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Lyrische Texte interpretieren (Schulische Schreibform)
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Grundbegriffe zur Gedichtinterpretation
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Leitfragen und Aufgaben
Johann Wolfgang von Goethes
(1749-1832)
Gedicht • »Ganymed« entstand
1774 in der •
Literaturepoche
des •
Sturm-und-Drang (1760-1785), dessen epochentypische Merkmale wie
die Betonung des Gefühls, die Suche nach individueller Freiheit und
die Hinwendung zur Natur sich darin widerspiegeln. Wie andere seiner
Gedichte, die in den siebziger Jahren entstehen, wie vor allem •"Prometheus" (1782/1815)
umkreist auch • »Ganymed« "das
Problem der Genialität oder des Genius". (Kartaus
22007, S. 165) Ganymed und andere Gedichte dieser
Schaffensperiode des Autor "unterscheiden sich [...] deutlich von
der Lyrik der voraufgehenden Jahrzehnte, indem sie keine logische
Gedankenführung, keine witzige Pointe, keine Aussage erstreben, die
sich in anderen Worten aussprechen ließe. (ebd.,
S. 165)
Als Hymne "feiert (es) die Kraft
des Genies als Hingabe, als Aufgehen in der vergöttlichten Natur." (Borries
1991/52003, S.234). Die Hymne ist geprägt die von
überschwänglicher Liebe zur Natur und der Sehnsucht nach
Verschmelzung mit dem Göttlichen.
»Ganymed
ist eine Figur aus der »griechischen
Mythologie. Er ist ein Sohn des »trojanischen
Königs »Tros
und der »Kallirrhoë,
Bruder des »Assarakos
und des »Ilos,
und der "Schönste aller Sterblichen".
Dem
antiken Mythos nach hütete Ganymed die Schafe seines Vaters. Als der
Göttervater »Zeus
ihn erblickte, war er von seiner Schönheit so hingerissen,
dass er sich in einen Adler verwandelte, Ganymed entführte und auf
den Olymp brachte. Dort wurde Ganymed zum Mundschenk der Götter
ernannt und löste damit die Göttin der Jugend
Hebe, Tochter des Zeus und der
Hera,
in ihrem Amt ab. Von einem goldenen Krug goss er den Nektar ein, den
Trank der Unsterblichkeit, und bediente die Götter bei ihren
Festmahlen. Hera, die eifersüchtige Gattin des Zeus, war über die
Entführung Ganymeds und seine bevorzugte Stellung erzürnt. Doch Zeus
schenkte ihrem Zorn keine Beachtung. Er erfreute sich an der
Schönheit und Anwesenheit seines neuen Lieblings, dem er zugleich
die Unsterblichkeit schenkte. Der Mythos von Ganymed wurde im Laufe
der Jahrhunderte immer wieder neu erzählt und interpretiert. In der
Kunst wurde das Motiv zum Symbol für die Liebe der Götter zu den
Sterblichen und die Sehnsucht nach ewiger Jugend und Schönheit.
Manchmal wird auch erzählt, dass »Eos,
die Göttin der Morgenröte, Ganymed zuerst entführt hatte, aber Zeus
ihn ihr wegnahm.
Goethe verarbeitet in seinem Gedicht kein einzelnes Narrativ aus
der überlieferten Ganymed-Sage, woraus
Borries
(1991/52003, S.236) schließt, dass der Titel/Name
Ganymed in diesem Gedicht "nur assoziativ [...] für Schönheit und
Jugend des Frühling und die Aufnahme in den göttlichen Himmel
stehen." Und auch für Benno
von
Wiese (1988, S.29) ist der "Übergang einer menschlichen Person
aus der irdischen in die überirdische Sphäre" als Leitmotiv das, was
Goethes "glühende(s) Bekenntnisgedicht" mit dem Ganymed-Mythos
teilt. Goethe nutze dabei diese zentrale Thematik des Gedichts und
ihre mythische Fiktion "zu einer ganz direkten Selbstdarstellung."
Dabei finde Goethe die "äußerste Verdichtung [...] in der genialen
Formel »umfangend umfangen«", den mythischen Gehalt des ganzen
Gedichts ausdrücke: " "Ich und All bleiben nicht getrennt, sondern
der umfangende Dichter erhebt sich selbst als umfangen." Auf diese
Weise antworte "seine spontane schaffende Energie auf die ihn
anglühende Welt, indem sich das Einzelwesen hinaufschwingt bis zur
äußersten Hingabe an as hier »alliebender Vater« genannte
Göttliche." (ebd.,
S.31)
In erster Linie kann man in Goethes "Ganymed" wohl ein
Liebesgedicht sehen, in dem sich der Dichter danach sehnt, "mit der
ewig schöpferischen Kraft, die sich in der Schönheit, im Feuer des
jungen Frühlings offenbart, eins zu werden" und "aus einem seligen
erfüllten Augenblick heraus [...], aus der Körperlichkeit und
Einsamkeit ins All zu entschweben und als Teil des Kosmos dem ewigen
Gesetz der Liebe anzugehören." (Borries
1991/52003, S.235)
Für Benno
von
Wiese (1988, S.31) ist "Ganymed" zugleich ein Natur- und
Liebesgedicht (ohne Partner). Das Liebesgedicht zeige sich dabei in
verschiedenen Motiven wie dem allgewaltig liebenden Frühling, der
liebenden Nachtigall, dem liebenden Vater und sogar in den "Wolken,
die sich der sehnenden Liebe des Menschen zuneigen. "Die Liebe",
betont er, "ist das Außerordentliche, das ans Unheimliche grenzt.
Fast wir sie zu einer Droge, die ekstatische Zustände hervorruft.
Das Absolute widerspricht jeder Desilluisionierung."
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Leitfragen und Aufgaben
Gert Egle. zuletzt bearbeitet am:
24.11.2024