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Hans Michael Moscherosch (Projekt Gutenberg)
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Hans Michael Moscherosch (Zeno.org)
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Hans Michael Moscherosch (Wikipedia)
Im Literaturunterricht ist im Allgemeinen von ▪ Johann Michael
Moscherosch (1601-1669) und seinen Werken nichts zu sehen. Aus
den gängigen Schemata bei der Behandlung der ▪
Literaturepoche des
Barock (1600-1720), wie sie in Schule und Unterricht zur Anwendung
kommen, fällt er gewöhnlich heraus und teilt damit das Schicksal vieler
anderer Autoren dieser Zeit, die nicht in die gängigen Vorstellungen von
der Epoche zu passen scheinen.
Dabei ist sein Werk von den Zeitgenossen durchaus geschätzt worden und
er gehört zu den meistgelesenen Autoren seiner Zeit. (vgl.
Niefanger 32012, S.228) Seine Schriften erleben
mehrere Auflagen und werden auch über Raubdrucke weit verbreitet. Ein
Anĺass für den Autor im Übrigen, dass er den "Raubkopierern" in seinem
bekanntesten Werk ▪"Philander
von Sittewald" beim Besuch der Hauptfigur in der Hölle (▪
6. Gesicht)
eine eigene Episode widmet (▪
Verleger und "Raubkopierer" auf dem Weg zur Hölle).
Mit seiner Prosasatire ▪ "Philander
von Sittewald" hatte er besonders großen Erfolg. In ihr nimmt er die
Eitelkeit und Heuchelei der Menschen, gleich welchen Standes, aufs Korn
und greift dabei Motive zahlreiche Motive aus »Dante
Alighieris (1265-1321)»Göttlicher
Komödie (Divina
Commedia) (1307-1321) auf, und übernimmt viel aus »Francisco de Quevedo y Villegas
(1580-1645), einem herausragenden Vertreter des spanischen »Schelmenromans
(Pikaro-Roman), »Sueños
y discursos de verdades.
(1606 (herausgegeben: 1627; deutsch: 1660–43, 1919, 1925 und 1966; »engl.
1708 ). Ähnlich wie »Sebastian
Brant (1457-1521) in seiner Moralsatire »Das
Narrenschiff (1494) oder »Thomas
Murner (1475-1537) in seinen »Narrensatiren
(1512-19), hält er mit seinem Philander der Welt einen
Spiegel vor. (vgl.
Niefanger
32012, S.228)
Öffentliche Anerkennung fand Moscherosch auch dadurch, dass er ▪
1645 von »Fürst
Ludwig I. von Anhalt-Köthen in die erlesene ▪
Fruchtbringende Gesellschaft aufgenommen wurde.
Grimmelshausen (1622-1676), der mit seinem satirischen Roman "Der
abenteuerliche Simplicissimus Teutsch" (1668/69) berühmt und bis
heute im kulturellen Gedächtnis (und auch im Literaturunterricht)
verankert ist, hat sich jedenfalls auch von Moscheroschs Philander
beeinflussen lassen und ihnen "unter anderem das Motiv des Höllenkonzils
entlehnt. (Aurnhammer/Detering
2019, S.213) Ob die beiden sich persönlich kannten weiß man nicht,
aber immerhin war Grimmelshausen mit dem jüngeren Bruder Johann Michael
Moscherosch befreundet. (vgl.
ebd.)
Moscheroschs Lysander "(führt) die enzyklopädische Tradition der
Narrenrevue und Ständesatire, der Moralpredigt und des Totentanzes mit
der pseudoautobiographischen Tradition der Visionsliteratur
zusammen(...), die aus Ich Erzählungen besteht, was dazu führt, daß die
Hölle auf Erden aus der Sicht einer Figur vermittelt wird, die zwar kein
Pikaro, aber auch kein über alle Zweifel und Anfechtungen erhabener
Erzählter mehr ist." (Bauer,
1994, S.88)
In seinen Visionen kann er, indem sie ihm auch seine eigenen Schwächen
und Verfehlungen vor Augen führen, ein Stück weit sein eigenes
Bewusstsein ändern.
Was Moscherosch in seinem Roman vermittelt, sei, so Bauer weiter, "keine
praktische Weltklugheit" , wenn er dem Leser den "moralsatirische(n)
Zerrspiegel aller »Welt Wesen und Menschen Händel«" vorhält, wie das
Titelblatt der Erstausgabe formuliert. (vgl.
ebd.)
So spreche der Schergen-Teufel im ersten Gesicht "die für alle Träume
grundlegende Einsicht aus, »daß je ein Mensch des anderen Teuffel selbst
ist/ mehr als die Teuffel selbsten/ homo homini lupus/ homo homini
Diabolus«." (ebd.)
Daher ziele Moscheroschs Kritik auch weniger auf die gesellschaftlichen
Gegensätze als auf die menschliche Natur. Komme es zu
zwischenmenschlichen Konflikten, dann sei allein die moralische
Verirrung des einzelnen dafür verantwortlich und nicht umgekehrt.
Erstaunlicherweise ist dies gerade eine antipikareske Einstellung, der
genau das Schelmische abgeht, sie ergebe "sich aber folgerichtig aus der
der religiösen Überzeugung, daß nicht die göttliche Schöpfung selbst,
sondern der Sündenfall der Geschöpfe die Ursache allen Übels ist." (ebd.,
S.88f.)
Wenn man in den Gesichten Phylanders von Sittewald oftmals den Eindruck
gewinne, dass die rhetorische Weitschweifigkeit, mit der der
Ich-Erzähler erzählt, in keinem angemessenen Verhältnis zu den Lastern
steht, die von ihm dargestellt werden, könne dies durchaus auch "Moscheroschs
unausgeglichene, gleichermaßen zum cholerischen Wutanfall wie zur
ängstlichen Verzagtheit neigende Persönlichkeit zurückzuführen sein." (ebd.,S.89)
Als Hauslehrer zeigte er sich als Prügler seiner Zöglinge, die er sogar
bestohlen haben soll und als Mensch habe er das "Bild eines geängstigten
Menschen" abgegeben, "dessen Moralpredigten und Tugendlehren zugleich
Projektion und Kompensation der eigenen Schwäche gewesen seien;" (ebd.,
S.90, unter Beugnahme auf Faber de Fauer 1957, S.233.)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
31.12.2024