Im "6. Gesichte" (das
sechste Traumgesicht) (1. Aufl. 1640) erzählt die Hauptfigur in ▪
Johann Michael
Moscheroschs (1601-1669) ▪
Philander von Sittewald
von seinem Besuch in der Hölle.
"Nachdem ich nun
dieser Predigt genug zugehört hatte, kam ich an einen
Ort, welcher
aussah wie ein Marktplatz in einer Stadt; da sah ich
verschiedentliches Weibervolk beisammen stehn, theils bei den
Metzgern, theils bei dem Brunnen, theils sonstwo in einem Haufen
beieinander.
Sie waren gekleidet, ich weiß nicht wie; ich erkannte
nur, daß sie köstliche Schuhe trugen, an denen die Absätze nicht
einen Pfennig breit waren; hinter ihnen standen des Teufels
Reitböcke, große Schuhbande, als ob sie mit den Füßen fliegen
wollten.
Die übrige Kleidung
war der ganzen Manier nach leichtfertig und köstlich anzusehen: den
Hintern hielten sie empor und zu Zeiten kam ein Teufel herbei, der
ihnen die Kleider aufhob; da sah man denn, wie zerhudelt und
zerlumpt sie dastanden mit halben Hemden und bloßem Hintern. Ihre
Brüste waren eingeschnürt mit Taffet- und Atlasbändern von 20 bis 30
und mehr Ellen und der Busen aufgemutzt und aufgeputzt, als ob sie
ihn auf dem Markte feil tragen wollten; die Aermel hatten sie
zurückgestülpt, daß man die entblößten Arme bis unter die Achseln
sehen konnte, bei einigen war es eine Lust, bei andern eine Unlust
zu sehen. Sie erzählten von ihren Frauen und Herrschaften, wie es
ihnen ging, was sie für Schenkungen, für Meßkram, für Vortheil und
Genuß auf dem Markte, im Hause, in Küche und Keller und sonsten
hätten. Andere klagten dies und das. Die eine trug eine Krause von
dreißig und mehr Strichen; die andere einen Umschlag so klein,
daß
wegen des kleinen Lappens die Brüste fast entblößt zu sehen waren.
Ich stand und sah diese Dinge mit Verwunderung an, worüber der
Teufel einer lachte. Ich aber sprach zu ihm: Mir ist nichts
lächerlich, sondern es ist mir rechter Ernst;
und wenn diese Tracht
auf Erden gesehen wäre, so würde es ohne Abstrafung nicht abgegangen
sein. "Glaube mir, sagte der Teufel, daß es ihnen an diesen Orten
gar nicht geschenkt ist; du wirst sehen, wie solche Hoffart und
Untreu, welche die Mägde gegen ihre Herrschaften verüben, wird
abgestraft und bezahlt werden."
Während unseres besten Gesprächs kam
ein Haufen Teufel daher geritten, wie Soldaten gekleidet, erwischten
jeder eine Dirne, setzte sie hinter sich auf's Roß und davon. Bald
hörte ich ein Rufen und sah, daß die Reiter und Dirnen in heller
Lohe brannten wie Schwefelhölzer, und der Boden that sich auf, so
daß sie untergingen. Auf Ermahnung des Geistes ging ich an den Ort
um zu hören und zu sehen, wie es herging.
Da sah ich, wie der einen
glühende Nägel statt der Absätze in die Füße geschlagen wurden;
einer andern wurden anstatt der Preßbänder glühende Ketten umgethan,
einer andern anstatt der Krausen, glühende Halsbänder; der einen
wurden die Arme aus dem Leibe gezogen, der andern die Brüste mit
glühenden Haken ausgerissen, die Haare und das Gesicht zerzaust und
zerkratzt, daß ich Mitleid damit hatte. Doch ein Geist rief mir zu:
"Hier soll niemand Mitleid tragen, hier ist Marter und Pein ohne
Gnade, hier sind Streiche und Striemen ohne Bedauern, hier ist Hölle
und Verdammnis ohne Aufhören!" Und ein anderer schrie laut:
"Also
wird es allen Dienstboten ergehen, die ihres Standes und Dienstes
vergessen. Also werden alle die empfangen werden, welche der Ehre
und Ehrbarkeit absagen, die sich zu höchster Aergernis in halber
Kleidung entblößen, mit leichtfertigen Kleidern prangen, sich
leichtfertig in Geberden und Anreizungen auf offener Straße zeigen,
die der Herrschaft untreu werden, sich ihr Theil nehmen und zu
leichtfertigem Gebrauch verwenden!" Und ein Geschrei war unter
ihnen, wie bei den Katzen um Lichtmeß, wenn sie rammelig
übereinander springen. Eine aber wollte ihre Entschuldigung
vorbringen und sprach mit beweglicher Stimme: "Ach wir armen elenden
Mägde, o was haben wir gedacht, o was haben wir gethan! O des Elends
und Jammers! O des verdammten Prunks, wozu wir nimmer ohne
Unterricht und Anstiften unserer Frauen gekommen wären!
Unsere
Frauen bringen uns ins ewige Verderben, denn ihnen haben wir so und
so zu Gefallen gehen müssen; die hat uns zu dieser Hoffart
angewiesen, jene zu einer andern; diese hat uns das dazu spendirt,
jene etwas anderes, und hätten sie uns unseres Standes und Dienstes
erinnert und uns nicht selbst zur Hoffart angetrieben, so würden wir
das nicht gewußt haben!" Aber ein Teufel sprach zu ihr: "Nun leide
du für dich! Bist du so gottvergessen gewesen, daß du deiner Frau
gefolgt bist zu unrechten Dingen, so leide auch jetzt dafür. Hat
eine Frau ihre Mägde zu Sünden gereizt, so wird sie ihre Strafe so
gut wie du finden!" – Nicht zwanzig Schritt davon kam ich zu einem
großen See, der mir dem Genfer See nicht ungleich däuchte, aber er
war voll Morasts und dampfenden, stinkenden Nebels; darin hörte ich
ein wunderseltsames Geräusch und Geschrei. Als ich fragte, was das
wäre? ward mir zur Antwort, daß diejenigen Weiber, welche auf der
Welt
Haushofmeisterinnen und Wärterinnen gewesen wären, hier ihre
Rendezvous hätten. Ich erkannte also, daß die Haushofmeisterinnen
auf der Welt die Frösche in der Hölle werden, welche sich in
Lumperei und Wüstenei aufhalten, und die einige Tausend stark mit
Murren, Murmeln, Quaxen, Pappeln und Klappern sich unter und
miteinander die Zeit vertreiben."
Wunderliche und warhafftige Gesichte Philanders von Sittewald,
das ist Straff-Schrifften Hanß-Michael Moscherosch von Wilstädt. In
welchen Aller Weltwesen, Aller Mänschen Händel . als in einem
Spiegel dargestellet und gesehen werden. Von Ihme zum letztern mahl
auffgelegt, vermehret, gebessert, mit Bildnussen gezieret, und . in
Truck gegeben. 2 Tle. in 1 Band. Straßburg, J. Ph. Mülbe u. J.
Städel 1650. 8°. 23 Bll., 709 S., 12 Bll.; 7 Bll., 931 (recte 911)
S., mit 2 gest. Titeln, 7 (st. 8) Kupfertafeln, 2
Poträt-Kupfertafeln, 1 (ganzs.) Textkupfer u. 25 (1 ganzs.)
Textholzschnitten, Prgt. d. Zt., in der sprachlich erneuerten
Fassung von Karl Müller 1883
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
06.02.2022