teachSam- Arbeitsbereiche:
Arbeitstechniken - Deutsch - Geschichte - Politik - Pädagogik - PsychologieMedien - Methodik und Didaktik - Projekte  - So navigiert man auf teachSam - So sucht man auf teachSam - teachSam braucht Werbung


deu.jpg (1524 Byte)

 

Aspekte der Analyse und Interpretation

Albert Camus' Prometheus als Metapher für Humanität und Kultur und Goethes Gedicht

Johann Wolfgang von Goethe Werke Lyrische Werke Verschiedene GedichtePrometheus

 
FAChbereich Deutsch
Glossar Literatur Autorinnen und Autoren Johann Wolfgang von Goethe
Biographie WerkeEpische Werke Dramatische Werke Lyrische Werke Annette-Lieder Balladen Sonette Verschiedene Gedichte (Sammlung ) Prometheus TextDidaktische und methodische AspekteÜberblick [ Aspekte der Analyse und Interpretation Überblick Inhalt, inhaltliche Gliederung und Aufbau Strukturbild Sprachlich-stilistische Gestaltung Entstehungsgeschichte: Goethes Prometheus-Dichtung Entstehungsgeschichte: Goethes Prometheus-DichtungDer Prometheus-Mythos und seine Darstellung in Goethes Gedicht • Interpretationsansätze • Vergleich von "Prometheus" und "Ganymed" Vergleich von Goethes Gedicht mit Johann August Bürgers "Der Bauer ..." Vergleich von Goethes Gedicht mit Gellerts (1715-1769) "Preis des Schöpfers" Camus' Prometheus als Metapher für Humanität und Kultur und Goethes Gedicht ] Bausteine Fragen und Antworten (KI)  BausteineLinks ins Internet  ▪ Friedrich Schiller  ... Schreibformen Operatoren im Fach Deutsch
 

Lyrische Texte interpretieren (Schulische Schreibform)
Grundbegriffe zur Gedichtinterpretation
Leitfragen und Aufgaben

Albert Camus Essay "Prometheus in der Hölle" (1946)

1946 verfasste »Albert Camus (1913-1960) unter dem Eindruck der furchtbaren Ereignisse des Zweiten Weltkriegs seinen kleinen Essay "Prometheus in der Hölle". Er ist Teil seiner 1954 erschienen Sammlung unter dem Titel »Heimkehr nach Tipasa (französischer Originaltitel L’Été, dt. "Sommer"), die verschiedene autobiographische Essays des französischen Schriftstellers und Philosophen enthält und ist benannt nach einer in der Sammlung enthaltenen Erzählung.

Camus teilte unter dem Eindruck des Infernos, das der Zweite Weltkrieg angerichtet hatte, die große Sehnsucht vieler Menschen nach einer neuen und besseren Zukunft. Wie sie hoffte auch er, dass die Unmenschlichkeit, die sich in den kriegerischen Auseinandersetzungen gezeigt hatte, endlich einem friedlichen Miteinander über alle Grenzen hinweg Platz machen und eine Rückbesinnung auf menschliche Werte stattfinden würde.

In Albert Camus Sicht auf den Prometheus-Mythos wird dieser zu einer Metapher bzw. zu einem ersten Symbol für Humanität und Kultur (vgl. Born 1996). Vor dem Hintergrund seiner Auffassung vom Absurden interpretiert er den Mythos als Sinnbild für den menschlichen Kampf gegen das Absurde und die Auflehnung gegen die Ungerechtigkeit der Welt.

Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist dabei die Einleitung:
"Was bedeutet uns heutigen Menschen Prometheus? Man könnte zweifellos sagen, dass dieser gegen die Götter sich aufbäumende Rebell das Vorbild des heutigen Menschen sei, und dass dieser Protest, der sich vor Tausenden von Jahren in den Einöden Skythiens erhob, heute in einer geschichtlichen Umwälzung zu Ende geht, die ohnegleichen ist." Allerdings bleibt Camus pessimistisch. So steht für ihn fest: "Kehrte Prometheus wieder, würden die Menschen heute wie die Götter damals handeln: Sie würden ihn an den Felsen schmieden im Namen eben jener Menschlichkeit, deren erstes Symbol er ist."

Die Gründe, die er dabei anführt, dass die Menschen "jene(m) Heros, der die Menschen genügend liebte, um ihnen zugleich Feuer und Freiheit, Technik und Kunst zu schenken", auch heute nicht wirklich folgen, beruhen seiner Überzeugung unter anderem darauf, dass die heutige Menschheit "einzig das Technische" erstrebe. Sie entdecke in ihren Maschinen ihre Stärke und halte die Kunst und deren Ansprüche für ein Hemmnis und ein Zeichen der Knechtschaft." Prometheus hingegen trenne Technik und Kunst nicht voneinander. Ebenso glaube der heutige Mensch immer noch daran, "zuerst den Körper befreien zu müssen", d. h. seine materiellen Bedürfnisse befriedigen zu müssen, auch wenn darüber "Geist", vermeintlich nur vorübergehend, zugrunde gehe. Dabei glaubt Camus allerdings nicht daran, dass der Geist nur vorübergehend sterben könne.

Der heutige Mensch habe die Idee des Mythos, als Mensch ein selbstbestimmtes Subjekt zu sein, verraten und müsse wieder dorthin zurückfinden. Den Weg, um sich aus der absurden existenziellen Situation von Leid und Elend zu befreien, in der moderne Mensch lebe, gibt Camus seinen Lesern am Ende des Essay mit: "Die Mythen leben nicht aus sich selbst. Sie warten darauf, dass wir sie verkörpern."

Prometheus ist für Camus ein Vorbild für den modernen Menschen und mit seiner Autonomie und seiner Liebe für die Menschen eine Art Leitfigur.

Seine Rebellion gegenüber Zeus und den Göttern und die Strafe, der er für seine Tat, den Menschen gegen den Willen der Götter das Feuer zu bringen, ausgesetzt wird, können ihn nicht brechen. Er erduldet, dass ihm, der festgekettet am Felsen hängt, der Adler  jeden Tag ein Stück seiner sich nachts wieder erneuernden Leber heraushackt, ohne im Geringsten von seinen Überzeugungen und Werten abzurücken. Diesem Ideal müsse sich der moderne Mensch wieder nähern. Wie der rebellische Prometheus kann sich der Mensch auch unter den schwierigsten Bedingungen seines absurd erscheinenden Daseins als autonomes Ich verstehen und zum Herrn über seine Geschichte machen, und die Welt und ihren Fortgang "sich untertan [...] machen". Tut er das nicht, bleibt er in seinem absurden Dasein stecken: 

"Der Mensch ist überall, überall sein Schrei, sein Schmerz und sein Drohen. Inmitten so vieler zusammengedrängter Kreaturen bleibt kein Ort für das Zirpen der Grillen. Die Geschichte ist unfruchtbarer Boden, wo kein Heidekraut wächst. Und doch: Der heutige Mensch hat seine Geschichte gewählt, und er konnte und sollte sich nicht von ihr abwenden. Aber statt sie sich untertan zu machen, lässt er sich Tag für Tag von ihr mehr in die Knechtschaft drängen. Hier verrät er Prometheus, diesen Sohn ›mit den kühnen Gedanken und dem leichten Herzen‹. Hier kehrt er zurück zum menschlichen Elend, daraus Prometheus ihn retten wollte. ›Sie sahen, ohne zu sehen, sie hörten, ohne zu hören, den Gestalten des Traumes gleich ...‹ " (untergeordnete Zitate aus der Tragödie von Aischylos, kursiv, d. Verf.)

Das Leiden von Prometheus steht bei Camus als Metapher für die menschliche Existenz. Der Mensch ist in eine Welt geworfen, die ihm fremd und feindselig erscheint. Wenn er nach Sinn und Gerechtigkeit sucht, findet er oft nur Absurdität und Leid. Doch wie Prometheus kann sich der Mensch gegen diese Absurdität auflehnen. Er kann sich weigern, die Ungerechtigkeit der Welt zu akzeptieren und für seine Werte eintreten und kämpfen.

Indem Camus betont,  dass Prometheus' Rebellion nicht aus Hass oder Verachtung gegenüber den Göttern entsteht, sondern aus Liebe zu den Menschen, will er ihnen als Leitfigur Orientierung geben, um ihnen dabei zu helfen, ihr Schicksal zu meistern und ein erfülltes Leben zu führen. Prometheus' Aufopferung ist somit auch ein Akt der Solidarität und ein Zeichen der Hoffnung.

Dabei soll der Mythos des Prometheus den Menschen daran erinnern, "daß jede Einschränkung des Menschen nur vorübergehend sein kann, und daß man dem Menschen nur dient, wenn man ihm ganz dient. Hungert er nach Brot und nach Heidekraut, und ist es wahr, daß Brot notwendiger ist, lehren wir ihn die Erinnerung an das Heidekraut bewahren. … Und es ist dieser bewundernswerte Wille [des Prometheus], nichts zu trennen noch abzusondern, der immer wieder das leidende Herz der Menschen versöhnt hat."

In einer Welt, in der Krieg, Gewalt und Unterdrückung allgegenwärtig sind, ist es, folgt man Camus, nicht nur wichtig, nur den Prometheus-Mythos im kulturellen Gedächtnis der Gesellschaft zu bewahren, sondern ihn zu verkörpern, d. h. aktiv zu leben, in politisches und soziales Handeln für Freiheit, Gerechtigkeit und Menschlichkeit umzusetzen (zu "verkörpern"). Insofern lehrt der Prometheus-Mythos als eine der großen Erzählungen der Menschheit, dass der Mensch aller Widrigkeiten zum Trotz, und auch ohne einen Gott, die Fähigkeit besitzt, sich im fortdauernden Ringen um Selbstbestimmung und Freiheit gegen das Absurde aufzulehnen und für eine bessere Welt ohne Barbarei zu kämpfen.

An die Aufforderung von Camus, die Mythen zu "verkörpern", lassen sich die Gedanken von »Aleida Assmann (geb. 1947) und »Jan Assmann (1938-2024) zum kulturellen Gedächtnis anschließen. Sie verstehen darunter "die Tradition in uns, die über Generationen, in jahrhunderte-, ja teilweise jahrtausendelanger Wiederholung gehärteten Texte, Bilder und Riten, die unser Zeit- und Geschichtsbewußtsein, unser Selbst- und Weltbild prägen." (Jan Assmann 2006,S.70) Das kulturelle Gedächtnis, betont Aleida Assman weiter, setze sich nicht einfach fort, sondern müsse immer wieder neu ausgehandelt, etabliert, vermittelt und angeeignet werden. Dabei müsse dieses "generationen- und epochenübergreifende Gedächtnis" mit unterschiedlichen kulturellen Praktiken aufgebaut werden.Wie die kulturellen Erinnerungsräume, die durch kulturelle Praktiken zustande kommen, aussehen und gestaltet werden, hängt von politischen und sozialen Interessen ebenso ab wie vom Wandel der technischen Medien. Und die "Erinnerungsräume", die dabei entstehen, sind "grundsätzlich perspektivisch angelegt; von einer bestimmten Gegenwart aus wird ein Ausschnitt der Vergangenheit auf eine Weise beleuchtet, daß er einen Zukunftshorizont freigibt. Was zur Erinnerung ausgewählt wird, ist stets von den Rändern des Vergessens profiliert." (ebd., S.408)

Vergleich Albert Camus' Essay "Prometheus in der Hölle"  und Johann Wolfgang von Goethes Hymne "Prometheus"

Sowohl • Johann Wolfgang von Goethes Gedicht • "Prometheus" als auch Albert Camus' Essay "Prometheus in der Hölle"" beschäftigen sich mit dem Mythos des Prometheus, interpretieren ihn aber auf unterschiedliche Weise und stellen unterschiedliche Aspekte in den Vordergrund, um ihre jeweils eigenen philosophischen und künstlerischen Anliegen auszudrücken. Goethes Prometheus ist ein kraftvoller Rebell, der die Götter herausfordert. Camus' Prometheus ist ein leidender Held, der die Menschheit liebt. Beide Werke zeigen jedoch die Bedeutung des Prometheus-Mythos für das Verständnis der menschlichen Existenz und des Kampfes gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit.

Gemeinsamkeiten

Unterschiede

Prometheus als Rebell
In beiden Texten ist Prometheus ein Rebell, der sich gegen die Götter auflehnt und für die Menschen eintritt. Er widersetzt sich jeglicher Autorität und kämpft für seine Freiheit und Selbstbestimmung.

Kritik an den Göttern
Sowohl Goethe als auch Camus kritisieren die Götter für ihre Gleichgültigkeit, ihren Machtmissbrauch und ihre Unfähigkeit, die menschlichen Werte zu verstehen.

Prometheus als Sinnbild für den Menschen
Prometheus verkörpert in beiden Texten den aufbegehrenden Menschen, der sich gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit wehrt.

Fokus
Goethes Gedicht konzentriert sich auf Prometheus' Wut und Verachtung gegenüber den Göttern. Camus' Essay hingegen betont Prometheus' Leiden und seine Solidarität mit den Menschen.

Motivation:
Bei Goethe ist Prometheus' Motivation primär sein eigener Stolz, seine Unabhängigkeit und Schöpferkraft (Genie). Bei Camus steht Prometheus' Liebe zu den Menschen im Vordergrund.

Interpretation des Mythos:
Goethe interpretiert den Mythos im Kontext der literarischen Konventionen der Literaturepoche des Sturm und Drang (1760-1785) und betont die Individualität und die Kraft des menschlichen Geistes (schöpferisches Genie, Geniekult). Camus deutet den Mythos existentialistisch und sieht in Prometheus ein Symbol für den menschlichen Kampf gegen das Absurde seines von Elend und Leid gekennzeichneten, als sinnlos erfahrenen Seins und Daseins

Motiv des Feuers
In Goethes Gedicht steht das Feuer symbolisch für die menschliche Schaffenskraft und den Lebenswillen. Bei Camus repräsentiert das Feuer die menschliche Kultur und das Streben nach Wissen.

Prometheus' Strafe
Goethes Prometheus bleibt die Strafe, die Prometheus erleiden muss, ausgespart, und er erscheint dadurch frei und ungebrochen. Bei Camus leidet Prometheus unter der Strafe der Götter, aber er bereut seine Tat auch nicht und steht weiterhin zu seinen Werten und der von ihm geschaffenen Welt.

Mit Unterstützung von KI erstellt

Lyrische Texte interpretieren (Schulische Schreibform)
Grundbegriffe zur Gedichtinterpretation
Leitfragen und Aufgaben

Gert Egle. zuletzt bearbeitet am: 07.12.2024

 
 

 
ARBEITSTECHNIKEN und mehr
Arbeits- und Zeitmanagement Kreative Arbeitstechniken Teamarbeit ▪ Portfolio ● Arbeit mit Bildern  Arbeit mit Texten Arbeit mit Film und VideoMündliche Kommunikation Visualisieren PräsentationArbeitstechniken für das Internet Sonstige digitale Arbeitstechniken 

 
  Creative Commons Lizenzvertrag Dieses Werk ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International License (CC-BY-SA)
Dies gilt für alle Inhalte, sofern sie nicht von
externen Quellen eingebunden werden oder anderweitig gekennzeichnet sind. Autor: Gert Egle/www.teachsam.de
-
CC-Lizenz