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Wissenschaftliche Interpretationsansätze und Lesarten

Sozialgeschichtliche Deutungen

Franz Kafka (1883-1924)Kafka als Erzähler

 
FAChbereich Deutsch
Glossar Literatur
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Sozialgeschichtliche Zugänge zum Werk Franz Kafkas wurden Ende der 1960er Jahre für einige Zeit zum populärsten Deutungsansatz, nachdem die Dominanz der • werkimmanenten Methode (Werkinterpretation) mit ihrer wissenschaftlichen Prämisse "Das sprachliche Kunstwerk lebt als solches und in sich." (Kayser 1968, S. 24) endete. Die Neuorientierung, die die Germanistik in dieser Zeit vornahm, führte dazu, dass die Literaturwissenschaft sich fortan mit gesellschaftlichen Entwicklungen und Fragestellungen befasste.

Neben einem erweiterten Literaturbegriff, der auch Gebrauchstexte umfasste, wurden literarische Texte auf ihre gesellschaftspolitischen und soziokulturellen Bezüge befragt, die Wechselbeziehung zwischen literarischem Text und sozialem Kontext analysiert und interpretiert.

Aufgabe der sozialgeschichtlichen Analyse von Literatur ist es danach, "die Funktionen von Literatur innerhalb ihres gesellschaftlichen und historischen Entstehungsumfelds freizulegen."  (Becker/Hummel/Sander 22018, S.206) Dabei wird davon ausgegangen, dass nicht nur der Inhalt, sondern auch die Form eines literarischen Werkes gesellschaftliche Prozesse widerspiegelt.


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Kafkas Werke weisen und das sogar einschließlich seiner Tagebuchnotizen, darin sind sich wohl alle einig, nur wenige direkte Zeitbezüge auf. (vgl. Andringa 2008, S.322). So kam es wohl, dass sich sich Interpreten seiner Werke, die sich darüber wunderten, auf eine Spurensuche in seinem Werk begeben haben, in der Hoffnung auf "verborgene Hinweise auf die Wirren des ersten Weltkriegs, auf sozial-politisches Engagement und Empathie mit den Opfern des Krieges und der Gesellschaft" (vgl. ebd.) zu stoßen. Und tatsächlich wurden sie immer wieder fündig, auch wenn der konkrete Textbezug nicht immer überzeugend gelungen ist.

Wer will, kann zwei verschiedene Aspekte des sozialgeschichtlichen Deutungsansatzes unterscheiden, die auch für die Analyse von Kafkas Werken bedeutsam sind. Pointiert gesagt kann man die Sozialgeschichte eines literarischen Textes von der •›Sozialgeschichte im Text‹ (Schönert 1985) unterscheiden.

In der Praxis sozialgeschichtlicher Analyse eines Textes spielen daher Fragen "nach dem Milieu, nach der Herkunft und Sozialisation der Autoren, aber auch nach den in einer Gesellschaft gegebenen Instanzen der Vermittlung von Literatur und nach der literarischen Kommunikation insgesamt (Literaturbetrieb und -vertrieb, Lesesozialisation, Verhältnis zwischen Autor und Leser, Buchmarkt, Verlagswesen, Zeitschriften, Lesegesellschaften, Leihbüchereien und Bibliotheken)" die entscheidende Rolle. (vgl. Becker/Hummel/Sander 22018, S.207)

Zeitbezüge dieser Art wurden auf das Werk Franz Kafkas angewendet, indem man den Niederschlag, den der Strukturwandel in Prag um die Jahrhundertwende in sozialer Hinsicht mit seiner besonderen Großstadtproblematik und der technologischen Wandel dieser Zeit mit sich brachte, in Kafkas Werk aufspüren wollte. Vor allem aber beschäftigte man sich mit dem "multikulturellen" Umfeld, indem Kafka in Prag aufwuchs und lebte. Dabei wurde Kafkas "jüdischer Hintergrund und die relativ isolierte Position der deutschsprachigen jüdischen Gemeinschaft in Prag" (Andringa 2008, S.323) von etlichen Wissenschaftler*innen bis ins Detail erforscht. Dabei rückte immer wieder die daraus abgeleitete zwei- bzw. dreifache Ghettoerfahrung Kafkas in den Blickpunkt, der in einem jüdischen Ghetto aufgewachsen sei, das von einem Ghetto aufsässiger Slawen umgeben und schließlich von einem Wall umgeben gewesen sei, den die Verwaltung der altösterreichischen Beamtenschaft gezogen hatte, die bis 1918 im Namen Habsburgs Prag regierte. (vgl. Politzer 1978) Dass Kafka sein Leben lang an »Klaustrophobie, der Angst vor geschlossenen Räumen, verbindet diese inzwischen von der Wissenschaft erheblich relativierte Ausfassung mit biografischen und psychoanalytischen Deutungsansätzen. 

Die ›Sozialgeschichte im Text‹ setzt bei ihrer Analyse dagegen den Akzent darauf, wie und wieweit gesellschaftliche Erfahrungen, die der Autor oder die Autorin gemacht haben, in einen literarischen Text eingehen. Dadurch wird das Schreiben eines Autors, dessen Eigenart sich erst durch Berücksichtigung seiner politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Bezüge erschließt, vom Sockel einer wie immer gearteten "Genieästhetik" geholt und die gesamte Ästhetik unter dem Vorzeichen ihrer historischen und gesellschaftlichen Bedingtheit betrachtet.

Auf das Werk Franz Kafkas angewendet, geht es der überwiegenden Mehrheit der Literaturwissenschaftler*innen, die sich zum sozialgeschichtlichen Deutungsansatz und seinen Prämissen bekennen, darum "die Konstellation zwischen dem Helden als (angeblich) unschuldigem Opfer und einer ihn bedrohenden oder gar vernichtenden anonymen Macht" (Engel 2010, S.421) herauszustellen. Diese wird dann, je nach eigenen Überzeugungen der Interpret*innen, z. B. mit der von ihr hervorgebrachten "Entfremdung" dem kapitalistischen System zugeordnet. Oft wird sie auch, ähnlich der gesellschaftlichen Vision eines Überwachungsstaates, die »George Orwell (1903-1950) in seinem 1949 erschienenen »dystopischen Roman »1984 als Ausdruck einer bis in die Nischen menschlichen Daseins vordringenden, totalitären Welt und ihrer Apparate gesehen. In der »poststrukturalistischen Diskursanalyse »Michel Foucaults (1926-1984) wird sie zu einer "ominösen ›Macht‹, die alle Diskurse regiert und in die Körper ›einschreibt‹" (ebd.) wie etwa in Kafkas parabolischen Erzählung •"In der Strafkolonie". 

Natürlich bleiben solche Deutungen nicht unwidersprochen, zumal sie Kafka bzw. seinen Werken  eine quasi prophetische Aussagekraft für später eingetretene Entwicklungen in den totalitären faschistischen und kommunistischen Staaten zuschreiben. Insbesondere die Medien haben sich solchen Interpretationen angeschlossen. So hat »Orson Welles (1915-1985) in seine Verfilmung von Kafkas Prozess, »The Trial (1962), Reminiszenzen an KZ-Häftlinge einmontiert.

Dass sozialgeschichtliche Deutungen nach Ansicht Engels (2010), ungeachtet ihrer bis heute großen Beliebtheit, die sich auch in zahlreichen Medienproduktionen unterschiedlicher Formate zeigt, in der Literaturwissenschaft "einigermaßen aus der Mode gekommen sind" (ebd.), liegt seiner Ansicht nach vor allem an zwei Problemen.

Zum einen stelle sich die • anti-realistische Erzählweise, die vor allem das spätere Werk Kafkas auszeichne, einer Deutung entgegen, die in den Werken dieser Zeit einfach Elemente und Probleme der vormodernen Lebenswelt widergespiegelt sehen will. Wenn dies in Werken wie "Das Urteil" (1912), "Die Verwandlung" (1912), "Der Verschollene" (1911/1914), • "Der Prozess" (1914/15) oder auch •"In der Strafkolonie" (1914)" zwar noch aufgespürt werden könne, sei dies in späteren Werken durch zunehmend zur Verfremdung der Darstellung zum Einsatz kommende anti-realistische Erzählweise kaum mehr möglich.

Zum anderen sperre sich einer sozialgeschichtlichen Deutung auch die Tatsache, dass in Kafkas fiktionalen Welten die Innenwelt des personalen Erzählers stets die Außenwelt dominiere. Ob die dargestellten Probleme als "Folge deformierter sozialer Strukturen" gedeutet werden können, erscheint Engel (2010), der eine eher allgemeine anthropologische und ontologisch begründete Perspektive bevorzugt, als "›linke(s)‹ Deutungsmodell" (ebd.) mehr als zweifelhaft.

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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 03.02.2025

 
 

 
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