Klare (Klärchen),
ihre Mutter und • Brackenburg, ein
Bürgersohn, der in Klare verliebt ist und sie seit einiger Zeit
umwirbt, sitzen im Haus, indem Mutter und Tochter wohnen,
beieinander. Die beiden Frauen sind mit Stricken beschäftigt. Die
Mutter vermisst allerdings die fröhliche Stimmung, die der
Bürgersohn ansonsten zu verbreiten versteht und fordert Klärchen und
ihn auf, gemeinsam ein Lied zu singen. Klärchen entscheidet sich für
ein Solldatenlied, das ihr Lieblinslied ist, in dem der Marsch der
Soldaten in den Kampf besungen wird. Das lyrische Ich,
offensichtlich weibliche Ich, das ihren Geliebten ziehen lassen
muss, wünscht sich dabei einfach auch ein Mann zu sein, um ihm in
den Kampf folgen zu dürfen. Das Lied, das so gar nicht zur
Gemütslage von Brackenburg passt und das gemeinsame Singen, bringt
ihn fast zum Weinen, so dass er zum Fenster geht, von dem das
Marschgeräusch vorbeiziehender Soldaten zu hören ist. Es handelt
sich um ein größeres Kontingent von Soldaten aus der Leibwache der
Regentin Margarethe von Parma.• Klare (Klärchen) will offensichtlich auf den
Gefühlsausbruch Brackenburgs jedoch nicht eingehen, sondern bittet
ihn, draußen in Erfahrung zu bringen, was die Ursache der
Truppenbewegung sei. Sie weiß nicht, wie sie sich gegenüber
Brackenburg verhalten soll, dem sie bis vor einer Weile noch so
zugetan war, dass dieser sich offenbar berechtigte Hoffnungen
machte, sie heiraten zu können.
Während Brackenburg
die Bitte Klärchens erfüllt, kommen Mutter und Tochter über das
Verhältnis von Klare zu dem Bürgersohn zu sprechen. Klare
erklärt, dass ihr Herz seit geraumer Zeit dem Grafen •
Egmont
gehört, dessen Geliebte sie geworden sei. Aus diesem Grunde will sie
Brackenburg, den sie nach eigener Aussage zwar einmal gern gehabt,
aber nicht geliebt habe, auf Distanz halten, ohne seine Gesellschaft
grundsätzlich verlieren zu müssen. Sie ist sich dabei bewusst, dass
sie, wenn sie Brackenburg erhört hätte, die Aussichten auf eine
gesicherte bürgerliche Existenz gehabt hätte. Doch solche rationalen
Überlegungen spielen überhaupt keine Rolle mehr für sie, wenn sie
Egmont zu sehen bekomme. Sie schwärmt in höchsten Tönen von dem
ihrem hochadeligen Liebhaber Egmont, bewundert seine Männlichkeit,
Tapferkeit, Aufrichtigkeit und seine Rolle als Volksheld, dem sie
einfach nicht widerstehen könne.
Ihre Mutter, die
sich zwar von ihrer Tochter vorhalten lassen muss, dass sie sich
anfangs durchaus auch in dem Glanz gesonnt habe, den die zeitweilige
Anwesenheit Egmonts in dem Bürgerhaus verbreitet hat, sieht für ihre
und die Zukunft ihrer Tochter indessen schwarz. Sie weiß offenbar
nur zu genau, dass in einer ständischen Gesellschaft die Beziehung
eines bürgerlichen Mädchens mit einem Mitglied des Hochadels nie
durch eine Heirat legitimiert würde und somit Tochter mitsamt Mutter
über kurz oder lang ins Unglück stürzen werde. Die Tochter erwarte
das Schicksal eines "verworfenen Geschöpfs" Die Beziehung zu Egmont,
der hin und wieder im Schutz der Dunkelheit, Klare aufsucht, ist
eine heimliche Liaison, von der offenbar nur Egmont, Klärchen und
die Mutter wissen, wenngleich es durchaus Gerüchte darüber gibt, die
auch Brackenburg zugetragen worden sind, dass Klärchen nachts immer
wieder ein Mann bei sich zu Hause empfängt. In ihrer Schwärmerei für
Egmont, so hält die Mutter ihre Tochter vor, sei sie immer wieder
versucht im Kontakt mit anderen, die heimliche Liaison zu verraten
und damit ein hohes persönliches, gesellschaftliches und soziales
Risiko einzugehen.
Die Einwände und Sorgen der Mutter treffen bei
ihrer Tochter jedoch auf taube Ohren. Als •
Brackenburg zurückkommt
und von ausbrechenden Tumulten in Flandern berichtet, ziehen sich
Mutter und Tochter zurück, weil sich Klare angeblich für den Besuch
eines Vetters zurechtmachen will. So bleibt Brackenburg
für einen Moment allein zurück und denkt über seine unglückliche Liebe
zu Klärchen und sein weiteres Leben nach. Auch wenn er die Hoffnung
nicht ganz aufgibt, ist ihm im Grunde doch klar, dass seine Liebe
von Klärchen nicht (mehr) erhört werden wird. Er ruft sich seinen
geradezu kläglich fehlgeschlagenen Suizid-Versuch in Erinnerung, bei
dem er sich selbst im Wasser ertränken habe wollen, und will es mit einem Gift,
das er mit sich in einem kleinen Fläschchen herumträgt, doch noch
schaffen, sich auf diese Weise aus seinen seelischen Qualen zu
erlösen.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
29.01.2024