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Franz Kafka greift in seiner •
Parabel • »Der Geier«
auf das Prometheus-Motiv zurück, das seinen Ursprung in der
»griechischen
Mythologie hat.
Die Mythologie
hatte für die alten Griechen eine zentrale Bedeutung und erfüllte
viele Funktionen in ihrem täglichen Leben, ihrer Kultur und ihrer
Weltsicht. Sie diente als eine Art kollektives Gedächtnis und half
den Menschen, das Universum und die menschliche Existenz zu
verstehen. Die Geschichten der Götter, Helden und mythischen
Kreaturen erklärten Naturphänomene, Moral und soziale Normen und
boten Antworten auf Fragen zu Leben, Tod, Schicksal und Ethik. Die
Mythologie war für die Griechen ein Spiegel ihrer eigenen
Gesellschaft und eine unverzichtbare Grundlage für die Art, wie sie
die Welt um sich herum interpretierten und mit ihr interagierten.
Erklärung der Natur: Die
griechische Mythologie bot eine Erklärung für viele Naturphänomene,
die sie als das Werk der Götter sahen. Blitz und Donner etwa wurden
mit Zeus in Verbindung gebracht, der über den Himmel herrschte. Die
Griechen schufen eine Welt, in der jede Landschaft, jedes
Naturereignis und sogar jeder Stern mit einer Gottheit verbunden
war, was ihre Umgebung lebendig und bedeutungsvoll machte.
Moralische Lehren: Viele Mythen
vermittelten ethische Prinzipien und moralische Werte. Geschichten
wie die von Prometheus, Ikarus oder Sisyphos warnten vor Übermut,
Stolz und den Konsequenzen, göttliche Gesetze zu missachten. Die
Mythen dienten den Griechen als moralische Orientierung und waren
auch Warnungen vor Hybris (Selbstüberhebung) und Respektlosigkeit
gegenüber den Göttern.
Identität und Zusammenhalt:
Die griechische Mythologie bot den Griechen ein gemeinsames
kulturelles Erbe, das sie miteinander verband, besonders angesichts
der politischen Zersplitterung in Stadtstaaten. Die Mythen gaben ein
Gefühl von Gemeinschaft und ein gemeinsames Verständnis der
griechischen Werte, Rituale und Traditionen.
Rituale und Religion: Die
griechische Religion und Mythologie waren eng verflochten. Viele
Rituale, Tempel und Feiertage wurden zu Ehren der Götter abgehalten
und stützten sich auf die Geschichten der Mythologie. So wurden
Mythen lebendig und spielten im Alltag eine große Rolle, indem sie
den Glauben an die Götter und die Beziehung zu ihnen verstärkten.
Obwohl auf den ersten Blick thematisch verschieden, lassen sich
interessante Parallelen zwischen dem •
Prometheus-Mythos und
• Franz Kafkas • Parabel
"• Der Geier" ziehen.
Sie werden hier unter 5 verschiedenen Gesichtspunkten verdeutlicht.
1. Qual und Ausweglosigkeit
Prometheus: Wird
zur Strafe für den Diebstahl des Feuers an den Felsen gekettet,
wo ihm täglich ein Adler die nachwachsende Leber aushackt. Er
ist dieser Qual ewig ausgeliefert, ohne Chance auf Flucht oder
Erlösung. |
Erzähler in "Der Geier": Der
Erzähler ist dem Geier hilflos ausgeliefert. Er kann sich nicht
befreien und ist gezwungen, die qualvolle Attacke zu erdulden.
Die Situation erscheint ebenso ausweglos wie die von Prometheus. |
2. Das Motiv des "Fressens"
Prometheus: Der
Adler frisst täglich von Prometheus' Leber, ein Symbol für den
ewigen Kreislauf von Schmerz und Regeneration. |
Der Geier: Der
Geier hackt in die Füße des Erzählers und dringt schließlich
durch seinen Mund in ihn ein, was eine Zerstörung von innen heraus symbolisiert.
In beiden Fällen steht das "Fressen" für eine andauernde,
zerstörerische Kraft. |
3. Machtlosigkeit und Ohnmacht
Prometheus: Ist
trotz seiner göttlichen Herkunft den Launen der Götter
ausgeliefert und kann seinem Schicksal nicht entkommen. |
Erzähler in "Der Geier": Der
Erzähler ist ohnmächtig gegenüber dem Geier und kann sich nicht
wehren. Er verkörpert die menschliche Hilflosigkeit gegenüber
einer übermächtigen, feindlichen Kraft. |
4. Symbolische Deutung
Prometheus: Steht
für den aufbegehrenden Menschen, der nach Wissen und Fortschritt
strebt, aber dafür bestraft wird. |
Der Geier: Kann
als Symbol für verschiedene Aspekte gedeutet werden, z.B. Tod,
Krankheit, Schuldgefühle oder die allgemeine Absurdität der
menschlichen Existenz. In beiden Texten geht es um grundlegende
menschliche Erfahrungen und existenzielle Fragen. |
5. Passive Opferrolle
Prometheus: Ist
in seiner Situation passiv gefangen. Er kann sich nicht
wehren und ist dem Willen der Götter unterworfen |
Erzähler in "Der Geier": Ist
ebenfalls passiv. Er wartet auf Hilfe von außen und unternimmt
kaum eigenständige Anstrengungen, um sich zu befreien. |
Unterschiede
-
Mythologischer vs.
moderner Kontext: Prometheus
ist in einen mythologischen Kontext eingebettet, während Kafkas
Parabel die Angst und Ohnmacht des modernen Menschen
thematisiert.
-
Held vs. Antiheld: Prometheus
ist ein Held, der trotz seines Leidens etwas Großes vollbracht
hat. Der Erzähler in "Der Geier" ist eher ein Antiheld, der
passiv sein Schicksal erträgt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass beide Texte die menschliche
Existenz in ihrer Zerbrechlichkeit und Ausgeliefertheit an
übermächtige Kräfte beleuchten. Während Prometheus jedoch als
heldenhafter Rebell gilt, verkörpert der Erzähler in "Der Geier"
eher die passive Ohnmacht des modernen Individuums.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
17.12.2024,
mit Hilfe von KI erstellt