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Was wird erzählt?
(Handlung, erzählte Welt, Figur, Raum
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Überblick
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Figurengestaltung
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Überblick
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Figurenkonzeption
Leitfragen zur Analyse
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Figurenkonstellation
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Figurencharakterisierung »
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Bausteine
Dimitrij, der von
der Hauptprotagonistin Yvonne den Spitznamen Cheatah erhält, ist
neben dieser eine der beiden •
Hauptfiguren in der •
Kurzgeschichte • "Shared Cheatah" von •
Jens Ludwig.
Er hebt sich damit
von den übrigen namentlich genannten Schüler*innen, die nur als •
Randfiguren
agieren, ab. Dabei kann ihm diese Stellung in der
•
Figurenkonstellation
nicht etwa deshalb zugeschrieben werden, weil er mit seinen
Handlungen den Fortgang des Geschehens unmittelbar beeinflusst. Was
ihn vor allem zu einer Hauptfigur werden lässt, ist die Rolle, die
er im Denken und Handeln von Yvonne, im Grunde ohne sein eigenes
Zutun, spielt . Was ihn ihm vorgeht, bleibt dem Leser aufgrund der •
personaler Perspektive der
Geschichte, die mit dem begrenzten Blick von Yvonne als • Er-Erzählung
dargeboten wird, verborgen. Und nicht nur das: Auch was Dimitrij
tut, wird damit nur dann Gegenstand der Erzählung, wenn es für
Yvonne von Bedeutung ist und von ihr wahrgenommen wird. Die
insgesamt •
typisierte Figur, über deren Individualität der Leser, bedingt durch den
knappen Wirklichausschnitt, den die Kurzgeschichte präsentiert,
kaum etwas, es sei denn aus der Perspektive Yvonnes erfährt, gewinnt
aber genau dadurch gewisse individuelle Züge, die ihren Charakter
zumindest aufscheinen lassen. Allerdings ist der Leser dabei
gefordert, diese vom personalen Erzähler dargestellten Eigenschaften
sorgsam zu filtern und letztendlich mit gebührender Skepsis zu
betrachten, das sie meistens mit Bewertungen des Erzählers versehen
sind, die das Dargestellte und Behauptete damit nicht als bare Münze
nutzen lassen.
Dimitrij, den nur
Özgül, ein Mädchen mit einem türkischen Namen mit dem eine gewisse
Sympathie ausdrückenden "Dimi" anspricht, ist ein junger Mann, der
erst zwei Jahre zuvor, vermutlich als Flüchtender, mit seinen Eltern
und einer jüngeren Schwester aus Armenien gekommen ist. Die
Tatsache, dass er die Oberstufe eines Gymnasiums besuchen kann, und
dies offenbar mit erstaunlichem Erfolg, zeichnet jedenfalls das Bild
eines intelligenten, offensichtlich sprachbegabten Jugendlichen, der
mit Zielstrebigkeit und Bereitschaft zu lernen, die Chancen nutzen
will, die ihm seine weitere Zukunft bieten kann, wenn er die Schule
erfolgreich abschließen kann. Er ist bei der Klausur fokussiert auf
die Bewältigung der Aufgaben. Zugleich ist er aber auch nicht
bereit, sein Wissen den Schummlern in der Klasse zur Verfügung zu
stellen und diese abschreiben zu lassen, in dem er sich bewusst
immer wieder in die erste Reihe setzt, wo die Schüler*innen bei
einer Klausur häufig am stärksten unter Beobachtung der Lehrkraft
stehen. Dass er sich mit seiner "Aktenordner"-Aktion bei einer
früheren Klausur zur erklärten Feindin macht, kann er sich gewiss
denken.
Was man über
Dimitrij erfährt, geschieht also stets aus der Optik von Yvonne. Was
er während der Physikklausur, die sich in der Geschichte abspielt,
als äußerlich von Yvonne beobachtete Handlung tut, ist
vergleichsweise schnell zusammengefasst. Er sitzt wie immer bei
Klausuren ganz vorne in der ersten Reihe und konzentriert sich auf
die bevorstehende Prüfung. Ehe er an die Lösung der Aufgaben geht,
lässt er sich Zeit, um dann aber zielgerichtet an die schriftliche
Abfassung seiner Arbeit zu gehen. Betrachtet man Dimitrij unter dem
Blickwinkel dieses Verhaltens erweckt er den Eindruck, eines
strebsamen und reflektiert agierenden Schülers, der sich von denen,
die nur mit Schummelmethoden über die Runden kommen wollen und
müssen, unterscheidet. Nur an einer einzigen Stelle nimmt er für
einen Moment Blickkontakt mit Yvonne auf, als diese mit ihrer
vorlauten und polemischen Bemerkung, die Aufgaben der Klausur seien
"assi" für
einen kurzen Wortwechsel zwischen ihr und der Lehrerin, •
Frau Lutz,
sorgt und damit den Ablauf der Klausur und offensichtlich auch die
Konzentration Dimitrijs für einen kurzen Moment stört.
Es ist Yvonne, die
sich während der ganzen Klausur immer wieder mit Dimitrij gedanklich
beschäftigt und dabei dem Leser noch die eine oder andere
Information über ihn liefert. So interessiert er sich offenbar für
Computer und das digitale Strategiespiel World-of-Warcraft, besitzt
aber kein Smartphone, wie offenbar alle anderen und lässt auch
soziale Netzwerke wie Facebook links liegen. Von seinen
Überzeugungen erfährt man nur, dass er seine Schwester vereidigt,
die in eine Klasse unter ihm an derselben Schule geht. Sie trägt,
wahrscheinlich wegen ihrer und der religiösen Überzeugungen ihres
Elternhauses Kopftuch und war offensichtlich bei einer Diskussion,
an der auch Yvonne beteiligt gewesen ist, dafür kritisiert. Alle
diese mehr oder weniger objektiven Informationen über Dimitrij, die
der Text selbst liefert, muss der Leser indessen aus den stets mit
einem negativen Bewertungsakzent versehenen Beschreibungen des
personalen Erzählers herauslesen. Yvonne reimt sich nämlich,
geleitete von unterschiedlichen Motiven ein gänzlich anderes Bild
von Dimitrij zusammen, das man gut gerne als Feindbild bezeichnen
kann und das dazu führt, dass sie alles um Dimitrij herum in •
kognitiv verzerrter
Art und Weise (•
My-Side-Bias) wahrnimmt. So unterstellt sie ihm, anders kann sie
sich infolgedessen den Erfolg von Dimitrij in der Schule überhaupt
nicht erklären, dass er diesen nur seiner ausgefeilten
Schummeltechnik verdanken könne. Auch wenn sie keine konkreten
Anhaltspunkte dafür hat, macht sie sich dies zu eigen und folgt
unbeirrt ihren Vorurteilen.
Dass sie Dimitrij
mit dem nur vordergründig als Spitzname zu bezeichnenden "Cheatah""
bezeichnet, ist dabei die
kurzgefasste Formel ihrer verzerrten Wahrnehmung und ihrer
diffamierenden Vorurteile. Der Spitzname für Dimitrij ist zwar
sprachlich gesehen ein
Wortspiel, in
Wahrheit aber bitterer Ernst und letzten Endes ein
Schimpfwort. Als
Neologismus, der
aus dem englischen Verb "to cheat" und dem Namen des Schimpansen »Cheetah
in verschiedenen
Tarzan-Filmen bzw. der US-amerikanischen Fernsehserie »"Daktari"
aus den 1970er Jahren. Das •
Schimpfwort "Affe",
das Yvonne für ihn, zumindest in Gedanken verwendet, wertet ihn mit
seiner •
semantisch-expressiven Stilfärbung
zusätzlich ab.
Warum und inwieweit Dimitrij am Ende selbst auch Opfer des sich
gegen Yvonne richtenden Cybermobbings gibt der Text selbst nicht
mehr her. Allerdings lässt der
offene Schluss
sowie der Titel der Geschichte etliche Bedeutungen offen, die auch
die
Lesart grundsätzlich zulässt, dass Dimitrij selbst, er hat
schließlich wohl das entsprechende Know how, Urheber der
diffamierenden Bildmontage ist, mit der er sich an Yvonne für ihre
Beleidigung mit dem Spitznamen und ihrer Verbalattacke gegen ihn
während der Klausur ("Was guckst du so blöd, Affe?")
rächen will.
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
04.07.2024