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Johann Michael Moscherosch (1601-1669): Philander von Sittewald

[Ungetreue und hoffärtige Mägde]

6. Gesicht: Höllenkinder

 
FAChbereich Deutsch
Glossar Literatur Autorinnen und Autoren
Johann Michael Moscherosch (1601-1669)Überblick Kurzbiografie ▪ Lyrische Texte Erzählende Texte   Philander von Sittewald ÜberblickAspekte der Analyse und Interpretation Textauswahl [ 6. Gesicht: Höllenkinder ÜberblickDie Weggabelung: Wege in den Himmel und in die Hölle Verleger und "Raubkopierer" auf dem Weg zur Hölle Pastetenbäcker ín der Hölle Kaufleute in lichterhohen Flammen Adel, Junker und die Obrigkeit Ungetreue und hoffärtige Mägde ◄ ▪ O-hätte-ich-doch-Sünder und Studenten Vorwitzige, leichtsinnige und hoffärtige Weiber Poeten in der Hölle ] BausteineLinks ins Internet Links ins Internet  ...   Schreibformen Operatoren im Fach Deutsch
 

 

Im "6. Gesichte" (das sechste Traumgesicht) (1. Aufl. 1640) erzählt die Hauptfigur in ▪ Johann Michael Moscheroschs (1601-1669) Philander von Sittewald von seinem Besuch in der Hölle.

"Nachdem ich nun dieser Predigt genug zugehört hatte, kam ich an einen Ort, welcher aussah wie ein Marktplatz in einer Stadt; da sah ich verschiedentliches Weibervolk beisammen stehn, theils bei den Metzgern, theils bei dem Brunnen, theils sonstwo in einem Haufen beieinander. Sie waren gekleidet, ich weiß nicht wie; ich erkannte nur, daß sie köstliche Schuhe trugen, an denen die Absätze nicht einen Pfennig breit waren; hinter ihnen standen des Teufels Reitböcke, große Schuhbande, als ob sie mit den Füßen fliegen wollten.

Die übrige Kleidung war der ganzen Manier nach leichtfertig und köstlich anzusehen: den Hintern hielten sie empor und zu Zeiten kam ein Teufel herbei, der ihnen die Kleider aufhob; da sah man denn, wie zerhudelt und zerlumpt sie dastanden mit halben Hemden und bloßem Hintern. Ihre Brüste waren eingeschnürt mit Taffet- und Atlasbändern von 20 bis 30 und mehr Ellen und der Busen aufgemutzt und aufgeputzt, als ob sie ihn auf dem Markte feil tragen wollten; die Aermel hatten sie zurückgestülpt, daß man die entblößten Arme bis unter die Achseln sehen konnte, bei einigen war es eine Lust, bei andern eine Unlust zu sehen. Sie erzählten von ihren Frauen und Herrschaften, wie es ihnen ging, was sie für Schenkungen, für Meßkram, für Vortheil und Genuß auf dem Markte, im Hause, in Küche und Keller und sonsten hätten. Andere klagten dies und das. Die eine trug eine Krause von dreißig und mehr Strichen; die andere einen Umschlag so klein, daß wegen des kleinen Lappens die Brüste fast entblößt zu sehen waren. Ich stand und sah diese Dinge mit Verwunderung an, worüber der Teufel einer lachte. Ich aber sprach zu ihm: Mir ist nichts lächerlich, sondern es ist mir rechter Ernst; und wenn diese Tracht auf Erden gesehen wäre, so würde es ohne Abstrafung nicht abgegangen sein. "Glaube mir, sagte der Teufel, daß es ihnen an diesen Orten gar nicht geschenkt ist; du wirst sehen, wie solche Hoffart und Untreu, welche die Mägde gegen ihre Herrschaften verüben, wird abgestraft und bezahlt werden." Während unseres besten Gesprächs kam ein Haufen Teufel daher geritten, wie Soldaten gekleidet, erwischten jeder eine Dirne, setzte sie hinter sich auf's Roß und davon. Bald hörte ich ein Rufen und sah, daß die Reiter und Dirnen in heller Lohe brannten wie Schwefelhölzer, und der Boden that sich auf, so daß sie untergingen. Auf Ermahnung des Geistes ging ich an den Ort um zu hören und zu sehen, wie es herging. Da sah ich, wie der einen glühende Nägel statt der Absätze in die Füße geschlagen wurden; einer andern wurden anstatt der Preßbänder glühende Ketten umgethan, einer andern anstatt der Krausen, glühende Halsbänder; der einen wurden die Arme aus dem Leibe gezogen, der andern die Brüste mit glühenden Haken ausgerissen, die Haare und das Gesicht zerzaust und zerkratzt, daß ich Mitleid damit hatte. Doch ein Geist rief mir zu: "Hier soll niemand Mitleid tragen, hier ist Marter und Pein ohne Gnade, hier sind Streiche und Striemen ohne Bedauern, hier ist Hölle und Verdammnis ohne Aufhören!" Und ein anderer schrie laut: "Also wird es allen Dienstboten ergehen, die ihres Standes und Dienstes vergessen. Also werden alle die empfangen werden, welche der Ehre und Ehrbarkeit absagen, die sich zu höchster Aergernis in halber Kleidung entblößen, mit leichtfertigen Kleidern prangen, sich leichtfertig in Geberden und Anreizungen auf offener Straße zeigen, die der Herrschaft untreu werden, sich ihr Theil nehmen und zu leichtfertigem Gebrauch verwenden!" Und ein Geschrei war unter ihnen, wie bei den Katzen um Lichtmeß, wenn sie rammelig übereinander springen. Eine aber wollte ihre Entschuldigung vorbringen und sprach mit beweglicher Stimme: "Ach wir armen elenden Mägde, o was haben wir gedacht, o was haben wir gethan! O des Elends und Jammers! O des verdammten Prunks, wozu wir nimmer ohne Unterricht und Anstiften unserer Frauen gekommen wären! Unsere Frauen bringen uns ins ewige Verderben, denn ihnen haben wir so und so zu Gefallen gehen müssen; die hat uns zu dieser Hoffart angewiesen, jene zu einer andern; diese hat uns das dazu spendirt, jene etwas anderes, und hätten sie uns unseres Standes und Dienstes erinnert und uns nicht selbst zur Hoffart angetrieben, so würden wir das nicht gewußt haben!" Aber ein Teufel sprach zu ihr: "Nun leide du für dich! Bist du so gottvergessen gewesen, daß du deiner Frau gefolgt bist zu unrechten Dingen, so leide auch jetzt dafür. Hat eine Frau ihre Mägde zu Sünden gereizt, so wird sie ihre Strafe so gut wie du finden!" – Nicht zwanzig Schritt davon kam ich zu einem großen See, der mir dem Genfer See nicht ungleich däuchte, aber er war voll Morasts und dampfenden, stinkenden Nebels; darin hörte ich ein wunderseltsames Geräusch und Geschrei. Als ich fragte, was das wäre? ward mir zur Antwort, daß diejenigen Weiber, welche auf der Welt Haushofmeisterinnen und Wärterinnen gewesen wären, hier ihre Rendezvous hätten. Ich erkannte also, daß die Haushofmeisterinnen auf der Welt die Frösche in der Hölle werden, welche sich in Lumperei und Wüstenei aufhalten, und die einige Tausend stark mit Murren, Murmeln, Quaxen, Pappeln und Klappern sich unter und miteinander die Zeit vertreiben."

Wunderliche und warhafftige Gesichte Philanders von Sittewald, das ist Straff-Schrifften Hanß-Michael Moscherosch von Wilstädt. In welchen Aller Weltwesen, Aller Mänschen Händel . als in einem Spiegel dargestellet und gesehen werden. Von Ihme zum letztern mahl auffgelegt, vermehret, gebessert, mit Bildnussen gezieret, und . in Truck gegeben. 2 Tle. in 1 Band. Straßburg, J. Ph. Mülbe u. J. Städel 1650. 8°. 23 Bll., 709 S., 12 Bll.; 7 Bll., 931 (recte 911) S., mit 2 gest. Titeln, 7 (st. 8) Kupfertafeln, 2 Poträt-Kupfertafeln, 1 (ganzs.) Textkupfer u. 25 (1 ganzs.) Textholzschnitten, Prgt. d. Zt., in der sprachlich erneuerten Fassung von Karl Müller 1883

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 06.02.2022

    
   Arbeitsanregungen:
  1. Was wird den Mägden in der Hölle vorgeworfen?
  2. In welcher Lage findet der Ich-Erzähler Philander sie in der Hölle vor?
  3. Welches Bewusstsein haben die Verdammten selbst von ihrer Lage? Wie versuchen sie ihr Verhalten im Diesseits zu erklären?
  4. Wodurch wird die satirische Absicht des Textes erkennbar?
 
 
 

 
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