In der Kurzgeschichte
▪»San
Salvador« von ▪
Peter Bichsel wird zwar eine an einfachem Nacheinander orientierte
fortschreitende Handlung dargestellt, aber diese Sukzession entspricht
keinem realen Zeitablauf mehr.
Die lose Zeitfolge, in der sich
Handlungen und Gedanken der Hauptfigur nacheinander vollziehen, schaffen
kaum noch einen epischen Erzählfortgang.
Zwar kommt das Temporaladverbs "dann" sieben mal vor und signalisiert damit
die für einen Erzähltext konstitutive Zustandsveränderung, dennoch steht es in einem merkwürdigen Gegensatz
zu den Einzelbeobachtungen des Mannes, die eher den Charakter einer
Zustandsbeschreibung annehmen.
Die Spannung, die zwischen dem
Ablauf der Zeit einerseits und der ausweglosen Zuständlichkeit des Daseins
der Hauptfigur andererseits entsteht, ist Grundlage der Textwirkung.
Und
vielleicht ist es gerade diese ins Paradoxe führende Einheit von
Zustandsveränderung
und Zustand, die der im Text dargestellten Situation ihre außerordentliche
Wirkung verleiht: Paul sitzt und bleibt bloß sitzen, während seine Gedanken
sich sprunghaft fortbewegen.
In diesem Sinne verweist das Denken und Tun der
Hauptfigur Paul auch auf die von Friedrich Dürrenmatt 1990 in seiner Rede
auf Vaclav Havel ausgedrückte paradoxe Existenz des Menschen an sich, durch
den sich "Sinn in Widersinn, Gerechtigkeit in Ungerechtigkeit, Freiheit in
Unfreiheit (verwandelt), weil der Mensch selber ein Paradoxon ist, eine
irrationale Rationalität.“ (aus: Friedrich Dürrenmatt, Die Schweiz - ein
Gefängnis. Rede auf Vaclav Havel, 22.11.1990 )
Wenn also von einem
epischen Erzählgestus kaum die Rede sein kann, so lassen sich doch Elemente
der
Zeitgestaltung in der Geschichte festhalten.
-
Story und
plot der Handlung sind von der einleitenden Bemerkung über den Kauf
des Füllers und der als innerer Monolog gestalteten gedanklichen Äußerung
Pauls, wonach die Papeterie für die Schwarzfärbung der Tinte garantiere,
identisch. Die
Kurzgeschichte/Kurzprosa gestaltet damit auch den für die
Textsorte charakteristischen unvermittelten Beginn.
-
Temporaladverbien wie "dann" (7 x), "jetzt", "nun" werden mehrfach
wiederholt. Das temporale "dann" stellt eine lose zeitliche Folge der Handlungen her.
-
Linear gestalteter Handlungsverlauf: zwar kontinuierlicher
Handlungsablauf, aber nur lose verbunden (zwei kurze
Rückwendungen: »Er
hatte sich eine Füllfeder gekauft..«; »[In der Papeterie garantierte man,
dass sie schwarz werde]"«
-
Insgesamt gesehen
Zeitraffung:
Erzählte Zeit
(ca. 45 min.); »Es war jetzt neun Uhr« etwa in der Textmitte; »Um halb
zehn kam Hildegard ...«; dazwischen Passagen (z.B. 2. Absatz) die
zeitdeckend bzw. tendenziell
zeitdehnend erzählt werden.
-
Erzähltempus:
- Präteritum: z.B. »Dann saß er da. Später räumte er die Zeitungen vom
Tisch ....«
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
03.09.2023