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Aspekte der Analyse und Interpretation

Überblick

Johann Wolfgang von Goethe Werke Lyrische Werke Verschiedene GedichtePrometheus

 
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Biographie WerkeEpische Werke Dramatische Werke Lyrische Werke Annette-Lieder Balladen Sonette Verschiedene Gedichte (Sammlung) Prometheus TextDidaktische und methodische AspekteÜberblick [ Aspekte der Analyse und Interpretation Überblick ◄ • Inhalt, inhaltliche Gliederung und Aufbau Strukturbild Sprachlich-stilistische Gestaltung Entstehungsgeschichte: Goethes Prometheus-DichtungDer Prometheus-Mythos und seine Darstellung in Goethes Gedicht • Interpretationsansätze • Vergleich von "Prometheus" und "Ganymed" Vergleich von Goethes Gedicht mit Johann August Bürgers "Der Bauer ..." Vergleich von Goethes Gedicht mit Gellerts (1715-1769) "Preis des Schöpfers" Camus' Prometheus als Metapher für Humanität und Kultur und Goethes Gedicht ] Bausteine Fragen und Antworten (KI)  BausteineLinks ins Internet  ▪ Friedrich Schiller  ... Schreibformen Operatoren im Fach Deutsch
 

Lyrische Texte interpretieren (Schulische Schreibform)
Grundbegriffe zur Gedichtinterpretation
Leitfragen und Aufgaben

Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) Hymne •»Prometheus ist ein Gedicht, das eine  Vielzahl unterschiedlicher Lesarten zulässt. Diese beruhen auf unterschiedlichen Zugängen und Interpretationsmethoden und rufen auch, je nach Zeit und literaturwissenschaftlichen Moden der Zeit unterschiedle Kontexte auf, um den Text zu deuten. Dementsprechend ist die Liste von Interpretationen zu diesem Text, der schon in seiner Zeit besonderes Aufsehen erregte, sehr lang. Und bis heute konkurrieren zahlreiche • Interpretationsansätze miteinander, füllt die Bibliographie von wissenschaftlichen Werken zu Prometheus lange Listen. Und da der Text im Literaturunterricht "gesetzt" ist, haben sich unzählige mehr oder weniger berufene Schreiberinnen und Schreiber darangemacht, ihre Interpretationen des Gedichts über das Internet zu verbreiten.

Als Goethe sein Gedicht verfasste, war das rationale Weltbild der Aufklärung in den Augen zahlreicher Intellektueller schon dabei zu erodieren. Um die siebziger Jahre des 18. Jahrhunderts herum wurden nämlich mehr und mehr Stimmen laut, denen dieser vernunftbestimmte Blick auf Gott und die Welt" "als flach, die Verstandesherrschaft als Fessel, Selbstzucht und Maß als langweilig" (Ried 1972, S.104) vorkam. Ihnen schwebte "nicht mehr der vernunftgebändigte, sondern der gefühlserfüllte Mensch" als Ideal vor. Statt Vernunft und Rationalität, statt • moralische Belehrung (Gottsched) oder sittliche Läuterung (Lessing) machten sie "Natur, Leidenschaft, Urwüchsigkeit, ja Zügellosigkeit, das »Genie«, de(n) fessellose(n) »Kerl«" zu den Helden der neuen Bewegung (ebd.), die als • Literaturepoche später den Namen • Sturm und Drang (1760-1785) erhielt. Ihr neues Lebensgefühl trugen die Anhänger der neuen Strömung/Bewegung oft mit einer wilden Haartracht, gesellschaftswidriger Kleidung und ungebärdigem Benehmen nach außen zur Schau. Wo bis vor kurzem noch neben der rationalen Vernunft, "Verspieltheit des Rokoko und Gefühlsüberschwang des Pietismus" im Vordergrund gestanden waren, war fortan unter den Anhängern der neuen Bewegung "Naturburschentum, schrankenlose(r) Persönlichkeitskult, »genialisches« Verachten von Ordnung, Sitte und Gesetz" gefragt: »Lieben, hassen, fürchten, zittern, hoffen, zagen bis ins Mark Kann das Leben zwar verbittern, aber ohne sie wär’s Quark«" (ebd.) verkündete »Jakob Michael Reinhold Lenz (1751-1782), der Goethe in dessen Straßburger Zeit zu Beginn der 1770er Jahre kennen lernte und sich als Autor von Dramen wie z. B. »Der Hofmeister oder Vorteile der Privaterziehung (1774) oder »Die Soldaten (1776) einen Namen unter den wichtigen Vertretern des Sturm und Drang machte.

Goethes •»Prometheus-Hymne war, und dies betont seine Ausnahmestellung, schon in den Augen seiner Zeitgenossen ein "Programmgedicht" (Selbmann 2017, S.573) der literarischen Konventionen der • Literaturepoche des • Sturm und Drang (1760-1785). Man sah in ihm ein "poetisches Zeugnis für die Emanzipation eines neuen bürgerlichen Selbstbewusstseins." (ebd.)

Das Rollengedicht, bei dem letzten Endes nicht eindeutig zu klären ist, ob das lyrische Ich sich wirklich an Zeus oder am Ende an den Sprecher selbst wendet (vgl. Wellbery 1996, S.294ff.), enthielt in den Augen etlicher Zeitgenossen jedenfalls eine mehr oder weniger eindeutige politische Brisanz: Man konnte, wenn man wollte, die Aussagen von Prometheus auf das Christentum übertragen und es dann "als religionskritische Absage an die Kirche und als Ablehnung jeglicher transzendentaler Glaubensvorstellungen" (Selbmann 2017, S.573) lesen. So konnte, wer wollte, "aus dem Gedicht etwas Blasphemisches heraushören" (Safranski 2013, S.144). Einen Anteil daran hatte in jedem Fall, die Tatsache, dass Goethes Freund »Friedrich Heinrich Jacobi [1743-1815] die Hymne 1785 ohne Zustimmung Goethes "als vermeintliches Beispiel für einen kühnen Atheismus im Stile Spinozas" (1632-1677) (ebd., S.145) veröffentlicht hat und gerade auf dessen skandalisierende Wirkung gesetzt habe. In jedem Fall geriet Goethes Gedicht damit "in die religionskritische Diskussion der Aufklärung und (machte) als deren Skandalon Furore" (Selbmann 2017, S.575) Zeitgenossen sahen in Goethes Gedicht vor allem deshalb Blasphemie, weil sie der Ansicht waren, es handle sich bei dem von Prometheus dargestellten Schöpfungsakt "seiner" eigenen Welt "um eine Wiederholung oder Korrektur des biblischen Schöpfungsakts" (ebd.). Nach Ansicht von Rolf Selbmann (2017) ging die schon damals an der Sache vorbei. Seiner Ansicht nach handelt es sich nämlich lediglich "um die Ergänzung der Menschheit um verbesserte Exemplare der Gattung (›Kinder‹ und ›Bettler‹ existieren offenbar schon)".

Allerdings weisen, so Kurt Binneberg (21993, S.89), zahlreiche Textstellen des Gedichts (Vers 28, 39-42, 52-53) darauf hin, "daß das Gedicht im Grunde auf den christlichen Gottesglauben abzielt, daß Zeus als Zeugnisgestalt des biblischen Gottes zu verstehen ist. Mit ihm setzt sich das prometheische Ich in wörtlicher Bedeutung aus-einander." Ihm gälten die höhnische Lästerungen, die die Existenz der Götter auf Einbildung von Irrglauben von Narren und Schwächlingen zurückführten. Am Ende jedenfalls ziehe Prometheus den Schluss, "daß er seinen erreichten Daseinszustand – entgegen allen religiösen Lehren – nur sich selbst zu verdanken habe." Im Übrigen lasse sich die Tatsache, dass sich Prometheus am Ende auf sein Gefühl und nicht so sehr auf die Vernunft berufe, als Ausdruck der Vorstellungen des Sturm und Drang verstehen und de "triumphierende Auflehnung gegen die göttliche Herrschaft läßt sich als radikale Weiterführung aufklärererischer Gedanken durch den Sturm und Drang verstehen." (ebd.)

Auch die kunstvolle Art und Weise, wie Goethe "Bildmuster der christlichen Glaubenstradition zu einem kunstvollen Mythensynkretismus" (Valk 2012, S.162) miteinander verwebe und pagane (heidnisch, nicht-christlich) und christliche Gottesvorstellungen wechselseitig überblende, zeige, "dass Goethes Gedicht im Gewand der prometheischen Rebellion gegen Zeus eine weitreichende Kritik an der christlichen Gottesvorstellung formuliert." (ebd.)

Ebenso war den Zeitgenossen die Lesart nicht fremd, die Zeus mit dem jeweiligen Landesfürsten identifizierte. Prometheus konnte damit als politische Aussage gedeutet werden, und seine Titelfigur für einen Rebellen stehen, " der sich empört über das eigensüchtige und machtherrliche Handeln der Herrschenden – im Himmel wie in der Welt." (Borries 1991/52003, S.233). Weil Prometheus in den Augen etlicher Zeitgenossen "die Selbstermächtigung des empfindsam-kreativen modernen Menschen in kompromissloser Auflehnung gegen überkommene fremdbestimmt-fremdbestimmende Autoritäten – […] – im Bewusstsein der eigenen schöpferischen Göttlichkeit“ zum Ausdruck brachte (Wohlfahrth 2015, S. 38), war das Gedicht so manchem Herrschenden aber auch ein Dorn im Auge.

Dass Goethes Prometheus ein großer Aufreger werden konnte und die religionskritische und politische Lesart seiner Hymne eine "Kette von Verwicklungen" (Selbmann 2017, S.575) nach sich zogen, war Goethe, abgesehen davon, dass er dadurch enorm an Bekanntheit gewann, offenbar gar nicht so recht. Vermutlich hat er das "radikal-aufklärerische Pathos der Hymne" (Mülder-Bach 2004,  S.110) politisch quasi dadurch zu "entschärfen" versucht, dass er das Gedicht in den von ihm selbst besorgten Veröffentlichungen stets in den Kontext eines anderen, ebenfalls in dieser Zeit entstandenen Gedichtes, Ganymed, stellte. Grundlos jedenfalls war seine Vorsicht, das Gedicht zunächst einmal gar nicht zu veröffentlichen, nicht, denn die • staatliche Zensur, mit der die herrschenden Obrigkeiten die Verbreitung solcher Ideen zu verhindern suchten, war allgegenwärtig. Das musste Goethe nach der Veröffentlichung seines 1773 erscheinenden Dramas »Götz von Berlichingen und dem bereits 1774 folgenden Briefroman »Die Leiden des jungen Werthers erleben, die ihn zwar in aller Munde brachten und die literarische Öffentlichkeit polarisierten, aber auch mancherorts • staatliche Zensurbehörden auf den Plan riefen. Als z. B. Goethes Götz 1776 am »Mannheimer Nationaltheater unter Leitung seines Theaterdirektor »Wolfgang Heribert von Dalberg (1750-1806) aufgeführt wird, "sieht sich Dalberg aus Rücksicht auf die staatliche Zensur dazu veranlasst, sowohl antiklerikale als auch antimonarchische Anspielungen und Äußerungen zu eliminieren." (Valk 2012, S.357)

Weil Goethe schon in der Ersten Weimarer Gedichtsammlung und später in allen Werkausgaben der Prometheus-Hymne sein Gedicht Ganymed folgen ließ, scheint der Schluss nahe zu liegen, "er habe in den beiden Gedichten die komplementären Seiten seines damaligen ›Weltbildes‹ gestaltet. (Drux, Rudolf 1996a, S.116) In jedem Fall, so scheint es denen, die die Veröffentlichungsgeschichte als Kontext zur Sinnkonstruktion mit heranziehen, so zu sein, dass die Selbstermächtigung von Prometheus nicht alles ist, was das Weltbild des jungen Goethe widerspiegelt. Wie Conrady (1957, S.88, zit. n. Mülder-Bach 2004,  S.110) feststellt, werde diese Komponente seine Weltbildes von jener "Hingabe und sehnsüchtigen Lust nach Entgrenzung und Allliebe" ergänzt, die das lyrische Ich in Ganymed ausdrückt. Diesen Gedanken aufnehmend hat Zimmermann (1969/1979) von einem "Verselbstungs-Puls" in Prometheus und einem "Entselbstigungs-Puls" in Ganymed gesprochen. Dabei hat er einen Gedanken von Goethe aufgegriffen, den dieser am Ende des • 8. Buchs seiner Autobiographie »Dichtung und Wahrheit, in der er Erlebnisse aus seinem Leben aus den Jahren von 1749 bis 1775 verarbeitet. formuliert: "Die Geschichte aller Religionen und Philosophien lehrt uns, dass diese große, den Menschen unentbehrliche Wahrheit von verschiedenen Nationen in verschiedenen Zeiten auf mancherlei Weise, ja in seltsamen Fabeln und Bildern der Beschränktheit gemäß überliefert worden; genug, wenn nur anerkannt wird, dass wir uns in einem Zustande beenden, der, wenn er uns auch niederzuziehen und zu drücken scheint, dennoch Gelegenheit gibt, ja zur Pflicht macht, uns zu erheben und die Absichten der Gottheit dadurch zu erfüllen, dass wir, indem wir von einer Seite uns zu verselbsten genötiget sind, von der andern in regelmäßigen Pulsen uns zu entselbstigen nicht versäumen."  "Verselbsten" bedeutet hier etwa sich vom Göttlichen zu trennen, "entselbstigen" etwa sich wieder mit dem Göttlichen zu verbinden bzw. zu vereinen.

Einwände gegen eines solche Betrachtung richten sich dabei vor allem gegen die Fixierung des Ansatzes auf entsprechende Selbstaussagen Goethes und damit eine tendenziell autobiografistische Verkürzung der Interpretation. Im Grunde genommen stellen beide Gedichte nämlich, wie Mülder-Bach (2004, S.110) weiter betont, keine Opposition von Polen wie ›Verselbstung‹ und ›Entselbstigung‹ dar, "die erst im ›Ganzen›‹ des G(oetheschen) »Weltgefühls« aufgehoben wäre." Stattdessen "bildet die prometheische Absage an die Vorstellung einer transzendentalen Gottheit die Voraussetzung für die ganymedische Hinwendung zur »pantheistischen Natur".

Im Nachhinein jedenfalls hat Goethe sein Prometheus-Gedicht als "Zündkraut einer Explosion" »(Dichtung und Wahrheit, Fünfzehntes Buch) empfunden. Allerdings bezog sich die Explosion darauf, dass sie " die geheimsten Verhältnisse würdiger Männer aufdeckte und zur Sprache brachte: Verhältnisse, die, ihnen selbst unbewußt, in einer sonst höchst aufgeklärten Gesellschaft schlummerten." Vielleicht bezog er sich bei dieser "Retuschierung" (Selbmann 2017, S.575) der Wirkung seines Textes dabei aber schon auf den von ihm sein Leben lang verehrten »Napoleon I. Bonaparte (1769-1821). Dessen Schicksal ließ sich mit der Verbannung auf die Südatlantikinsel St. Helena in gewisser Weise mit dem angeketteten Prometheus vergleichen. Im hohen Alter jedenfalls, in dem er diese Betrachtungen anstellte, wollte er seine Hymne nicht erneut zum Politikum werden lassen. Er befürchtete, dass sich bei seiner erneuten Veröffentlichung die liberale  burschenschaftliche Opposition in der Restaurationszeit seine "Jünglings-Grillen" (Brief an »Carl Friedrich Zelter (1758-1832) vom 11.05.1820, zit. n. Müller-Bach 1997, S.100) aufgreifen und die Hymne als einer Art revolutionäres "Evangelium" verwenden könnte. (Brief an »Carl Friedrich Zelter (1758-1832) vom 11.05.1820, zit. n. Müller-Bach 1997, S.100) Gegen jede derartige Instrumentalisierung gerichtet pocht er darauf, dass es sich bei seiner Hymne vor allem um "Poesie" handelt:  "Ob man nun wohl, wie auch geschehn, bei diesem Gegenstande philosophische, ja religiöse Betrachtungen anstellen kann, so gehört er doch ganz eigentlich der Poesie." (Selbmann 2017, S.573)

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Gert Egle. zuletzt bearbeitet am: 07.01.2025

 
 

 
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