Die
▪ Handlung
der
Szene III,4
(4. Auftritt) im
3. Akt von
Schillers
Drama »Maria
Stuart« spielt im Park von Schloss Fotheringhay.
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5.Akt

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III,3
Elisabeth
trifft in unmittelbarer Begleitung
Leicesters
mit ihrem Jagdgefolge auf
Maria Stuart,
Shrewsbury,
Paulet und
Kennedy. Elisabeth entlässt ihr Gefolge nach London zurück und
erklärt, sie selbst wolle noch im Park verweilen, weil die Verehrung,
die ihr allerorten von ihrem Staatsvolk entgegengebracht werde, im
Moment zu viel für sie sei. Mit dieser zu ihren Begleitern
gesprochenen, in Wahrheit aber schon an Maria adressierten Bemerkung
betont sie von Anfang an ihren auf das Volk gestützten
Herrschaftsanspruch. Maria, die im Anschluss daran erstmals den
Blickkontakt mit Elisabeth sucht, spürt sofort die Kälte, die zwischen
ihr und Elisabeth herrscht und spricht dies (ad spectatores = zum
Publikum hin) aus. Elisabeth tut so, als nehme sie Maria erst jetzt
wahr. Mit gekünstelter Entrüstung über Leicester, dem sie das
Arrangieren der Begegnung in Fotheringhay nach außen hin anlastet,
nimmt die englische Königin die Ratschläge von Shrewsbury und
Leicester zur Kenntnis, Maria gegenüber Milde und Großmut walten zu
lassen. Da sie aber genau registriert, dass Maria Stuart sich in einem
inneren Kampf befindet, macht sie ihren Lords den Vorwurf, sie über
die Haltung Maria Stuarts nicht richtig informiert zu haben. Statt wie
versprochen auf eine demütige Maria zu treffen, sähe sie sich mit
einer ungebrochenen und stolzen schottischen Königin konfrontiert. In
einem kurzen, wieder ad spectatores gesprochenen Monolog verarbeitet
Maria die offene Provokation Elisabeths und ist entschlossen, sich vor
Elisabeth niederzuwerfen. Als sie dies unter ausdrücklicher
Anerkennung der Macht Elisabeths in die Tat umsetzt, verweigert ihr
Elisabeth mit scharfen Worten die Geste die vor ihr niederkniende
Maria wieder zu erheben. Maria Stuart, die sich zu ihrer Geste der
Unterwerfung nur mit Mühe durchgerungen hat, fühlt sich durch diese
Zurückweisung zutiefst verletzt. Sie warnt Elisabeth vor Hochmut und
appelliert an sie, die gemeinsame Abstammung aus dem Hause Tudor nicht
zu vergessen. Doch sie erkennt rasch an der Haltung der völlig
unbeweglich stehenden Elisabeth, dass sie kaum eine Chance besitzt,
aus eigener Kraft Elisabeths Herz mit Bitten und Flehen zu erweichen.
Elisabeth ändert ihren "Eisesblick" nicht, als sie Maria auffordert,
ihr Anliegen vorzubringen. Sie müsse allerdings wissen, dass dies
angesichts der Tatsache, dass Maria sie habe ermorden lassen wollen,
eine großmütige Geste sei. Bevor Maria zur Sache spricht, erklärt sie
Elisabeth, dass sie ihr Anliegen kaum vorbringen könne, ohne damit
zugleich Anschuldigungen gegen Elisabeth zu erheben. So hält sie
Elisabeth daher vor, sie unter Bruch des Völkerrechts unter unwürdigen
Bedingungen inhaftiert zu haben. Sie sei allerdings bereit, die
Schuldfrage zu vergessen und alles als Fügungen des Schicksals zu
sehen, das sie beide gegeneinander aufgebracht habe. Als sie sich
darauf hin Elisabeth zutraulich nähert und mit schmeichelnden Tonfall
bittet, ihr ihre Schuld zu nennen, die sie zu tragen bereit sei,
bleibt Elisabeth ungerührt. Sie lässt Marias Interpretation, die
Streitigkeiten seien einfach Schicksal, nicht gelten. Für sie steht
fest, dass der Streit einzig und allein der Machtgier der Stuarts und
ihrer französischen Hintermänner zuzuschreiben ist, die sich den
englischen Königstitel angemaßt und immer wieder Unruhen in England
angezettelt hätten. Sarkastisch fügt sie an, dass aber trotz alledem
nicht ihr Leben bedroht sei, sondern das Haupt von Maria Stuart in
Gefahr sei. Als Maria ihr auf diese offene Drohung entgegnet, dass
Elisabeth dies nicht wagen werde, wird sie von der englischen Königin
heftig unterbrochen. Nicht zuletzt Maria Stuarts eigene Verwandtschaft
habe auf dem Kontinent in der Bartholomäusnacht gezeigt, wie wenig
ihnen Blutsverwandtschaft und Völkerrecht selbst wert seien. Zudem
könne sie sich im Falle einer Begnadigung Maria Stuarts nach allen
Erfahrungen, die sie mit der Papstkirche gemacht habe, nicht auf ihre
Loyalität verlassen. Als Maria daraufhin erklärt, sie wäre beizeiten
ja durch die Erklärung zufrieden zu stellen gewesen, dass sie
Thronerbin nach Elisabeth werde, unterstellt Elisabeth, dass Maria in
einem solchen Fall um so mehr auf ihren Sturz hingearbeitet hätte. So
sieht sich Maria zu einem weiteren Schritt genötigt. Um ihre Freiheit
wieder zu erlangen, ist sie bereit, auf ihren Thronanspruch endgültig
zu verzichten. Als sie dazu eingesteht, dass sie in der Haft gebrochen
sei und nun demütig auf Gnade hoffe, kostet Elisabeth ihren Triumph
aus. Auch als Frau habe sie nämlich nun ausgespielt, die Mittel ihrer
Männer mordenden Politik seien damit am Ende. Als sie bemerkt, wie
schwer sie Maria verletzt hat, lässt sie die schottische Königin noch
einmal ihre ganze Verachtung spüren, indem sie sie mit umschreibenden
Worten als Hure bezeichnet. Zornig, aber ohne die Fassung zu
verlieren, verteidigt sich Maria und zeigt nun ihrerseits mit dem
Finger auf Elisabeth, deren Mutter Anne Boleyn ja gerade wegen
Ehebruchs hingerichtet worden sei. Nun schreitet Shrewsbury ein und
gibt seinem Ärger über den Wutausbruch Maria Stuarts offen Ausdruck.
Doch diese versteigt sich in ihrer Wut sogar noch dazu, selbst – wenn
auch nur bildhaft – Morddrohungen gegen Elisabeth auszusprechen. Als
Shrewsbury und Leicester intervenieren, um Elisabeth von dem Ort
wegzuführen, gipfelt die Begegnung in der offenen Kampfansage Marias
an Elisabeth, die von ihr als Bastard verhöhnt wird. Während Maria ihr
hinterher ruft, sie selbst sei die rechtmäßige Königin, verlässt
Elisabeth mit ihren völlig bestürzten Begleitern die Szenerie.
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