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Lyrische Texte interpretieren (Schulische Schreibform)
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Grundbegriffe zur Gedichtinterpretation
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Leitfragen und Aufgaben
Der ▪
Textvergleich
ist eine
der wichtigsten kontrastiv angelegten ▪
Methoden bzw. Verfahren des
Literaturunterrichts.
Dabei
geht es im Kern immer um das Gleiche: "das Finden von Äquivalenzen (was ist
gleich oder zumindest ähnlich) und das Erkennen von Unterschieden" (Spinner 2010.,
S.215) und die Nutzung dieser Erkenntnisse für ein vertieftes
Textverständnis. Dabei kann der Vergleich durchaus von intuitiv und
subjektiv empfundenen Analogien
(subjektiv-wertender Vergleich)
ausgehen, ehe die dabei gemachten Beobachtungen im Rahmen ▪
kognitiv-analytischer Umgangsweisen genauer analysiert werden. Dabei
sollte allerdings das Verhältnis von ▪
Analyse und Interpretation
schreibaufgabenabhängig sehr flexibel gestaltet werden
Der Vergleich von bestimmten Textphänomenen oder -merkmalen innerhalb
eines Textes (intratextueller
Vergleich)
und der Vergleich zweier oder mehrerer Texte miteinander (intertextueller
Vergleich) gehören daher auch zu den Standardaufgaben bei der
mündlichen oder ▪
schriftlichen
Textinterpretation in der Schule. Der Textvergleich erfolgt im
Allgemeinen unter Fokussierung auf einen oder zum Teil auch mehrere
Vergleichsaspekte.
Spezifische
Vergleichsaspekte, die auch im Zusammenhang mit Goethes Text eine
Rolle spielen können, charakterisieren die nachfolgenden
Textvergleichstypen, die auch in Kombination auftreten können: ▪
subjektiv-wertender, ▪
lebensweltlicher, ▪
intertextueller, ▪
thematischer,
▪
poetologischer, ▪
synchroner, ▪
diachroner oder ▪
literarhistorischer Vergleich
sowie ▪
Motivvergleich, ▪
Plot- und Stoffvergleich, ▪
Stilvergleich,
▪
Fassungsvergleich, ▪
Gattungs- bzw. Textsortenvergleich, der ▪Vergleich
von professionellen Rezitationen und/oder eigenen
sprechgestaltenden Interpretationen (▪
intermedialer Vergleich, ▪Adaptionsvergleich)
oder auch der Vergleich von Rezensionen und Interpretationen
durchgeführt werden. Entsprechende Arbeits- bzw. Schreibaufgaben
hängen dabei von der Art und dem Umfang des zum Vergleich stehenden
Textkorpus ab.
•
Johann Wolfgang von Goethes
Gedicht • "Prometheus"
und »Gottfried August Bürgers (1747-1794) Gedicht • "Der
Bauer an seinen Durchlauchtigen Tyrannen" teilen eine rebellische Grundhaltung gegenüber Autoritäten, jedoch
mit unterschiedlichen Zielen, Adressaten und literarischen Ansätzen.
Beide Gedichte entstammen der Epoche des •
Sturm und Drang
(1760-85) und drücken
die Empörung und Selbstbehauptung des Individuums gegenüber einer
übergeordneten Macht aus, allerdings in verschiedenen
Zusammenhängen..
1. Thematik und
Adressat des Protestes
-
Prometheus (Goethe): Goethes Gedicht
richtet sich zunächst einmal gegen die göttliche Autorität. Prometheus spricht
zu Zeus und verurteilt die Götter als unwürdig und
hilfsbedürftig. Dabei steht seine Rebellion als Ausdruck für das
Streben des Menschen mnach Selbstbestimmung und Unabhängigkeit von göttlichen
Mächten. Das Gedicht thematisiert die Freiheit des
schöpferischen Menschen, der sich von der Kontrolle durch eine
höhere Macht emanzipiert.
-
Der Bauer an seinen Durchlauchtigen
Tyrannen (Bürger):
Bürgers Gedicht richtet sich an einen Fürsten und ist eine
Anklage des tyrannischen Missbrauchs weltlicher Macht. Der Bauer
beklagt die Unterdrückung und Ausbeutung durch seinen Herrscher
und beschreibt die Leiden des einfachen Volkes. Das Gedicht
verurteilt das ungerechte Feudalsystem und fordert Gerechtigkeit
und Würde für die Unterdrückten. Die Anklage richtet sich direkt
an eine weltliche Macht, nicht an eine göttliche Autorität.
2. Figuren und Perspektive
-
Prometheus: Prometheus ist eine
mythologische Figur, die als selbstbewusster und stolzer
Schöpfer erscheint. Er spricht aus einer Position der Stärke und
Selbstbehauptung und erhebt sich über die Götter (Hybris), anstatt sich
ihnen zu unterwerfen. Prometheus’ Perspektive repräsentiert den
freien, schöpferischen Menschen, der sich über göttliche
Autorität stellt und sich als selbstgenügsam und mächtig
darstellt.
-
Der Bauer: Der Bauer ist ein Vertreter der
einfachen, unterdrückten Bevölkerung. Er spricht aus einer
Position der Schwäche und Verzweiflung, wendet sich aber dennoch
direkt an den Herrscher mit einer anklagenden Stimme. Der Bauer
fordert Gerechtigkeit und Anerkennung seiner Würde und zeigt den
Stolz und die Würde des einfachen Menschen, trotz der Armut und
Unterdrückung, unter der er leidet.
3. Stil und Ton
-
Prometheus: Goethes Gedicht ist pathetisch
und stolz; der Ton ist herausfordernd und sogar spöttisch
gegenüber Zeus. Die Sprache ist bildhaft und kraftvoll und hebt
die Unabhängigkeit und Selbstbestimmung des Menschen hervor. Der
Ton ist feierlich, selbstbewusst und zeigt die Überzeugung des
lyrischen Ichs, das über den Göttern steht.
-
Der Bauer an seinen Durchlauchtigen
Tyrannen:
Bürgers Gedicht verwendet eine eher volksnahe Sprache und einen
direkteren Ton. Die Sprache ist emotional, oft voller Zorn und
Verzweiflung. Der Bauer schildert in klaren, oft drastischen
Bildern das Leid des Volkes und die Ungerechtigkeit der
Herrschaft. Der Ton ist klagend und vorwurfsvoll, und die
Sprache drückt die Not und die Resignation des Bauern aus,
während er gleichzeitig für Gerechtigkeit eintritt.
4. Themen: Selbstbestimmung vs. soziale Gerechtigkeit
-
Selbstbestimmung in Prometheus: Goethes Prometheus feiert
die individuelle Freiheit und die Schöpferkraft des Menschen.
Der Gedichtinhalt ist fast philosophisch, da er das Verhältnis
des Menschen zur göttlichen Autorität hinterfragt und zur
Selbstermächtigung aufruft. Der Protest richtet sich gegen eine
metaphysische Macht und stellt den Menschen als stark und
unabhängig dar.
-
Soziale Gerechtigkeit in Der Bauer: In
Bürgers Gedicht steht die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit
im Mittelpunkt. Der Bauer vertritt die Rechte und das Leid einer
Gemeinschaft und wendet sich gegen die Ungleichheit und den
Missbrauch durch eine weltliche Herrschaft. Das Gedicht fordert
die Anerkennung der menschlichen Würde und Rechte und richtet
sich gegen das Feudalsystem, das die Freiheit und das Wohl der
Menschen einschränkt.
5. Gemeinsamkeiten und Unterschiede im rebellischen Geist
-
Gemeinsamkeiten: Beide Gedichte teilen eine
klare Ablehnung von Autorität und eine rebellische Haltung.
Sowohl Prometheus als auch der Bauer stehen für das Individuum,
das sich gegen Unterdrückung auflehnt und für seine Rechte
eintritt. Beide Werke spiegeln die Sturm-und-Drang-Ideale wider,
die sich gegen die Unterdrückung der persönlichen und sozialen
Freiheit richten.
-
Unterschiede: Während Prometheus den
metaphysischen Konflikt zwischen Mensch und Gott thematisiert
und die Selbstbestimmung des Individuums in den Vordergrund
stellt, fordert Der
Bauer Gerechtigkeit
und soziale Gleichheit innerhalb der menschlichen Gesellschaft.
Goethes Gedicht ist symbolischer und allgemeiner, während
Bürgers Gedicht konkreter und sozialkritischer ist, da es die
realen Ungerechtigkeiten im Feudalsystem anprangert.
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Lyrische Texte interpretieren (Schulische Schreibform)
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Grundbegriffe zur Gedichtinterpretation
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Leitfragen und Aufgaben
Gert Egle. zuletzt bearbeitet am:
07.12.2024,
mit Hilfe von KI erstellt
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