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O Anblick, der mich fröhlich macht! |
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Mein Weinstock reift, und Doris lacht, |
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Und, mir zur Anmut, wachsen beide |
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Ergötzt der Wein ein menschlich Herz, |
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So ist auch seltner Schönen Scherz |
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Der wahren Menschlichkeit ein Grund vollkommner
Freude |
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Was die Empfindung schärft und übt, |
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Was Seelen neue Kräfte gibt, |
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Wird unsre heiße Sehnsucht stillen |
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Wie reichlich will die mildre Zeit, |
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Die sonst so sparsam uns erfreut, |
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Den tiefsten Kelch der Lust für unsre Lippen füllen |
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Der Wein, des Kummers Gegengift, |
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Die Liebe, die ihn übertrifft, |
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Die werden zwischen uns sich teilen |
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Wer mir der Weine Tropfen zählt, |
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Nur der berechnet unverfehlt |
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Die Küsse, die gehäuft zu dir, o Doris! eilen |
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Weil deine Jugend lernen muss, |
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So lass dich meinen öftern Kuss |
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Die Menge deiner Schätze lehren |
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Gib seinem treuen Unbestand |
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Stirn, Augen, Wangen, Mund und Hand, |
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Und lass ihn jeden Reiz, der dich erhebt, verehren!
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Uns klopft ein Vorwitz in der Brust, |
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Der stumme Rath ererbter Lust, |
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Der Liebe Leidenschaft zu kennen |
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O lerne meine Holdin sein! |
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Ich schwöre dir, bei Most und Wein, |
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Mich soll auch Most und Wein von keiner Doris
trennen |
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Es mögen künftig Wein und Most |
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Des trägen Alters Ernst und Frost |
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Durch feuerreiche Kraft verdringen! |
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Alsdann ertönt für sie mein Lied; |
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Jetzt, da die Jugend noch verzieht, |
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Will ich allein von dir, auch in der Lese, singen |
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Der malerische Lenz
kann nichts so sinnreich bilden, |
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Als jene Gegenden von
Hainen und Gefilden; |
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Der Anmut Überfluss
erquickt dort Aug' und Brust: |
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O Licht der weiten
Felder! |
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O Nacht der stillen
Wälder! |
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O Vaterland der
ersten Lust! |
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Dort lässt sich
wiederum, in grünenden Trophäen, |
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Des Winters
Untergang, der Flor des Frühlings sehen; |
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Sein schmeichelnder
Triumph beglücket jede Flur: |
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Die frohen Lerchen
fliegen |
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Und singen von den
Siegen |
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Der täglich schöneren
Natur |
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Der Bach, den Eis
verschloss und Sonn' und West entsiegeln, |
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In dem sich Luft und
Baum und Hirt' und Herde spiegeln, |
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Befruchtet und
erfrischt das aufgelebte Land |
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Dort lässt sich alles
sehen, |
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Was Flaccus in den
Höhen |
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Des quellenreichen
Tiburs fand |
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Fast jeder Vogel
singt; es schweigen Nord und Klage! |
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Wie schön verbinden
sich, zum Muster guter Tage, |
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Die Hoffnung
künft'ger Lust, der jetzige Genuss! |
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Ihr stolzen, güldnen
Zeiten! |
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Sagt, ob, an
Fröhlichkeiten, |
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Auch diese Zeit euch
weichen muss |
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An Reizung kann mir
nichts den holden Stunden gleichen, |
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Da bei dem reinen
Quell und in belaubten Sträuchen |
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Die alte Freundschaft
scherzt, die junge Liebe lacht |
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Am Morgen keimt die
Wonne |
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Und steiget mit der
Sonne |
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Und blüht auch in der
kühlen Nacht |
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Es spielen Luft und
Laub; es spielen Wind und Bäche; |
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Dort duften Blum' und
Gras; hier grünen Berg und Fläche; |
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Das muntre Landvolk
tanzt; der Schäfer singt und ruht: |
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Die sichern Schafe
weiden, |
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Und allgemeine
Freuden |
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Erweitern gleichfalls
mir den Mut |
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Es soll den Wald ein
Lied von Phyllis Ruhm erfreuen; |
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Den Frühling will ich
ihr und sie dem Frühling weihen |
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Sie sind einander
gleich, an Blüt' und Lieblichkeit |
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Ihr fronen meine
Triebe, |
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Ihr schwör' ich meine
Liebe, |
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Für's erste bis zur
Sommerszeit |
(aus: Poetische Werke, Zweyter Theil / Erstes Buch, Fabeln und
Erzählungen; Referenzausgabe: Anonymus: Des Herrn Friedrichs von
Hagedorn sämmtliche Poetische Werke, Bd. 2. Johann Carl Bohn: 1757, S.
66-69.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
28.01.2024
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