Eine Weiterentwicklung des
▪
Freiburger Redekonstellationsmodells
zur ▪ Typologie von Gesprächen
stellt das Modell von
Helmut Henne und Helmut Rehbock (1982/1995) dar.
Auf der Basis
soziologisch fundierter so genannter
Gesprächsbereiche werden zehn "kommunikativ-pragmatisch bedeutsame
Kategorien" entwickelt, die auf konkrete Gespräche angewendet werden
sollen. Damit sollen diese konkreten Gespräche bestimmten Gesprächstypen
zugeordnet werden können.
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Die
Gesprächsgattungen stellen
natürliche,
fiktive/fiktionale
und
inszenierte Gespräche dar. Dabei lassen sich die natürlichen
Gespräche noch unterteilen in
natürliche spontane und
natürliche arrangierte Gespräche.
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Das
Raum-Zeit-Verhältnis bzw. der situationelle (=situative) Kontext
von Gesprächen lässt sich danach differenzieren, ob die Kommunikation
nah (= zeitlich simultan und räumlich nah,
Face-to-face-Kommunikation) oder fern verläuft (z. B.
Telefongespräch).
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Bei der
Konstellation der Gesprächspartner unterscheidet man Gespräche
unter vier Augen von denen in Gruppen (Kleingruppen,
Großgruppen).
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Der
Grad der Öffentlichkeit von Gesprächen kann sehr unterschiedlich
ausfallen. Er kann privat, halböffentlich (z. B. ein
spezieller fachlich legitimierter Teilnehmerkreis), öffentlich
oder nicht-öffentlich sein.
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Die
soziale Beziehung bzw. das soziale Verhältnis der
Gesprächspartner kann symmetrisch, d. h. nach
Watzlawick
u. a. 1972 "durch Streben nach Gleichheit und Verminderung von
Unterschieden zwischen den Partnern" charakterisiert sein, bei der sich
die Partner bemühen wissensmäßige oder anderswie bedingte Asymmetrien
auszugleichen. Die Beziehung kann aber auch asymmetrisch sein.
Diese Asymmetrien sind dann entweder anthropologisch bedingt (z.
B. Erwachsener-Kind-Beziehung), soziokulturell bedingt
(institutionell und gesellschaftlich bedingt, z. B. sozialer Status und
Rang, Teilhabe an Macht), fachlich oder sachlich bedingt
(Fachwissen, Kompetenzen, Qualifikationen) oder gesprächsstrukturell
bedingt (= Bevorrechtigungen in bestimmten prototypischen
Gesprächsformen wie
Interview, Befragung).
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Berücksichtigt man die Handlungsdimensionen eines Gesprächs, so kann man
direktive Gespräche mit
Anweisungs- und Hinweischarakter (meist Gespräche in der Arbeitswelt,
aber auch Arzt-Patient- oder Seelsorger-Gläubiger-Gespräche),
narrative Gespräche mit
dominierender Kontaktfunktion ( z. B. Gespräche über den Gartenzaun,
Partygespräche, Smalltalk) und
diskursive Gespräche des Alltags (z. B. Wer wird Weltmeister in
der Formel 1?) und in der Wissenschaft voneinander unterscheiden.
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Der
Bekanntheitsgrad der Gesprächsteilnehmer
ist für ein Gespräch
ein wichtiges Kriterium, und sein Verlauf hängt eben auch davon ab, ob
die Gesprächspartner einander vertraut,
miteinander befreundet oder
gut bekannt sind, ob sie einander
nur bekannt, nur flüchtig bekannt
oder gar unbekannt sind.
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Für ein konkretes Gespräch ist auch der Grad der
Vorbereitetheit der Gesprächspartner von Bedeutung. Es macht
einen Unterschied, ob ein Gespräch
nicht vorbereitet,
routiniert vorbereitet oder
speziell vorbereitet worden ist.
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Hinsichtlich der
Themafixiertheit eines Gesprächs lassen sich folgende
Abstufungen vornehmen: nicht themafixiert,
themabereichsfixiert und
speziell themafixiert.
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Das
Verhältnis von Kommunikation und nichtsprachlichem Handeln kann
empraktisch oder
apraktisch sein. Ein empraktisches
Verhältnis liegt bei sprachlichen Äußerungen vor, "die in
außersprachlichen Handlungen verflochten sind und von daher ihren
Sinn beziehen." (Henne/Rehbock
1982/1995, S.37). Dazu zählen u. a. die folgenden Arbeitgespräche
von Chefarzt und Mitarbeitern bei der Visite, von Projektleiter und
Projektteam, von Bauern, die eine Flurbegehung durchführen usw.)
Apraktisch stellt das Gegenteil dazu dar und zielt begrifflich auf
Gespräche, "die in in diesem Sinne entlastet sind von
gesprächsbegleitenden Funktionen." (ebd.)
(vgl.
Henne/Rehbock 1982/1995, S.31-38) Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
18.12.2023
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