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Strukturbegriffe der Erzähltextanalyse ▪
Überblick ▪
Auswahl (Zusammenstellungen
wichtiger Strukturbegriffe) ▪
Wer erzählt die Geschichte? (Aspekte
zur Gestaltung der Erzählinstanz) ▪
Wie wird erzählt? (Zeit,
Modus, Stimme) ▪
Was wird erzählt? (Handlung,
erzählte Welt, Figur, Raum)
Analyse erzähltechnischer Mittel in der Schule: Auswahl
▪
Bausteine
Die folgende ▪
Analyse der
erzähltechnischen (narrativen) Mittel, die in
▪
Wolfgang Borcherts
Kurzgeschichte
▪
»Das Brot«
vorkommen, folgt im Wesentlichen den ▪
Strukturbegriffen
der älteren Erzähltheorie, die bei der
▪
schulischen Interpretation erzählender Texte überwiegend
verwendet werden. Zugleich werden aber aus didaktischen Gründen auch
Begriffe der
neueren
Erzähltheorie verwendet, wenn sie ein bestimmtes Element
verständlich und präzise bezeichnen.
▪
Strukturbegriffe der älteren
Erzähltheorie
▪
ABC der schulischen
Erzähltextanalyse
Darbietungsformen:
-
"Plötzlich
wachte sie auf."
-
"Sie
stand auf und tappte durch die dunkle Wohnung zur Küche. In
der Küche trafen sie sich."
-
"Auf dem
Küchentisch stand der Brottteller."
-
"Sie stellte
den Teller vom Tisch und schnippte die Krümel von der
Decke."
-
"Sie kam
im zu Hilfe:"
-
"Sie
tappten sich beide über den dunklen Korridor zum
Schlafzimmer."
-
"Dann war es
still."
-
"Als er am
nächsten Tag nach Hause kam, schob sie ihm vier Scheiben
Brot hin."
-
"Erst nach
einer Weile setzte sie sich unter die Lampe an den Tisch."
-
Zitierte Gedankenrede
-
als kurze
Gedankenzitate
mit Inquit-Formel,
im Ggs. zur wörtlichen Rede (zitierten Figurenrede) ohne
Anführungszeichen,
so dass Gedankenrede und Figurenrede sich voneinander abheben: "Sie
überlegte, warum sie aufgewacht war."; "Ich muss das Licht jetzt
ausmachen, sonst muss ich nach dem Teller sehen, dachte sie.
-
Bewussteinsbericht ("Sie sieht doch schon so alt aus, dachte er,
im Hemd sieh sie doch ziemlich alt aus. Aber das liegt vielleicht an
den Haaren. ...". Bewusstseinsbereicht geht auch auch mal in einen
kurzen inneren Monolog
("Ach so!", "Ich darf doch nicht nach dem Teller sehen.") über.
-
Zitierte Figurenrede:
Dialog zwischen der Frau und dem Mann, meistens mit
Inquit-Formel
und eingebettet in den Erzählerbericht, der manchmal das gesprochene
Wort kommentiert ("echote ... unsicher"; "Sie kam ihm zu Hilfe:"
Zeitgestaltung
Raumgestaltung
-
Handlungsraum:
Küche und Schlafzimmer, die nur mit wenigen, aber nicht näher
beschriebenen Requisiten dargestellt sind, z. B. Bett, Kühlschrank,
Tisch mit Tischdecke, Messer, Brotkrümel, kalter gefliester Boden, ohne
besondere räumliche Perspektivierung
Figurengestaltung
Erzählperspektive
-
Überwiegend
personale
Erzählperspektive (Wahrnehmungsperspektive (figurale
perzeptive Perspektive der Frau). Dies lässt sich z. B. an folgenden
Textstellen zeigen
-
"Plötzlich..."
-
"Ach so!"
-
"Sie sah etwas
Weißes am Küchenschrank stehen" (Ein allwissender Erzähler wüsste,
dass es der Mann ist!)
-
"... echote er unsicher."
-
spärliche eingesetzte
Innensicht überwiegend auf die Frau beschränkt; Ausnahme kurzer
Wechsel der personalen Perspektive beim Aufeinandertreffen der beiden
Protagonisten in der Küche, als auch die Gedanken des Mannes in
Innensicht präsentiert werden
-
Am Ende der Geschichte auktoriales Erzählen (narratoriale
sprachliche Perspektive) "Als er am nächsten Tag nach Hause kam, ....)"
mit einer vom auktorialen Erzähler vorgenommenen Aussparung (zeitlicher
Ellipse)
Textsorte
-
Kurzgeschichte:
unvermittelter Beginn, offener Schluss; Alltäglichkeit der Sprache,
des Ortes, der Personen; Kürze; Punktualität der Zeit, des Ortes,
der Personen, der Handlung
Motivgegensätze
-
Kälte und Wärme:
kalte Fiesen; Kälte, die emporkriecht; Kälte, die krank machen kann;
wärmendes Bett
-
Licht und Dunkel:
Frau macht Licht an und aus; tritt aus dem Licht und setzt sich am Ende
wieder "unter die Lampe an den Tisch"
Sprache und Stil
Satzbau
-
in der Regel einfach,
sehr oft Parataxen
(einfache Hauptsätze) die (asyndetisch)
aneinandergereiht sind, z. B. "Die Uhr war halb drei. Sie sah etwas
Weißes am Küchenschrank stehen. Sie machte Licht."
-
oft grammatischer
Parallelismus
-
Ellipsen, z. B.
"Nachts. Um halb drei. In der Küche."
Wortwahl
-
im Allgemeinen
einfache und leicht verständliche Wörter
-
wenige Adjektive
("alt", "dunkel", "kalt", "nackt", "leise"
- Protagonisten werden nur mit Personalpronomen ("sie", "er")
dargeboten: die davon ausgelöste Suchbewegung des Lesers wird nicht
kataphorisch wiederaufgenommen, sondern lediglich durch den Hinweis,
dass es sich um ein älteres, seit neununddreißig Jahren
verheiratetes Paar handelt, innertextlich aufgelöst
Die Besonderheiten
des Stils von Wolfgang Borchert
Die Sprache von ▪
Wolfgang Borcherts ▪
Kurzgeschichten ist nicht sofort nach jedermanns Geschmack. Sie
unterscheidet sich von unserer Alltagssprache und zeigt deutlich auf,
dass sie ästhetisch, mit dem Ziel eine bestimmte Wirkung beim Leser zu
erzielen, gestaltet ist.
Besonders ins Auge
fallen Leserinnen und Lesern bei der Lektüre von ▪
Wolfgang Borcherts ▪ Kurzgeschichten
meistens fünf sprachliche Besonderheiten, die neben anderen Borcherts
Schreibstil in besonderer Weise kennzeichnen:
Ganz allgemein "lebt
(Borcherts Prosa) (...) von der Überstilisierung" (Große
1991/82017, S. 90), die von sprachlichen
Extremsituationen, überdrehten Neologismen, Wortbildungen von extremer
Länge ebenso gekennzeichnet ist wie von parataktischen Reihungen.
Ziel des Einsatzes
dieser sprachlich-stilistischen Mittel ist es, "sprachliche
Möglichkeiten gegen das Verstummen bzw. die überall lauernde
unaussprechliche Wirklichkeit" (ebd.,
S. 91) zu mobilisieren.
Die Beutung der
Aufzählungen, Amplifikationen und Wiederholungen sowie der Reihung
Dabei erreicht
Borcherts Sprache besonders durch den Einsatz von Wiederholungsfiguren
seine eindringlichen ▪
Wirkungsakzent,
denn mit diesen auf besonders wichtige
Bedeutungsaspekte
hinzuweisen und die Texte zu rhythmisieren. Die "Wiederholung von
Kernbegriffen oder Kernformulierungen" geschieht dabei in Form von
verkürzten Sätzen (Ellipsen) ebenso wie in Form vollständiger, meist
einfacher Hauptsätze. Indem sie dabei oft in einen anderen Kontext
gestellt werden, sollen sie sie jeweils im Zuge einer
Amplifikation
(Verdeutlichung durch Variation) ihren Bedeutungsgehalt erweitern. (vgl.
ebd.)
Borcherts Sprache
"sammelt, häuft, steigert; sie ersetzt das Unaussprechliche, eigentlich
Gemeinte durch die Addition von Teilaspekten." (Schulmeister
1976, S.188ff.)
-
Seine bewusste
Verwendung von Aufzählungen (oft als
periphrastische
Reihung) fungiert bei ihm "als Ersatz für die fehlende Vokabel". (ebd.)
-
Die Wiederholungen
umschreiben das "Nicht-Genannte, Unbenennbare" (ebd.)
Mit den Verfahren,
Amplifikation, Addition und Wiederholung, spart Borchert damit eine
genauere und konkretere Gestaltung des Hintergrundes und situativen
Kontextes bewusst aus, um den Leser bzw. die Leserin auf das
hinzulenken, worum es ihm geht. Dabei zielt er auch darauf, das
dargestellte Geschehen, mitunter bis hin ins Groteske, zu verfremden.
(vgl. ebd.)
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Strukturbegriffe der Erzähltextanalyse ▪
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wichtiger Strukturbegriffe) ▪
Wer erzählt die Geschichte? (Aspekte
zur Gestaltung der Erzählinstanz) ▪
Wie wird erzählt? (Zeit,
Modus, Stimme) ▪
Was wird erzählt? (Handlung,
erzählte Welt, Figur, Raum)
Analyse erzähltechnischer Mittel in der Schule: Auswahl
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Bausteine
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
11.09.2020
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