Franz Kafka, Kleine Fabel
"Ach", sagte die Maus, "die Welt wird enger mit jedem
Tag. Zuerst war sie so breit, dass ich Angst hatte, ich lief weiter und war glücklich,
dass ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah, aber diese langen Mauern
eilen so schnell aufeinander zu, dass ich schon im letzten Zimmer bin, und dort im Winkel
steht die Falle, in die ich laufe." - "Du musst nur die Laufrichtung
ändern", sagte die Katze und fraß sie.
(aus: ders., Beschreibung eines Kampfes (1936). Novellen, Skizzen,
Aphorismen aus dem Nachlass, 3. Aufl., New York/Frankfurt am Main
1953)
Dieses Werk (Kleine Fabel, von
Franz Kafka), das durch Gert Egle gekennzeichnet wurde, unterliegt keinen bekannten urheberrechtlichen Beschränkungen.
Biographische Autornotiz:
Franz Kafka: geboren 3.7.1883 in Prag, gestorben 3.6.1924 in Kierling
bei Wien; Sohn eines wohlhabenden jüdischen Kaufmanns; 1901 - 1906
Studium der Germanistik und Jura in Prag; 1906 Promotion zum Dr. jur.; danach
kurze Praktikantenzeit am Landesgericht Prag; 1908 - 1917 Angestellter
einer Versicherungsgesellschaft, später einer
Arbeiter-Unfall-Versicherung; 1914 zweimal verlobt und Verlöbnis
wieder gelöst; erkrankt 1917 an Tuberkulose;
1920-22 unerfüllte Liebe zu Milena Jesenska; 1922 Aufgabe des
Berufes aus gesundheitlichen Gründen; seit 1923 Zusammenleben mit Dora Dymant und freier
Schriftsteller in Berlin und Wien; zuletzt im Sanatorium Kierlang bei
Wien, dort an Kehlkopftuberkulose gestorben; literarischer Nachlass
wird posthum gegen seinen Willen von Max Brod veröffentlicht.