Die
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Augen sind als Rezeptoren von
▪
Reizen bei der
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visuellen Wahrnehmung zuallererst
dafür da, Informationen aufzunehmen, und weniger dafür, Signale zu senden.
Trotzdem weiß jeder aus Erfahrung, dass die Art und Weise, wie man einen
anderen ansieht, auch etwas aussagt.
Da muss man gar nicht, wie es schon die alten Römer taten, den so genannten
"bösen Blick" von Hexen oder anderen Bösewichtern zu bemühen, um auf
die herausragende Bedeutung der Handlung Sehen und ihrer Deutung durch einen
anderen Betrachter hinzuweisen.
Ob man allerdings will oder nicht: Wenn man jemanden anschaut, sendet man
immer zwei allgemeine Signale:
Blickverhalten und Herstellung sozialer Beziehungen
Auch wenn Blicke, für sich allein genommen, nicht eindeutig zu
interpretieren sind, haben sie doch einen sehr großen Anteil bei der
Herstellung von Beziehungen und bei der Pflege des Sozialkontakts.
So kann die Blickdauer ein wesentliches Indiz für
Sympathie
sein (Wen man gern hat, schaut man eher an), aber auch Ausdruck von Dominanz oder gar
Drohung sein. Interessanterweise ist die
Blickdauer zeitlich begrenzt und wird während es Gesprächs nicht annähernd
hundertprozentig aufrechterhalten. So hat man u. a. festgestellt:
-
Beim Zuhören blickt man im Allgemeinen doppelt so lange auf den
anderen wie beim eigenen Reden.
-
Bei größerem Abstand ist der Blickkontakt größer.
-
Bei intimeren Gesprächsthemen fällt der Blickkontakt geringer und bei
weniger intimen Themen größer aus.
-
Frauen schauen mehr als Männer und zwei Frauen halten im
Gespräch einen ausgiebigen Augenkontakt.
-
Das Blickverhalten von Frauen wird von anderen meist stärker beachtet.
(Das Schminken der Augen verstärkt diesen Effekt.)
-
Männer wenden ihren Blick, wenn ihnen eine Frage gestellt wird, meist
immer nach rechts oder meist immer nach links ab. Frauen wechseln darin
durchaus ab.
-
Bei Männer weiten sich beim Anblick von Photographien attraktiver
Frauen die Pupillen; bei Frauen geschieht dies sowohl bei Photographien
von Männern und Säuglingen.
-
Wer eine andere weniger intime Person täuscht, schaut diese im
Allgemeinen weniger an.
-
Wer gegenüber einer anderen, Dominanz erlangen will, sendet zunächst
lange Blicke aus, reduziert danach aber die Blickfrequenz deutlich.
-
Wer andere mehr anschaut als andere, gilt als aktiver,
dominanter und selbstbewusster.
-
Wer seinen Blick starr auf jemanden richtet, sendet damit u. U. ein
Drohsignal.
-
Blicke werden vermieden, wenn man negative Gefühle wie Angst, Scham
und Verlegenheit erlebt. (vgl.
Argyle 1979, 8. Aufl. 2000, S.220-233).
Beim Sprechen qualifiziert der Blick nicht selten erst den
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Sprechakt (illokutionären Akt). Die an einen Gesprächspartner gerichtete
Äußerung: "Jetzt täte ein Bier gut." kann ja prinzipiell als Befehl, als
indirekte Aufforderung, als Wunsch oder als sachliche Mitteilung gemeint
sein. Neben dem allgemeinen situativen Kontext, hängt es von der Länge des
Blickkontaktes ab, wie die Äußerung gemeint ist. Fällt der Blick lange aus,
handelt es sich um einen Befehl, der häufig noch mit einem Lächeln als eine
Art Befriedigungssignal verbunden wird. (vgl.
Winterhoff-Spurk 1983)
Trotzdem reicht die Signalwirkung des Blickes häufig allein nicht aus, um
eine bestimmte Information zu encodieren. Dies lässt sich am Beispiel der
Abwendung des Blicks besonders gut verdeutlichen: "Wenn jemand seinen Blick abwendet, werden andere vielleicht nicht
entscheiden können, ob er das tut, weil er zu nahe steht, weil er über ein
sehr intimes oder schwieriges Thema redet, andere interessante Dinge zu
betrachten hat, seinen Gesprächspartner nicht mag, einen höheren Status hat,
introvertiert, schizophren oder depressiv ist, verlegen oder traurig ist
oder weil er zu einem bestimmten amerikanischen Indianerstamm gehört, um nur
eine der wichtigsten Möglichkeiten anzuführen." (Argyle 1979,
8. Aufl. 2000, S.234f.)
Im Zusammenhang mit der
räumlichen Annäherung von Personen (Proxemik)
spielen Blicke eine zentrale Rolle. So hat J. Fast (1979) zum Austausch von
Blicken in der Öffentlichkeit festgestellt: "Wenn man auf der Straße an jemandem vorbeigeht, kann man den Betreffenden
anschauen, bis man sich auf knapp drei Meter genähert hat. Dann muss man
wegblicken und geht vorbei. Bevor man die Drei-Meter-Marke erreicht hat,
wird man sich gegenseitig signalisieren, auf welcher Seite man aneinander
vorbeigehen will. Dies geschieht mit einem kurzen Blick in die betreffende
Richtung. Dann beginnt man etwas von der ursprünglichen Richtung abzuweichen
und kommt reibungslos vorbei." (Fast
1979, S.140, zit. n.
Schober 1989, S.61)
Kulturelle Besonderheiten
Das Blickverhalten ist, bei Übereinstimmung in Grundlegendem, von
Kultur zu Kultur auch unterschiedlich. Man hat u. a. festgestellt:
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Araber, die im Übrigen auch näher beieinander stehen, haben mehr
Blickkontakt als Europäer oder Amerikaner.
-
Japaner richten ihren Blick eher auf den Hals als auf die Augen.
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Griechen schauen mehr, wenn sie in der Öffentlichkeit oder im Privaten
fremde Personen treffen, als Briten oder Amerikaner.
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In zahlreichen Kulturen gilt Augenkontakt als Zeichen für mangelnden
Respekt.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
18.12.2023
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