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Schuld [ahd. schuld(a), zu sculan 'schuldig sein', 'sollen', 'müssen] 1)
Philosophie und Religion: etwas, das man tun soll, eine Schuldigkeit, im
Alltagsverständnis Verpflichtung zu einer (Geld-)Leistung [...]; S. haben:
'Urheber von etwas Verderblichem sein', Verantwortung für die Verletzung
eines rechtl., sittl. oder religiösen Gesetzes oder Gebotes (Schuldigwerden;
lat. culpa); auch unrechte Tat. - Beim S.-Begriff im Sinne des
Schuldigwerdens
handelt
es sich um eine Kategorie der Selbst- und Fremdbewertung menschl. Handelns,
wobei das Verschulden - im Sinne einer fahrlässigen oder vorsätzl.
Unterlassung, Tat oder eines Vorsatzes dazu und deren Folgen . immer ein
benachteiligendes oder schädigendes Verhalten gegen Menschen bezeichnet.
Beurteilungsinstanzen der S. sind das eigene Gewissen, vor dem das
Individuum sich als schuldig erfährt (S.-Erfahrung, S.-Bewusstsein,
S.-Gefühl), Gott, die anderen Menschen, Beurteilungskriterien auch die in
einer Gruppe oder Gesellschaft geltenden Normen, im jurist. Sinne das
geltende Recht. Mit der Anerkenntnis einer S. ist der Gedanke der möglichen
Tilgung der S. durch Wiedergutmachung, Sühnung (Strafe), Reue, auch durch
ein Verzeihen vonseiten des Betroffenen verbunden. [...]
Im eth. Sinne setzt Schuldigwerden die Freiheit, Verantwortlichkeit und
Moralität des Menschen voraus. d. h. die Möglichkeit, zw. Alternativen zu
wählen, sich der eigenen Entscheidungen unter Berücksichtigung ihrer mögl.
Tragweite bewusst zu sein, wie auch ein Bewusstsein sittlicher Werte als von
der Willkür des Einzelnen unabhängige und moralisch verbindl. Gründe für das
Handeln. Für die Zurechenbarkeit moral. S. spielen demnach die Größe des
Unrechts, die subjektive Einsicht in den Unwertcharakter und der Grad der
dabei gegebenen Willensfreiheit des Handelnden eine Rolle. So kann etwa
unter Zwang, aus Bedrohung oder Notwehr begangenes Unrecht nicht im eigentl.
Sinne als moral. S. angesehen werden. Mangelndes Unrechtsbewusstsein oder
die Berufung auf einen blinden Befehlsgehorsam reichen andererseits aber
nicht aus, um den Einzelnen von moral. S. freizusprechen.[...]
Die Tiefenpsychologie des 20. Jh. begegnet der Wirklichkeit menschl. S. v.
a. in der Form neurot. S.-Gefühle, die von der Psychoanalyse (S. Freud) als
Ausdruck eines psych. Konfliktes zw. den unbewussten Triebwünschen des Es
und den moral. Forderungen des Über-Ich (den internalisierten gesellschaftl.
Normen) gedeutet werden. [...]
2) Strafrecht: die Vorwerfbarkeit der Willensbildung des Täters. Sie setzt
voraus, dass der Täter statt des rechtswidrigen einen normgemäßen
Handlungswillen hätte bilden können; S. liegt vor bei Vorsatz oder
Fahrlässigkeit. [...] Das Vorliegen von S. ist die Voraussetzung jeder
Bestrafung.(aus: Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 19, Mannheim:
Bibliographisches Institut, 1992, S.538-540) |
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