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Dialekt

Klagegesang der Eva

Sebastian Sailer (1743)

 
 
  »Sebastian Sailer (1714-1777) gilt als der erste bedeutende oberschwäbische Dialektdichter. Als Pfarrer und Wandeprediger, geistesverwandt mit Abraham a Santa Clara, war er bekannt für seinen volkstümlichen und schlagfertigen Witz. Die österreichische Kaiserin Maria Theresia, die ihn einmal nach Wien kommen ließ und dort sogar empfing, "hob, als er ihr zu Boden lag, »den schwäbischen Bengel ganz leicht in die Höhe« und verehrte ihm eine kostbare Dose mit der Aufschrift CICERONI SVEVICO (dem schwäbischen Cicero)." (Lahnstein 1983, S.27)
In seinem dramatisierten Volksschwank "Die Schöpfung der ersten Menschen, der Sündenfall und dessen Strafe (1743), das wohl sein weitaus erfolgreichstes Stück gewesen ist, "versetzt er die biblische Schöpfungsgeschichte um Adam und Eva in die Welt oberschwäbischer Bauern. Gottvater, Adam und Eva sprechen und singen auf der Bühne in oberschwäbischem Dialekt. [...] Die Schwäbische Schöpfung fand zu allen Zeiten viele Freunde, erlebte – wenn auch erst nach Sailers Tod – zahlreiche, teils illustrierte Ausgaben und wird noch heute etwa im Rahmen der jährlichen Sebastian-Sailer-Tage in Obermarchtal immer wieder aufgeführt." (Wikipedia, 15.09.07) In dem 1742 erstmals in Schussenried aufgeführten Stück, setzt sich Eva im 3. Aufzug in einem Klagegesang mit Gottvaters rauen Beschluss auseinander, "das Weib müsse in Schmerzen Kinder gebären und dazu noch ihrem Mann untertan sein".  (Lahnstein 1983, S.27)

 

Klaggesang der Eva

       


O Jeggerle! was fällt Ui ei',
    was fangat ar no a',
daß i soll untergeaba sei'
    und diena gar mei'm Ma'!
Suppa, Knöpfla, Spatza kocha,
schpüala, schaffa ganze Wocha,
    und darnôh zum Lauh'
    d'Moischterschaft itt hau'!

I schtirb' vor Kummar und vor Waih,
    wenn's itt ka' anderscht sei'.
Vor i dees Ding thua, will i aih'
    in Doana springa nei'.
Wäscha, bögla, näha, schtricka,
Schtrümpf und alte Hosa flicka,
    und darnôh zum Lauh'
    d'Moischterschaft itt hau'!

As ischt mar g'sei, as komm so raus,
    's gang älls nu' über mi:
Der Odam hôt si g'loga naus,
    hôt dänischt thau', was i.
Liacha, hächla, riffla, bolla,
schwinga, breacha, Wasser hola,
    und darnôh zum Lauh'
    d'Moischterschaft itt hau'!

Daß d'Au'schuld denn halt ällamôl
    da Hund nu' heba muaß,
dees ischt für mi, beym Hondertschtrôhl,
    a grauße, hee'te Buaß.
Fada zwirna, haschpla, schpinna,
d'Schtiaga auf und abe rinna,
    und darnôh zum Lauh'
    d'Moischterschaft itt hau'!

Liabs Herrgöttle! dir sey's geklagt
    und eisar Fraua au,
daß i soll diena wia a Magd,
    hau' g'moit, i sey a Frau.
Rohm a'neahma, Butter rüahra
d'Schlüsselballa a' mar füahra,
    und darnôh zum Lauh'
    d'Moischterschaft itt hau'!

An anders Mittel schaffat doch
    und machat's itt so herb.
Theand mi do itt gar unter's Joch,
    daß i itt ganz verderb'.
Henna greifa, Heah'la koppa,
Enta, Gäu's und Tauba schoppa,
    und darnôh zum Lauh'
    d'Moischterschaft itt hau'!

Dees macht mar Angscht, dees macht mar bang,
    was ischt dees für a Pei',
daß i mei'm Ma' mei' Leabalang
    soll untergeaba sei'.
Schnittla macha, Nudla schupfa,
Erbes und Fassola schtupfa,
    und darnôh zum Lauh'
    d'Moischterschaft itt hau'!

I hätt schier g'sait: Dar Tuifel hol'!
    Bin i denn gar so schleacht,
daß i mei'm Ma' nu' diana soll?
    Dar Odam sey mei' Kneacht!
Melka, kneatta, Braut ei'schiassa,
Schmalz aussieda, Keeza giassa,
    und darnôh zum Lauh'
d'Moischterschaft itt hau'!

O g'wieß, i will schau' braucha Lischt,
    i wehr mi, wia-n-i ka';
as ischt jô g'nua, wenn Odam ischt
    am Nama nôh dar Ma'.
's Häusle mischta, d'Wöscha schtärka,
Schneider, Bloicher, Weaber ferka,
    und darnôh zum Lauh'
    d'Moischterschaft itt hau'!

Jô wohl, thua, was der Odam will,
    und diena, ey so schla'!
Zua ällem schweiga mäusleschtill,
    dees gieng mar au no a'.
D'Kinder wiaga, putza, traga,
d'Rufa salba, lausa, zwaga,
    und darnôh zum Lauh'
    d'Moischterschaft itt hau'!

Gôht Odam uf da-n-Acker naus,
    ka'-n-ar dett Moischter sei';
dahoimat aber und im Haus
    g'hairt d'Moischterschaft no mei'.
Orna, schaffa und befeahla
g'hairt dar Frau zua, und im sealla
    b'schtôht ihr ganzer Lauh',
    und dees will i hau'!

 (aus: Projekt Gutenberg, 15.09.07)

 

 
 
   Arbeitsanregungen:
  1. Geben Sie den Inhalt des Gedichts in Form einer Inhaltsangabe wieder.
  2. Übertragen Sie den Text in die hochdeutsche Standardsprache.
  3. Worüber beklagt sich Eva und wie geht sie mit ihrer Klage um?
  4. Nehmen Sie zu dem dargestellten Frauenbild Stellung.
     
      
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