Schottland ist im 16.
Jahrhundert in eine Lage geraten, die es zum Spielball vielfältiger
ausländischer Interessen macht.
Hauptgegner ist England auf der britischen Insel selbst, das immer wieder
mit militärischen Mitteln versucht, Schottland seiner Herrschaft
einzuverleiben. Englische Truppen stehen also nicht selten auf
schottischem Boden und halten für gewisse Zeit schottische Gebiete
besetzt.

Daneben, aber auch wegen der anhaltenden Auseinandersetzungen mit England,
ist Schottland in die Auseinandersetzung um die Vorherrschaft in ganz
Europa mit einbezogen. Spanien und Frankreich, die dominierenden Mächte in
Kontinentaleuropa führen einen Krieg nach dem anderen gegeneinander und an
ihrer Seite stehen Verbündete, die ihnen meist dynastisch verbunden, ihre
eigenen Ziele anstreben.
Schottland ist in dieser Zeit mit Frankreich
verbündet und England immer wieder mit Spanien, wenn es darum geht,
Frankreich in die Knie zu zwingen. Auf der anderen Seite ist es auch nicht
unüblich, wenn es die Situation verlangt, einmal die Fronten zu wechseln,
dies insbesondere dann, wenn Machtauseinandersetzungen innerhalb eines
bestimmten Landes ohne die vielfältige Hilfe ausländischer Verbündeter
nicht entschieden werden können.
Von ausländischen
Interventionen geschwächt, sieht sich das Königtum in Schottland einem
insgesamt starken Adel gegenüber, der im Interesse der eigenen Herrschaft
die des Königtums möglichst gering halten will. Innerlich aber ist er
selbst in verschiedene, häufig wechselnde Gruppierungen zersplittert, die
sich mal an der Seite des Königtums und seiner meist französischen
Alliierten in diesen inneraristokratischen Machtkämpfen positionierten,
oder an der Seite der meist von England gestützten Königsgegner gegen die
schottische Krone stellten, ohne diese aber bei ihrem Fall so ohne
weiteres dem englischen Königshaus antragen zu wollen. So ist die Lage
also nicht selten verworren und das Handeln der maßgeblichen
gesellschaftlichen Kräfte wirkt nicht selten widersprüchlich.
Ideologisch finden viele
Auseinandersetzungen in Schottland, auf der britischen Insel und auf dem
Kontinent in der Auseinandersetzung um den rechten Glauben ihren
Ausdruck, die ausgehend von Luthers Reformation in Deutschland ganz
Europa weit über hundert Jahre lang beherrscht. Auf der britischen Insel
birgt die Glaubenspaltung unter den genannten politischen Bedingungen –
Englands Griff nach Schottland, Schottland als Verbündeter des
katholischen Frankreich – ausgeprägte Besonderheiten. Die "Reformation
von oben", die Heinrich VIII. von England durch seine Lösung von der
Papstkirche in Rom durchführt, bringt England als bedeutende europäische
Macht ins protestantische Lager und die Untertanen Heinrichs VIII.
werden mit ihrer erzwungenen Eidesleistung Protestanten. (▪
Zeittafel ▪
Genealogie der
Tudors und Stuarts)
Kein Wunder also, dass diese zunächst nur von
päpstlicher Suprematie befreite katholischen Kirche von Rom selbst als
"Ketzerkirche" verdammt wird. Die gewaltsamen und äußerst blutigen
Versuche zur Restauration des römisch-katholischen Glaubens unter
Heinrichs VIII. Nachfolgerin Maria Tudor geben den papsttreuen Katholiken
in England im Bündnis mit dem katholischen Spanien für kurze Zeit noch
einmal die Oberhand, können den aber den von Heinrichs VIII. Tochter
Elisabeth fortgesetzten Weg zur papstfreien, anglikanischen Staatskirche
nicht dauerhaft hemmen.
Allerdings bleiben religiöse Motive lange Zeit ein
geeignetes Mittel, um fanatisierte Massen vor den Karren bestimmter
Machtinteressen zu spannen. Auch Schottland gerät in dieser Zeit zusehends
unter den Einfluss reformatorischen Gedankenguts, zumal sich die gegen das
Frankreich freundliche katholische Königtum opponierende Adelsopposition
davon größeren Schwung verspricht.
Und: wenn unter diesen Vorzeichen, die
katholische Königin von Schottland, unterstützt von der ganzen
katholischen Welt, als Enkelin der Schwester Heinrichs VIII. noch Anspruch
auf die englische Krone erhebt, dann stehen soziale Unruhen, ausländische
Interventionen, Intrigen und Machtkämpfe auf der Tagesordnung und
vielerorts wird an den dynastischen Lösungen, sprich Erbfolgeregelungen
und Heiratsverbindungen gebastelt, um eine Änderung bestehender
Verhältnisse herbeizuführen.
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Zeittafel
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Genealogie der
Tudors und Stuarts
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
23.10.2023