In einem Gespräch, soll es funktionieren, kann sich ein Hörer nicht
passiv verhalten. Seine Höreraktivität beschränkt sich dabei nicht nur auf den
Bereich der
Perzeption der Äußerungen des anderen, das so genannte
Hörverstehen, sondern geht weit darüber hinaus.
Wenn jemand nämlich in
einem Gespräch "nur" passiv zuhört, hat das auch Auswirkungen auf den
Sprecher, der u. U. vermutet, dass seine Äußerungen nicht ernst genommen
werden. Zuhören muss in einem funktionierenden Gespräch also immer aktiv
sein.
Dies aber nicht gleichzusetzen mit dem in der
▪
Kommunikationspsychologie und
▪ Argumentationslehre gemeinhin verwendeten Begriff des
aktiven Zuhörens,
wenngleich es natürlich auch in die von diesen geprägte
▪
Typologie des Zuhörens in dieser oder jener Form eingeht.
In der linguistischen
▪ Gesprächsanalyse
gehören zur Höreraktivität alle
"gesprächs- und sprecherorientierten Handlungen, deren Bedeutung und
Funktion sich erst in Bezug auf die Sprecherrolle ganz verstehen lassen."
(Linke
u. a. 1995, S.268) Die Gesamtheit dieser Aktivitäten wird als
Hörer-Feedback (auch:
back-channel-behavior oder
Rückmeldeverfahren) bezeichnet.
Die Art und Weise, wie wir als Hörer in einem Gespräch parallel zu dem
Gesagten Rückmeldung geben, geschieht meistens mehr oder weniger
automatisch und entzieht sich dann unserer direkten Steuerung. Aber
natürlich kann man auch nur den "guten" Zuhörer vortäuschen, insbesondere
wenn, wie im Fall eines Telefongesprächs andere nonverbale Signale den
Sprecher am anderen Ende der Leitung nicht erreichen.
Gerade die
Aufmerksamkeit bezeugenden Signale und die
kommentierenden
Signale können einen großen Einfluss auf den Sprecher und damit auf
den Gesprächsverlauf gewinnen.
-
Wird einem Sprecher vom Hörer eine (subjektiv) zu geringe
Aufmerksamkeit geschenkt, so kann dies zu Verunsicherungen und Ärger
seitens des Sprechers führen. Konsequenz daraus kann sein, dass nun der
Sprecher selbst die Initiative ergreift und mit entsprechenden Signalen
(Rückfragen und
tag-questions wie nicht wahr? o. ä. ) nun seinerseits das
gewünschte Hörer-Feedback bei nächster Gelegenheit einfordert.
-
Wem als Sprecher als
kommentierendes Signal zu seinen
Äußerungen Stirnrunzeln "entgegenschlägt", sieht sich unter Umständen
veranlasst, seine gemachten Aussagen zu präzisieren, zu erläutern, mit
weiteren Argumenten "nachzudoppeln" u. ä.
Die Höreraktivität hat aber auch für die Organisierung des
Sprecherwechsels
Gewicht. Häufig wird nämlich, ehe es zum Sprecherwechsel in dieser oder
jener Form kommt, vom Hörer durch ein verstärktes Hörerfeedback
signalisiert, dass man bei nächster Gelegenheit sein Rederecht
beanspruchen will.
(vgl.
Linke u. a. 1995, S.269)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
18.12.2023