseitige Faktoren
Texte und Bücher die für die jugendlichen Leserinnen und Leser dieses
Niveaus in Frage kommen,
-
sind in einem
"literarischen" Stil verfasst
-
sind in ihren Themen
und Inhalten sowie bei der Gestaltung von Charakteren nicht
unmittelbar mit der Welt der Jugendlichen verbunden
-
sind in ihre
Handlungsführung und bei der Entwicklung von Charakteren daher auch
weniger vorsehbar
-
können etwas
komplexere Strukturen verwenden, wie z. B. unzuverlässige
Perspektive, implizite Zeitverschiebungen und Änderungen bei der
Perspektive, unbeantwortete Fragen, mehrere Bedeutungsebenen,
metaphorischer Stil usw.
-
ermutigen den Leser,
den Text zu interpretieren
-
lesen auch viele
Werke namhafter Autorinnen und Autoren
Aufgaben, Aufgabenniveau und niveauspezifisches Aufgabendesign
Aufgaben, die von
Schülerinnen und Schüler auf diesem Kompetenzniveau bewältigt werden,
können, sollten berücksichtigen, was diese auch leisten können und in
welchem Rahmen diese Leistungen erbracht werden.
Schülerinnen und
Schüler
-
können verschiedene
Bedeutungsebenen erkennen und unterscheiden
-
sind der Lage Motive
und andere bedeutsame Bedeutungselemente zu interpretieren
-
zeigen in ihrem
Verhältnis zur Hauptfigur identifikatorische Empathie, aber können
sich auch von dieser distanzieren
-
reagieren kritisch
auf das Verhalten des Charakters im Kontext der Geschichte
-
können die Bedeutung
des Werks reflektieren und seine verschiedenen Themenfacetten
erkennen
-
zeigen Interesse an
der Arbeit des Autors bzw. der Autorin
-
achten auf die
Wirkung bestimmter Erzähltechniken, wie z.B. Techniken zur
Spannungserzeugung und auf Stilmittel wie Ironie
-
können die
Erzähltechniken von Filmen und schriftsprachlichen Texten
analysieren und miteinander vergleichen
-
beziehen ihre
Reaktionen auf die Lektüre auf das Werk selbst, seine Erzähltechnik
und mitunter auch auf das gestalterische Können des Autors bzw. der
Autorin
-
wenden ein dazu ein
komplexes Bewertungsschema am, das zusätzlich strukturelle und
ästhetische Kriterien einbezieht
-
sind gut gerüstet, um
ihre eigene Interpretation eines Textes zu entwickeln
-
zeigen sich offen für die
Interpretationen und Ansichten anderer
-
können die
Zusammenfassungen und Interpretationen ihrer Mitschüler*innen
kritisch beurteilen
-
können ihre Vorlieben
zwar artikulieren, können aber noch keine unabhängige Auswahl dazu
passender Texte vornehmen
(vgl.
Witte
2008, S.531, übersetzt und dabei leicht verändert und ergänzt)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
27.07.2024
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