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Prometheus

Überblick

Johann Wolfgang von Goethe Werke Lyrische Werke Verschiedene Gedichte

 
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Lyrische Texte interpretieren (Schulische Schreibform)
Grundbegriffe zur Gedichtinterpretation
Leitfragen und Aufgaben

Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) Hymne •»Prometheus ist ein Gedicht, das eine Vielzahl unterschiedlicher Lesarten zulässt. Diese beruhen auf unterschiedlichen Zugängen und Interpretationsmethoden und rufen auch, je nach Zeit und literaturwissenschaftlichen Moden der Zeit unterschiedle Kontexte auf, um den Text zu deuten. Dementsprechend ist die Liste von Interpretationen zu diesem Text, der schon in seiner Zeit besonderes Aufsehen erregte, sehr lang. Und bis heute konkurrieren zahlreiche • Interpretationsansätze miteinander, füllt die Bibliographie von wissenschaftlichen Werken zu Prometheus lange Listen. Und da der Text • im Literaturunterricht "gesetzt" ist, haben sich unzählige mehr oder weniger berufene Schreiberinnen und Schreiber darangemacht, ihre Interpretationen des Gedichts über das Internet zu verbreiten.

Das zwischen  1772 und 1774 in der • Literaturepoche des • Sturm-und-Drang (1760-1785) entstandene, aber erst mit etwas Verzögerung (1785) publizierte Gedicht ist ein Schlüsselwerk seiner Zeit und in gewissem Sinne ein "Programmgedicht" (Selbmann 2017, S.573) dieser Epoche, weil es die Grundideen der Genie-Bewegung seiner Zeit ausdrückte: " de(n) fundamentale(n) Bezug des Genies zur […] schöpferischen Allnatur, die Autonomie-Erklärung des ganz auf seine eigene Produktivkraft vertrauenden Menschen, sein Originalitätsbewusstsein, seine Wendung nach innen: zur Sphäre elementarer Gefühle“ (Schmidt 1988, S. 196)

Goethes Prometheus gilt dementsprechend als "der stolzeste Ausdruck selbstherrlicher Individualität der Stürmer und Dränger, ihres titanenhaften Machtgefühls" (Borries 1991/52003, S.231). Mit seiner Reimlosigkeit und seinen freien Rhythmen überträgt Goethe "die Ungebundenheit, die Unabhängigkeit der Mythenfigur programmatisch auf die neue Rolle des Dichters" (ebd.). In diesem Werk spiegelt sich Goethes damalige rebellische Stimmung und sein Ablehnung von Autoritäten und überkommenen Konventionen wider.

Das Gedicht, das "in komprimierter Form den Stoff des 1773 entstandenen, Fragment gebliebenen Dramas über den selbstbewußten Rebellen • Prometheus wieder(gibt)" (ebd.) thematisiert den Mythos des antiken »Titanen »Prometheus aus der »griechischen Mythologie. Dabei greift Goethe bewusst bestimmte Motive des Mythos auf, interpretiert sie zum Teil auf eigene Weise neu und lässt andere aus, weil sie nicht zu seiner Neuinterpretation passen. (vgl. • Der Prometheus-Mythos und seine Darstellung in Goethes Gedicht)

Goethe hat zwar die weitere Leidensgeschichte von Prometheus, seine Kettung an das Gebirge und seine tägliche Folter durch den seine Leber immer wieder anfressenden Adler ausgespart. Für einen kompetenten Leser, der über den Prometheus-Mythos, wie er im kulturellen Gedächtnis gespeichert ist, verfügt, ist damit dieser Fortgang der Geschichte indessen nicht getilgt, sondern bleibt lediglich eine Art Leerstelle, die ein kompetenter Leser ohne Weiteres mit seinem Wissen füllen kann. Letzten Endes stellt diese bei der Rezeption zu füllende Leerstelle die Voraussetzung für eine Bedeutungskonstruktion dar, die auch dem im Text selbst dargestellten Leiden von Prometheus Sinn verleiht. Denn, so Rolf Selbmann (2017) weiter, bestehe auch die Hälfte des Gedichts aus dieser Leidensgeschichte, die seine "Lebensgeschichte" als "Widerstandsbiographie" "in den Etappen eines Bildungsprozesses (›Da ich ein Knabe war‹) mit Rückblicken auf Geleistetes (›meine Hütte‹, ›mein Herd‹)" (ebd., S.574) präsentiert. Am Ende, so resümiert Selbmann, begründe erst die Lebensgeschichte von Prometheus, weil sie eine "Leidensbiographie" in den Dimensionen der Zeit darstelle, den Autonomieanspruch von Prometheus zu erheben, mit dem er Menschen formt, "die mehr sind als leere Figuren, weil sie die Spuren einer eigenen Lebensgeschichte in sich tragen werden." (ebd., S.575)

Die Figur des Prometheus war für Goethe eine Projektionsfläche für die Ideen, die er wie andere Dichter des • Sturm-und-Drang (1760-1785) in dieser Zeit vertreten haben. Wie diese begehrte er gegen gegen starre gesellschaftliche Normen auf. Sein Prometheus will die Götter entmachten. Er sieht in ihnen gnadenlose, parasitäre und neidische Wesen, die auf erbärmliche Weise von den Opfern der Menschen abhängig sind. Für Goethe verkörperte Prometheus einen Schöpfer, der ohne Hilfe der Götter seine eigene Welt erschafft, sein Name stand aber auch "für den Rebellen, der sich empört über das eigensüchtige und machtherrliche Handeln der Herrschenden – im Himmel wie in der Welt." (Borries 1991/52003, S.233).

Trotzdem kann man Goethes Hymne als ein "Antigebet" (Kaiser 1976/62007, S.200) verstehen, da "die Idee vom Göttlichen im Genie" (Borries 1991/52003, S.233) im Sturm und Drang nirgendwo eine "so klare und so provokante Formulierung" gefunden hat: "Alles, was Gott in der herkömmlichen Vorstellung der Menschen ausmacht, insbesondere der christliche Gedanke des erbarmenden, liebenden Gottes, wird als Kinderphantasie abgetan." (ebd.) Mit seinem trotzigen Verscheuchen Gottes ins Jenseits, hinter den »Wolkendunst«, proklamiere sich Prometheus als nur aus sich selbst heraus schaffender Künstler, der nur dem Irdischen verhaftet sei, "»zum Manne geschmiedet« als kraftvoller Gottmensch." (ebd.)


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Mit seiner "(im traditionellen Sinn) antireligiös begründeten Idee vom göttlichen Genie" (ebd.) bringt Goethe aber keine atheistischen Vorstellungen zum Ausdruck und stellt eigentlich auch • nicht die biblische Schöpfungsgeschichte per se in Frage, sondern kritisiert lediglich die Vorstellung eines "kleinlichen, institutionalisierten Kirchengott(s), der »Opfersteuern und Gebetshauch« bedarf. Zugleich artikuliert sich darin auch eine "starke politische Komponente", die nach Ansicht von Borries (1991/52003, S.234) in folgendem Gedankengang besteht: "Zeus bzw. der Herrscher mag ruhig mit seiner zerstörerischen Macht prahlen, das Wesentliche, Menschliche gehört ihm nicht und kann er nicht angreifen; weder die Geborgenheit der Hütte noch das wärmende Herdfeuer, um das die Mächtigen ihre Untertanen beneiden und die sie deshalb unterdrücken (müssen)." An den Anschein von Menschlichkeit und Güte gegenüber ihren Untertangen, den sie sich selbst gerne geben, glauben, so jedenfalls die Botschaft des Gedichts, lediglich noch törichte Kinder und Bettler. (vgl. ebd.)

Später, im 20. Jahrhundert, hat man z. B. in marxistischer Betrachtung, die Hymne als Symbol für die Entstehung des bürgerlichen Eigentums gedeutet oder hat ihre biografische und allgemein psychologische Bedeutung herausgekehrt. Mal schien sie den Interpreten als Sinnbild für die Auseinandersetzung mit einem übermächtigen Vater, was sich biografisch mit Goethes Ablösung von seinem dominanten Vater verstehen ließ. Mal blickte man eher literaturgeschichtlich darauf und sah in dem Text die "Thematisierung eines epochalen Generationenkonflikts" (ebd.) Unter psychoanalytischer Perspektive ging es den Interpreten darum, eine Krankengeschichte nachzuweisen, "bei der ein frühkindlicher Lebensentzug durch Allmachtsphantasien kompensiert wurde." (ebd.)

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Gert Egle. zuletzt bearbeitet am: 08.12.2024

 
 

 
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