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Exposition
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Überblick
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Zeitbezug
der Exposition (präterital, präsentisch, futurisch)
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Monologische
oder dialogische Informationsvergabe
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Expositionsanalyse
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Allgemeine Expositionsanalyse
▪
Aspektorientierte Expositionsanalyse
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Bausteine
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Baustein: Die Vorgeschichte des Dramas
rekonstruieren (Analytische Fabelstruktur)
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Baustein:
Die Vorgeschichte(n) des Dramas
zusammenfassen
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Baustein:
Güllener Hoffnungen und Claires Ziele in Güllen analysieren
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Baustein: Die Entwicklung Alfred Ills - Der Spannungsbogen der
"Privathandlung" herausarbeiten
Die Liebesgeschichte von
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Alfred Ill
und Klara Wäscher, wie ▪ Claire
Zachanassian früher heißt, ist eine wichtige
Handlungsvoraussetzung für das dramatische Geschehen in ▪
Friedrich Dürrenmatts Drama "Der
Besuch der alten Dame". Sie wird in ihren Einzelheiten über das gesamte
Drama hinweg exponiert.
Vor allem in den Gesprächen von
▪
Alfred Ill und ▪ Claire
Zachanassian werden die Einzelheiten des schon 45 Jahre zurückliegenden
Geschehens enthüllt.
▪
Alfred Ill verklärt zu Beginn des dramatischen
Geschehens das Vergangene völlig und ist sich offenkundig keiner Schuld
bewusst. Um die vermeintliche Gönnerin Güllens, ▪ Claire
Zachanassian, ebenso
wie die Güllener Bürger zu beeindrucken, unterschlägt er von Anfang an die
Wahrheit: Sein kriminelles und skrupelloses Vorgehen, um sich der
Vaterschaftsklage von Klara Wäscher vor 45 Jahren
zu entledigen, wird von ihm - und den anderen Bürgern der Stadt - in keiner
Weise thematisiert.
Es scheint, als vernebelten die aussichtslose Lage Güllens und die erhofften Wohltaten der Ex-Güllernerin
▪ Claire
Zachanassian
nicht nur ihm, sondern allen Bürgern den Verstand. Sie blenden das Unausblendbare, wie sich zeigen soll, einfach aus. In ihrer hoffnungsvollen
Gier befinden sie sich vor der Ankunft Claire Zachanassians wie in einem Rausch.
Die
Liebesgeschichte von ▪
Alfred Ill und Klara Wäschers datiert wohl aus dem
Jahr 1908.
▪ Claire
Zachanassian, damals noch Klara Wäscher, die Tochter eines
Baumeisters (S.17) ist gerade siebzehn Jahre und hat sich in den knapp
zwanzig Jahre alten Alfred Ill verliebt (S.37).Wahrscheinlich gibt sie sich
dabei auch ihrem "Jugendtraum" (S.42) hin, mit ihrem Alfred, den sie ihren "schwarze(n)
Panther" (S.26) nennt "im Güllener
Münster getraut zu werden." (S.42)
Klaras Vater ist angeblich Alkoholiker
gewesen (S.19), wurde von seiner Frau verlassen (S.19) und hat offenbar außer einer öffentlichen WC-Anlage
("Bedürfnisanstalt") keine besonderen Bauwerke in Güllen errichtet. (S.27)
Angeblich verstirbt er am Ende in einer geschlossen psychiatrischen Anstalt
("Irrenhaus", S.19)
Schon die Auswahl der Kosenamen, die Alfred und Klara,
während ihrer Liebesbeziehung füreinander verwenden, deutet daraufhin, dass
die Beziehung der beiden von großer sexueller Anziehung geprägt ist. "Jung
und hitzig" seien sie gewesen, sagt Ill später (S.18) und meint damit nichts
anderes als wagemutig, unbedacht und voller Leidenschaft, sich und das
andere Geschlecht sexuell zu erfahren. Davon zeugen auch die Kosenamen
mit ihrem erotischen Beiklang, die sie füreinander verwenden. Der
Bezeichnung "mein schwarzer Panther", den Klara für Alfred verwendet, stehen
verniedlichende Kosenamen mit erotischem Beiklang gegenüber wie "mein
Wildkätzchen" oder "Zauberhexchen" (S.26), die Alfred für Klara gebraucht.
Das siebzehnjährige Mädchen mit seinen "wehenden roten Haaren", einer
ausgesprochen schlanken Figur ("gertenschlank", "zart") (S.18) ist dabei
keineswegs allein das Objekt der Begierde des knapp drei Jahre älteren
jungen Mannes.
So gibt sie sich
▪
Alfred Ill gegenüber gerne auch als Verführerin
im roten Unterrock und erwartet ihn offenbar sehnsüchtig an ihren
verschiedenen Liebesnestern. Und mit lasziven Gesten ("im bloßen Hemd mit
einem langen Strohhalm zwischen den Lippen" (S.117) stachelt sie ihren
"schwarzen Panther" sogar an, sich aus Eifersucht mit einem Nebenbuhler zu
prügeln, um dem verletzten Alfred, dem sie ihre ganze Bewunderung zuteil
werden lässt, am Ende mit dem roten Unterrock das Blut aus dem Gesicht zu
wischen. (S.117)
Damit gehen Zeichen der romantischen Liebe (Herz in der
Buche) mit Gewaltphantasien schon in der leidenschaftliche Liebe der beiden
eine bemerkenswerte Beziehung ein.
Wenn ▪
Alfred Ill später sagt, Klara sei "biegsam"
(S.18) gewesen, im Klartext: sexy und "gut im Bett", und zugleich bemerkt,
dass sie "eine verteufelt schöne Hexe" (S.18) gewesen sein, drückt er im
Nachhinein wohl nicht nur seine persönliche Distanzierung von einer
romantischen Liebesbeziehung aus, sondern bringt zur Sprache, was wohl der
ganze Ort über die in sozial problematischen Verhältnissen aufgewachsene
Klara seinerzeit gedacht hat.
Klara ist in Güllen stigmatisiert als ein
"leichtes Mädchen" (vgl.
Wahl 2009,
S.33). Eigentlich passt sie schon in der Kindheit nicht so recht ins
Bild der vermeintlichen "Kulturstadt" (S.14) Güllen, als sie vom Dach der
WC-Anlage auf die Männer spuckt (S.27) oder die Polizisten mit Steinen
bewirft, als diese einen Obdachlosen ("Vagabund", S.19) festnehmen.
Im Konradsweilerwald treffen sie sich heimlich, rauchen miteinander
Zigaretten, die Alfred mitbringt (S.115) Sie lieben sie sich in freier Natur
unter einer Buche, in die sie als Zeichen der Liebe ein Herz mit ihren Namen
hineinritzen. (S.35, 36) Manchmal treffen sie sich auch in der Peterschen
Scheune (S.44). Einmal können sie, weil Klara die Witwe Boll mit gestohlenen
Kartoffeln besticht. sich in einem Bett ihrer Leidenschaft hingeben. (S.44).
Die Witwe ist eine im Ort allseits bekannte Kupplerin, die unverheirateten
Paaren eigennützig Gelegenheit zum Sexualverkehr gibt, beides mit der
herrschenden Sexualmoral in keiner Weise zu vereinbaren.
Als Klara schwanger wird, droht die sexuelle Beziehung öffentlich zu werden.
Allein das entschlossene Bekenntnis Ills zur Vaterschaft und die Heirat mit
Klara, kann, sofern sie keine lebensgefährliche und strafrechtlich verfolgte
Abtreibung bei einer "Engelmacherin" vornehmen wollte, wie man Frauen, die
den Abbruch vornahmen, in dieser Zeit bezeichnete, konnte Klara vor der
endgültigen sozialen Deklassierung bewahren.
▪
Alfred Ill entscheidet sich aber gegen
Klara und gegen sein Kind. Er leugnet die Vaterschaft und will Klara nicht
heiraten. Dagegen strengt Klara eine Vaterschaftsklage an, um wenigstens
Unterhalt für ihr gemeinsames Kind zu erstreiten und die Sache öffentlich zu
machen.
Als der
Prozess 1910 vor dem Gericht in Güllen zur Verhandlung kommt
(S.46), hat Ill durch Bestechung von Jakob Hühnlein (Koby)
und Ludwig Sparr
(Loby) schon
dafür gesorgt, dass das Ganze zu seinen Gunsten ausgehen muss. Unter dem
Vorsitz des Oberrichters Hofer, der zwanzig Jahre nach dem Verfahren als
Butler in die Dienste ▪ Claire
Zachanassians tritt (S.46), geben die beiden
meineidigen Zeugen zu Protokoll, dass auch sie mit Klara Wäscher geschlafen
hätten.
Der
Preis des Meineids: eine Flasche Schnaps. (S.48) Die beiden
werden im Übrigen später von Claire Zachanassians Gefolgsleuten an
verschiedenen Winkeln der Erde aufgespürt und im Auftrag der Milliardärin
geblendet und kastriert. (S.48)
Nach dem verlorenen Prozess und der öffentlichen Bloßstellung verlässt Klara
Wäscher als hochschwangere junge Frau im Winter "im Matrosenanzug mit roten
Zöpfen" unter den grinsenden Blicken von Einwohnern der Stadt Güllen mit dem
D-Zug nach Hamburg den Ort, an dem ▪
Alfred Illl ihre soziale Existenz endgültig
vernichtet hat. (S.90) In Hamburg bringt sie ein Mädchen namens
Geneviève
zur Welt (S.49, S.116), sieht "das Ding nur einmal", ehe es der christlichen
Fürsorge übergeben wird (S.119). Ein Jahr später stirbt das Kind bei seinen
Pflegeeltern wahrscheinlich an den Folgen einer Hirnhautentzündung. (S.116)
Sie selbst gerät in ein Hamburger Bordell und fristet ihr
Dasein als
Prostituierte, bis sie dort den
armenischen Milliardär Zachanassian
kennenlernt und heiratet.
*Textgrundlage der Seitenangaben ist die 1998 im Diogenes Verlag
erschienene Taschenbuchausgabe des Stückes
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
17.01.2024