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"Der Dialekt ist die Rache des Provinzlers am schnellmauligen Städter,
der nur einen Jargon besitzt." (Günter Herburger) Das vorstehende
Zitat zeigt, in welchem gesellschaftlichen Spannungsfeld der Dialekt
steht. Während in der Schweiz das Dialektsprechen durch alle Schichten
hindurchgeht, in Österreich das mundartliche Sprechen ebenso nur selten
einen Hinweis auf die soziale Schichtzugehörigkeit gibt, geht man in
Deutschland, wenn man auf Dialektsprecher trifft, meist davon aus, dass es
sich bei ihnen um Leute handelt, die sozial niedereren, meist ländlichen
Schichten angehören. Und in so manchem Bewerbungsgespräch hat ein
Dialektsprecher die bittere Erfahrung machen müssen, dass Dialekt als
Hinweis für fehlende (sprachliche) Intelligenz gehalten worden ist. In
Deutschland sprechen die (städtischen) Mittel- und Oberschichten, ganz
unabhängig von ihrer geographischen Situierung, eben eine andere Sprache:
die Standardsprache. Zum Begriff des Dialekts, wie er bei uns verwendet
wird, gehört also stets das Merkmal soziale
Schicht.
Allgemein
betrachtet stellen der Dialekt (gr. dialektos = Sprache der
Unterhaltung, Umgangssprache) oder die Mundart eine besondere
Sprach(gebrauchs)form der deutschen Sprache und damit eine
Varietät
der deutschen Sprache dar. Neben dem Merkmal der sozialen Schicht
weist er eine Bindung an einen bestimmten Sprachraum auf, der eine
vergleichsweise geringe regionale Ausdehnung besitzt, im Extremfall sogar
auf einen bestimmten Ort begrenzt ist (Ortsmundarten). Daher ist der
Dialekt "bestimmbar als Summe spezifischer sprachlicher Charakteristika,
die das Sprachsystem bzw. den Sprachgebrauch in einer durch
geographische Daten abgrenzbaren Sprachgemeinschaft haben." (Linke/Nussbaumer/Portmann
. 1994, S.305)
Ein Dialekt weist im Rahmen der National- bzw. Standardsprache
besondere Sprechweisen, häufig auch besondere Schreibweisen auf. Solche
Besonderheiten finden sich insbesondere im Bereich der Lautung
(Phonologie) und beim Wortschatz. Die Sprachraumbezogenheit des Dialekts
lässt sich an den althergebrachten Landschafts- oder Stammesnamen ablesen,
die bestimmte Dialekte bezeichnen (z. B. Hessisch, schwäbisch, bairisch,
friesisch usw.). Die geographische Verteilung der Dialekte untersucht die
Dialektgeographie, die selbst
wiederum eine Unterdisziplin der Wissenschaft von den Dialekten, der
Dialektologie darstellt. Mit
kartographischer
Genauigkeit
entsteht dabei ein Sprachatlas, der die
Ausbreitung von Dialekten und die Raumbildung durch Dialekte verzeichnet.
Darüber hinaus sind im Rahmen der wissenschaftlichen Forschung zum Dialekt
zahlreiche Dialektwörterbücher
entstanden, die den Wortschatz nach regionalen Gesichtspunkten registriert
und inventarisiert haben. Dies können durch direkte Befragung entstandene
Wörterbücher von Ortsmundarten ebenso sein wie Wörterbücher größerer
Regionen. (vgl.
Metzler Lexikon Sprache 1993)
Die Entwicklung der Dialekte
Die Entwicklung der deutschen Dialekte beginnt in der Zeit der
Völkerwanderung, in der sich die fünf Stämme der Alemannen, Franken,
Thüringer, Sachsen und Bayern herausbilden. Die kleineren Stämme, die sie
unter ihrem jeweiligen Stamm vereinten,. hatten wahrscheinlich auch schon
einen Dialekt, der sich aber mit den anderen vermischte. Im
Althochdeutschen finden sich schon Dialekte, die sich an diesen Stämmen,
bei den Franken und Sachsen sogar nach Teilstämmen identifizieren lassen.
Heutzutage werden die (hoch)deutschen Mundarten in vier Hauptgruppen
eingeteilt, deren Mundartgrenzen danach grob skizziert werden:
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Alemannisch
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Bairisch
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Westmitteldeutsch
-
Ostmitteldeutsch
Alemannisch wird in der Schweiz, im
Elsass, in Vorarlberg, in Liechtenstein, in Württemberg (ohne den
nördlichen Rand davon), in Südbaden und in Bairisch-Schwaben gesprochen.
Die Ostgrenze des Sprachraumes liegt ziemlich genau östlich des Flusses
Lech. Der Sprachraum des Alemannischen wird unterteilt in drei Regionen
mit verschiedener Ausprägung dieser Mundart: hochalemannisch,
oberrheinisch nordallemannisch und schwäbisch.
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Hochallemannisch wird in der
Schweiz, im südlichen Elsass und im Südschwarzwald gesprochen. Besonders
auffällig ist dabei die Aussprache des k als ch.
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Oberrheinisch nordallemannisch
wird im Elsass (außer ganz im Norden davon) und Baden südlich von
Rastatt und nördlich vom Feldberg gesprochen.
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Schwäbisch spricht man östlich vom Schwarzwald bis zum Lech.
Bairisch
(bayerisch-österreichisch) spricht man in Bayern, in Österreich
und bis nach Böhmen hinein. Im Norden reicht es bis zum Fichtelgebirge.
Drei verschiedene Ausprägungen dieser Mundart lassen sich unterscheiden:
südbairisch, mittelbairisch, nordbairisch
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Südbairisch wird am Südhang der Alpen gesprochen, zu ihm zählen
Tirolisch, Steirisch und Kärntisch.
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Mittelbairisch wird beiderseits der Donau vom Lech bis östlich
kurz vor Wien, vom Alpenkamm bis südlich von Regensburg und in südlichen
Regionen Böhmens und Mährens gesprochen. Besonders auffällig ist dabei
die Vokalisierung von -l , z. B. schpü für Spiel.
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Nordbairisch wird nördlich von Regensburg, in Nürnberg und in
Nordwestböhmen gesprochen. Besonders auffällig ist dabei die Verwendung
von ei und ou für das neuhochdeutsche ie und u,
z. B. leib statt lieb, oder: gout statt gut.
Das
Westmitteldeutsche umfasst die
fränkischen und pfälzischen Dialekte.
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Ostfränkisch wird im Norden bis zum Thüringer Wald (einschl.
sächsisches Vogtland und westl. Erzgebirge), im Westen bis zur Rhön, dem
Ostrand des Spessarts fast bis zum Neckar hin gesprochen.
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Rheinfränkisch wird im Norden bis zum Rothaargebirge und
nördlich von Kassel, im Nordwesten bis an die Grenze des Rheinlands und
im Westen bis nach Lothringen gesprochen.
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Rheinpfälzisch spricht man bis zum Rheingau und Odenwald.
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Hessisch wird im ganzen Gebiet vom Main bis zur
mitteldeutschen-niederdeutschen Grenze gesprochen.
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Moselfränkisch spricht man von der Ahr bis zum Hunsrück,
einschl. Westerwald, Siegerland und das südwestliche Westfalen.
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Ripuarisch wird von Köln und um Köln herum bis nördlich von
Aachen und Düsseldorf gesprochen.
Das Ostmitteldeutsche umfasst
das Thüringische, das Obersächsische, das Schlesische und das
Hochpreußische.
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