Der ▪
Konjunktiv stellt eine Kategorie der ▪
finiten Verbform dar, die zur Signalisierung von ▪
Modalität und zur Kennzeichnung ▪
indirekter Rede eingesetzt werden kann.
Der Konjunktiv
ist heutzutage gegenüber dem Indikativ sehr in die Defensive
geraten. Linguisten, Germanisten und Deutschlehrerinnen und
Deutschlehrer fragen sich allerorten: Ist der Konjunktiv noch zu
retten? Heute ist es wohl so: "Der stärkere Indikativ ‚frisst’
den schwächeren Konjunktiv ‚auf``- leider’“. (Urbanek
2002, S. 43)
Insbesondere
die Verwendung des ▪
Konjunktiv I zum Anzeigen von Nichtwörtlichkeit und das
grammatische Konzept der ▪
indirekten Rede spielen im Gesprochenen heute kaum mehr eine
Rolle. "Man teilt mit, was jemand hofft, sagt, glaubt oder
schreibt, indem man den Inhalt wiedergibt. Handelt es sich um
etwas, das tatsächlich sprachlich vorliegt, kann es als
wörtliche Rede wiedergegeben werden. Es wird dann als solche
markiert." (Eisenberg
1999/2001, S. 119)
Der Konjunktiv
hat allerdings schon über lange Zeit gegenüber dem ▪
Indikativ an Boden verloren und dieser Prozess zieht sich
schon seit über hundert Jahren dahin. Was allerdings ehemals nur
den sprechsprachlichen Bereich der Alltagssprache betroffen hat,
ist mittlerweile auch schon in der schriftsprachlichen
Standardsprache keine Seltenheit mehr: Immer mehr Menschen
verwenden nur noch in einem sehr eingeschränkten Maße
konjunktivische Formen.
Dafür
gibt es sicher vielfältige Gründe. Vielleicht trifft auch zu,
was Ferdinand
Urbanek (2002, S. 43) bemerkt, wonach für den
Bedeutungsverlust des Konjunktivs auch psychologisch-mentale und
soziokulturelle Gründe herangezogen werden müssen: "Fällt der im
Vergleich zum geläufigen Wirklichkeits-Modus erhöhte (geistig-sprachliche)
Anstrengungen fordernde Möglichkeits-Modus dem modernen Trend zu
ökonomischer Vereinfachung und Nivellierung zum Opfer? Zur
Laxheit auch, wo heute eher ‚Lockersein’, ‚Lässigkeit’,
‚Coolness’ gefragt sind? Dem Trend überdies zur – sogar bewusst
gesteuerten – Simplifizierung aus vielleicht sozial gut
gemeinter Rücksichtnahme auf angeblich weniger differenziert
Denkende und Sprechende (Kinder, Minderbegabte)? Dagegen aber
gleich das Argument der Konjunktiv-Verteidiger: Eine derartige
Rücksichtnahme diene letztlich nicht dem Menschen, weil sie die
Kommunikation verwässere, Gefühls- und Bewusstseins-Intentionen
der subtileren Art untergrabe, ja auslösche. Wesentliche Momente
zwischenmenschlicher Interaktion, gerade die ‚Nuancen’ des
sprachlichen Verkehrs, so heißt es von jener Seite her, würden
auf diese Weise erstickt.“
Nach
Bausch (1975,
1979) gibt es keinen semantischen Unterschied zwischen ▪
Konjunktiv I und ▪
Konjunktiv II. Die Unterschiede liegen stattdessen in der
Sprachverwendung in unterschiedlichen Kontexten. So werde in
öffentlichen Situationen mehr der Konjunktiv I und in
nicht-öffentlichen Situationen der Konjunktiv II verwendet. Aus
diesem Grund gilt der Konjunktiv II auch als "Form des
informellen Sprechens“ (Eisenberg
1999/2001, S. 121)
Der Ruf zur
Rettung des Konjunktivs wird mal lauter oder leiser und der
"Streit zwischen einerseits Konjunktiv-, andererseits
Indikativ-Befürwortern bahnt sich in letzter Zeit besonders von
der Fachlinguistik her eine vermittelnde, zur Beliebigkeit hin
neigende Position an." (Urbanek
2002, S.45)
So fällt auch
das Urteil namhafter Fachwissenschaftler der Beliebigkeit
anheim: "Interpretationen für den Gebrauch und Nicht-Gebrauch
des Konjunktivs sind wohlfeil, Unmögliches, Wünsche,
Anweisungen, Zitate und Distanzierungen werden ausgedrückt, wie
eh und je, mit dem Konjunktiv, aber auch ohne ihn. So sei es." (Glück/Sauer
1997, S.68)
Am Ende wird
man sich im Streit um den Konjunktiv im Deutschunterricht
möglicherweise darauf verständigen müssen, dass Schüler sich
zunächst einmal "ein Grundwissen um die sprachlichen Nuancen und
Varianten aneignen, die der
formale Konjunktiv im Gegensatz zum Indikativ in die deutsche Sprache
einbringt.“ (Urbanek
2002, S.45)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
04.05.2022