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Textauswahl zur Rezeptionsgeschichte

Christian Friedrich Thimme: »Haben wir je einen teutschen Shakespear zu erwarten, so ist es dieser« - (21.7.1781)

Friedrich Schiller (1759-1805): Die Räuber

 
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Christian Friedrich Thimme (1752-1788), ein Privatgelehrter und Romanautor, hat in der "Erfurtischen Gelehrten Zeitung“ (24, Juli 1781) die erste Rezension der Räuber verfasst, Besonders vielsprechend an dem jungen Autor erschien ihm dessen "volle bühende Sprache" mit ihrem "Feuer im Ausdruck und Wortfügung Ideengang", sein "rascher Ideengang" und "küne fortreisende Fantasie". Diese Vorzüge qualifizierten ihn, trotz aller möglichen Einwände, in seinen Augen zum möglichen "teutschen Shakespar", vorausgesetzt er werde bestimmte Elemente, mit denen er über das Ziel, gesellschaftliche und literarische Konventionen und Erwartungen des Publikums hinausgeschossen sei, noch in seinem weiteren Schaffen korrigieren und sich dabei mehr anGotthold Ephraim Lessings (1729 - 1781) dramatischem Schaffen als an »Johann Wolfgang von Goethes (1749-1831) Drama »Götz von Berlichingen (1774 uraufgeführt) orientieren.

"Eine Erscheinung, die sich unter der unübersehbaren Menge ähnlicher Sächelchen 1 gar sehr auszeichnet, wahrscheinlich noch fortdauern wird, wenn jene schon in ihr Nichts wieder zurückgegangen sind, noch ehe sie anfingen, recht zu leben. Ich glaube, dass sie um deswillen unsere besondere Aufmerksamkeit verdient. Volle blühende Sprache, Feuer im Ausdruck und Wortfügung, rascher Ideengang, küne fortreisende Fantasie, einige hingeworfene, nicht genug überdachte Ausdrüke, poetische Deklamazionen2, und eine Neigung nicht gern einen glänzenden Gedanken zu unterdrücken, sondern alles zu sagen, was gesagt werden kann, alles das karakterisirt den Verfasser als einen jungen Mann, der bei raschem Kreislauf des Bluts und einer fortreisenden Einbildungskraft, ein warmes Herz voll Gefül und Drang für die gute Sache hat. Haben wir einen teutschen Shakespear3 zu erwarten, so ist es dieser. Aber eben diese grose Hofnung berechtiget uns auch zu gröseren Forderungen, als die Alltagskost für unsere gewönliche Kraftmänner, und süse Geisterchen. In derVorrede4 sagt der Verfasser, daß er sein Werk nicht nicht als Schauspiel nach den Regeln des Aristoteles5 und Batteux6 , sondern als dramatisierte Geschichte beurteilt wissen will. [...] Die Regeln des Arist. sind keine Grillen eines müsigen Kunstrichters, sie sind von den besten Stüken des Altertums abgezogen, und in der Natur der Sache, in der Natur unserer Empfindung gegründet. [...] Allein die Zumutung, in drey Stunden mit meinem Helden einen Zeitraum von Jahren zu durchlaufen, in einer Zeitfolge von Augenbliken die Sitten der Handlungen eines halben Menschenalters zu durchschauen, die Widersprüche nicht zu bemerken, mit der Leichtigkeit des Dichters über die Lüken hinwegzuschlüpfen, angewurzelt auf dem Raum eines Quadratschuhes, Städte zu durchwandern, und auf dem Zaubermantel der Fantasie im Hui über Länder zu fliegen, ohne eine Fuszehe zu rühren, ohne unwillig zu fragen, wie hängt das zusammen? wie ging das zu? was ging hier vor? Kurz, nur um mich zu täuschen, meine Fantasie zu jagen, meinen Verstand zu betäuben, und meine Sinnen Lügen zu strafen; wär diese Zumutung weniger widersinnig? Ich weis es wol, daß es zum beliebten Scheniewesen7 gehört, auf Regeln aus Schulgeschwätz zu schimpfen, Aristoteles und Batteux für Dummköpfe zu halten, über Stock und Stein zu springen und Zaun und Heken niederzutreten. Aber ich weis auch, daß wir nur noch kurze Zeit so fortfahren dürfen, um alles, was die besten Köpfe seit jahrhunderten gebaut haben, niederzureisen, und mit Sturm und Drang, Sing und Sang in das beliebte Zeitalter der Gothen8 zurückzukehren. Jedoch zu diesen wütenden Kraftschenies gehört unser Verfasser noch nicht, und ich hoffe, daß er sich mit dem Aristoteles noch aussöhne, und uns Meisterstücke der Kunst liefern wird, die mit Shakespears so oft schon nachgeäften, aber bis itzt noch unerreichten Schönheiten prangen, ohne durch seine Ausschweifungen verunstaltet zu werden, zu entkräften. Man lese selbst, und es wird die Mühe reichlich belonen. Die Karaktere sind gröstenteils meisterhaft geschildert, kün angelegt, und treu ausgeführt, vorzüglich Karl Moors Karakter, der ein wahres Meisterstück ist. Franzens kurze Erzählung in der ersten Szene. [...], lässt uns mit einem Blik die Geschichte der Kindheit der ungleichen Brüder übersehen, und aus den verschiedenen Anlagen begreifen, daß jeder unter solchen Umständen das werden muste, was er wurde. Franz, der schleichende heuchlerische Bösewicht, und Karl, der seltne grose Mann, der unter andern Verbindungen die Bewunderung der Völker gewesen wäre, den man aber auch itzt als Mörder und Räuber, indem man seine Schadtaten hasst und verabscheut, noch bewundern, bedauern und lieben mus. Bis an das Ende bleibt er sich gleich; gleich gros, gleich liebens- und gleich verabscheungswürdig. Keine seiner auserordentlichen Handlungen kömt ganz unerwartet, oder, ist unbegreiflich. Alles ist so angelegt, so zwischen Ursache und Wirkung verbunden, daß es nicht anders kommen konnte. Das gilt auch von Franzens Handlungen. Dessen Karakter ist nicht so schwer, weil er nicht so zusammengesetzt ist. Er ist blos abscheulich, bleibt sich aber auch immer gleich. Ob es aber - was der Verfasser auch in seiner Vorrede, mit sehr viel Zuversicht zu sich selbst, vom • Pöbel9 und von den • Abderiten10 sagen mang - ob es ein so gänzliches Ungeheuer in der Natur giebt: das ist eine andere Frage. Er eifert ja selbst wider die Aufstellung der Ideale, und ich möchte mir doch zeigen lassen, welcher unter den alten oder neuen Dichtern es gewagt hätte, sein so vollkommenes Ideal eines menschlichen Ungeheuers aufzustellen. Man legt schon lange Richardson11 seinen Lovelace12 zur Last: und Lovelace ist doch gewis ein Heiliger gegen Franzen. War es nicht möglich, daß der Verfasser ihm alle zur Karakteristik des Stücks nöthige Hauptzüge lies, und doch einige andere Züge hineinwebte, die ihn der wirklichen Menschennatur, die nie so ganz, so ununterbrochen bös ist, näher gebracht hätten? Übrigens bleibt auch dieser Karakter bis an das Ende sich treu. Auch seine Verzweiflung und Gewissensangst gehören nothwendig dazu: denn seine niedrig boshafte Seele war zu klein, um auch in der Bosheit heldenmäsig zu verharren. Was wir von Amalien sehen, ist gut, ist sehr schön: aber mich dünkt, wir sehen zu wenig von ihr. Eine solche Hauptperson solte mehr ausgezeichnet, mehr in das hellste Licht gestellt, von mehreren Seiten gezeigt sein! und das hätte leicht geschehen können, wenn einige ganz überflüssige Nebenpersonen ganz weggeblieben wären. Dazu gehören die meisten der Räuber. Wozu die ganze Rotte? zu nichts, als das ganze Stük hier und da langweilig zu machen, und einige sehr widrige Szenen aufzuführen. Schweizer und Spiegelberg konten bleiben; dieser, um die Maschine in Bewegung zu setzen, wozu Moor für sich unfähig war; und jener, um ein würdiger Vertrauter Moors, und ein Werkzeug seine edeln Sache zu sein. Der alte Moor ist ein guter zärtlicher Vater, aber ein schwacher Mann, und als dieser spielt er seine Rolle gut. Aber in Herrmanns Karakter kan ich mich nicht finden. Er ist boshaft und rachgierig genug, um sich von Franzen zum Werkzeug der abscheulichen Schandthaten brauchen zu lassen, und unmittelbar darauf, ohne weitere Veranlassung, der gutherzige Retter der Leidenden. Zum ersten ist hinlänglicher Grund und Veranlassung da; zum letzten nicht. Der alte Daniel ist danz überflüssig; denn zu Franzens Vertrauten schikt er sich durchaus nicht. Wie war es möglich, das ein so listiger Böswicht, wie Franz, einen so alten einfältigen frommen Manne so bedenkliche Auträge geben konnte? Das ist offenbar Widerspruch. Warum wählt er nicht auch hierzu den Herrmann? Herrmann hatte ihm blutige Rache gelobt; itzt war es Zeit, Gebrauch davon zu machen. Das war natürlich, und der Leser wurde einiger langweiliger Szenen zwischen Daniel und Franz, und Daniel und Karl überhoben. Besonders ist die Wiedererkennungsszene zwischen den letzten beiden, und Daniels Kindererzählung, mehr als langweilig, zumal zu einer Zeit, wo es von Karls Fassung nicht zu erwarten war, daß er Gedult genug haben konte, das einfältige Gewäsche des kindischen Alten so gelassen anzuhören. Franzens Monolog [...], wo er seine Bosheit zu bemänteln sucht, scheint eine Nachamung des schönen Edmundischen Monologs13 im Lear14 zu sein, da er seinen Vater behorcht hat. Er würde ebenso thun, und noch meisterhafter sein, wenn er kürzer wär, allein er ist gare zu lang gerathen. Eben das gilt von der Szene von S. 20 an. Spiegelbergs Erzählungen sind nicht nur überflüssig und langweilig, sondern auch ekelhaft. Wer mag eine so weitläufige Relazion15 läppischer Studentenstreiche mit anhören? Die Szene sollte wenigstens um die Hälfte abgekürzt seyn, und sie wäre noch immer mehr als hinlänglich, den grosen Entschluß nach und nach reifen zu lassen. Moors Verzweifelung und wütender Schmerz, und ein flüchtiger Einfall von Spiegelberg waren hinreichende Triebfedern, mithin der gröste Teil des unbedeutenden Gewäsches der Übrigen überflüssig. Moors Verzweiflung von S. 39 an ist vortrefflich, fürchterlich schön. Shakespear läßt seinen Lear nicht rührender, nicht fürchterlicher rasen. Die erste Szene des zweiten Akts ist herrlich, und Franzens Überredung Herrmanns ein Meisterstück der Kunst. Die dritte Szene ist zu gedehnt, und das Räubergeschwätz ekelhaft. Spiegelbergs Erzälung hat keine Verbindung mit dem Stük, und die Geschichte mit dem Nonnenkloster ist zu schändlich, ist beleidigend. Überhaupt solte der Verfasser hier und da mehr über sich wachen, damit ihm nicht zuweilen Ausdrücke entwischten, die jedem zärtlichen Ohr beleidigend seyn müssen. Ich mag sie nicht auszeichnen, um nicht denselben Fehler zu begehen. So bedient er sich einiger Provinzialausdrüke16, die an einigen Orten Teutschlands ganz unverständlich sind, z. E. Weidenstoz, Aufstreich, jolen, zettern, bretteln etc. So ist sein Wiz zuweilen gesucht, und abenteuerlich. [...] Moor's Reue über das Unglück, der durch ihn angezündeten Stadt ist rührend. [...] Kossinki's Anwerbung ist Episode, die mit dem Stük in gar keiner Verbindung steht, aber um Karls willen mir so reizend, daß ich ganze Bände dafür hingebe. Sie Szene von Moors Zusammenkunft mit Amalien ist hinreisend schön. Das Räuberlied in der fünften Szene des vierten Akts und ein Teil ihrer Unterhaltung hätte wol wegbleiben können. Aber der darauf folgende Monolog Moors: Glaubt ihr, ich werde zittern? Geister meiner Erwürgten! ich werde nicht zittern etc. Warum hat ein Perillus einen Ochsen aus mir gemacht, daß die Menschheit in meinem glühenden Bauche bratet? Und: "Zeit und Ewigkeit - gekettet an ein ander durch ein einzig Moment! Grauser Schlüssel, der das Gefängniß des Lebens hinter mir schliest, und vor mir aufriegelt die Behausung der ewigen Nacht - sage mir etc." Kaum kan ich mich enthalten die ganze Stelle abzuschreiben, sie ist sicher so schön, wo nicht schöner noch als, Hamlets17 berühmter Monolog vom Sein und Nichtsein18. Doch ich müste beinahe das ganze Stück ausschreiben, wenn ich alle vortrefliche Stellen anmerken wolte. Die Szene, wo Moor seinen Vater entdekt, und Rache schwört, ist fürchterlich. - Im fünften Akt gefällt mir bei Franzens Verzweiflung sein Traum nicht; denn ich glaube kein Drama, sondern einige Kapitel aus der Offenbarung Johannis19 zu lesen; völlig derselbe Ton. Pastor Moser ist auch eine überflüssige Person: denn sein Besuch bewirkt nichts. Er bringt nicht die mindeste Veränderung in dem Gemütszustand des Verzweifelnden hervor: was soll er also? Seine Unterhaltung selbst macht uns keinen sonderlichen Begrif von ihm, da er weder den Menschenkenner, noch den Menschenfreund, noch den Philosophen, sondern den im ungewönlichen Alltagston donnernden Gesezprediger macht. Amaliens Ermordung scheint mir ruhig vollzogen zu werden; und das Ende der ganzen Szene sollte wol überhaupt mehr zusammengedrängt, und kürzer abgebrochen werden, um den Leser nicht vor dem Ende schon erkalten zu lassen. - Ich bin weitläuftig gewesen: aber ich glaube, eine so seltne Erscheinung im dramatischen Fach verdient es. Ein Verfasser, dessen erstes Produkt sich schon so sehr auszeichnet, mus, wenn er aufmerksam auf sich ist, und die Bemerkungen kunstverständiger Freunde benutzt, mit Riesenschritten zu Vollkommenheit fortschreiten, und das Publikum zu grosen Erwartungen berechtigen. Nur wünschte ich noch, daß er beidem Studio Shakespears weniger den Göz20, als Lessings Werke21 studiren mögte, da das Feuer seines Genies ohnehin mehr eines Zügels als der Sporn bedarf. "

(aus: Grawe 1976/2002, S.174-179, mit Anmerkungen und Links versehen Gert Egle)

Wort- und Sacherklärungen:

1 Sächelchen: Diminutiv (Verkleinerung) für Sache
2 Deklamazionen: »Deklamation in der Antike Übungsreden, durch die sich die angehenden Redner im Rhetorikunterricht ausbildeten. Im heutigen Sinne bedeutet deklamieren so viel wie kunstvoll dichterische Texte vortragen (zu rezitieren), auch: eine überzeugende Rede halten.
„Deklamation“ wird auch abwertend gebraucht, im Sinne theatralischer Überbetonung.
3 teutschen Shakespeare: »William Shakespeare (1564 -1616) englischer Dichter und einer der bedeutendsten Dramatiker der Weltliteratur;
4 Vorrede: • Vorrede: Schiller hat verschiedene Vorreden für die unterschiedlichen Fassungen seines Dramas verfasst. Hier bezieht sich der Autor auf die Vorrede der Schauspielfassung.
5 »Aristoteles (* 384 - 322 v. Chr) gehört zu den bekanntesten und einflussreichsten Philosophen;  Begründer zahlreicher Disziplinen und maßgeblich Einfluss auf etliche andere, darunter Wissenschaftstheorie, Logik, Biologie, Physik, Ethik, Dichtungstheorie und Staatslehre. Aus seinem Gedankengut entwickelte sich der »Aristotelismus; seine Theorie der Dichtung, niedergelegt in seinem unvollendeten Werk "Poetik" (altgriechisch ποιητική [τέχνη] poiêtikê) befasst er sich mit der Dichtkunst im Allgemeinen und ihren Gattungen. Für die dramatische Gattung, insbesondere die Tragödie, wurden aus der "Poetik" u. a. die Lehre von den drei Einheiten abgleitet, wonach die Tragödie an einem Tag (Einheit der Zeit), an einem Ort (Einheit des Ortes) und konzentriert auf eine einzige Haupthandlung (Einheit der Handlung) zu gestalten ist.
6 »Charles Batteux (* 6. Mai 1713 in Alland'huy bei »Vouziers, »Ardennes; † 14. Juli 1780 in »Paris), 1750 Professor der Rhetorik und »Humaniora, später der griechischen und römischen Philosophie am »Collège Royal zu Paris, 1754 Mitglied der »Akademie der Inschriften und schönen Künste und 1761 der »Académie française; Begründer einer französischen Kunstphilosophie, die die Grundsätze der »französischen Klassik als überwunden betrachtete; Künstler sollten sich seiner Meinung nach nicht an der Kunst, sondern an der Natur orientieren. Sie sollten nicht in erster Linie die klassischen Werke nachbilden, sondern das wirkliche Leben (und damit auch etwa die kreatürlichen Äußerungen der Menschen, die in der Klassik verpönt waren). Diese Ansicht rechtfertigte Batteux durch seine Auslegung der Poetik des »Aristoteles (vgl. Anm. 4): "Ahme die Natur nach“. Aus diesem Grunde forderte er auch die strikte Einhaltung der Einheiten des Dramas, wie sie von Aristoteles abgeleitet wurden. Damit ebnete Batteux den Weg für zahlreiche Künstler und Intellektuelle, die sich von den autoritären Vorstellungen des französischen »Absolutismus lösen wollten, allen voran »Jean-Jacques Rousseau mit seinem Leitsatz "Zurück zur Natur“.
7 Scheniewesen: Genie: Modewort der • Literaturepoche des • Sturm und Drang (1760-1785) die auch Geniezeit genannt wird; in diesem Zusammenhang wird unter Genie eine angeborene originale Schöpferkraft verstanden, die sich selbst Begrenzungen und Regeln setzt
8 Zeitalter der Gothen: »Goten: ostgermanisches Volk, das seit dem 3. Jahrhundert mehrfach in militärische Konflikte mit den Römern verwickelt war. Während der »Völkerwanderungszeit bildeten zunächst die West- und dann die Ostgoten eigene Reiche auf dem Boden des »Imperium Romanum, die ihrerseits 711 bzw. 552 untergingen.
9 Pöbel: In Schillers Vorrede ist der Begriff möglicherweise eine Anspielung auf eine Satire »Christoph Martin Wielands (1773-1813), in der er die Oberflächlichkeit des Theaterpublikums verspottet hatte. Diese hatte insbesondere in Mannheim für Ärger gesorgt, weil man sich von dieser Kritik direkt angesprochen sah. In dieser Satire hatte sich Wieland darüber mokiert, dass das Publikum an Frisuren und Kostümen der Schauspieler und Schauspielerinnen herumnörgle, sich aber um den Gehalt eines Theaterstücks keine Gedanken mache. Als Dichter, Übersetzer und Herausgeber verschiedener Zeitschriften war er neben »Gotthold Ephraim Lessing, »Georg Christoph Lichtenberg und »Immanuel Kant – der bedeutendste Schriftsteller der Aufklärung im deutschen Sprachgebiet und der Älteste des klassischen »Viergestirns von Weimar, zudem außer ihm »Johann Gottfried Herder, »Johann Wolfgang Goethe und »Friedrich Schiller zählten.
10 Abderiten: Abdera: (griechisch Ἄβδηρα) antiker griechischer Stadtstaat (»Polis) an der »thrakischen Küste zum »Ägäischen Meer als deren Gründer in der Mythologie häufig »Herakles genannt; der Name Abdera leitet sich vom Heros Abderos ab; Abdera war von Beginn an demokratisch organisiert, besaß einen Rat, eine Volksversammlung und eine gut funktionierende Verwaltung; obwohl Heimatstadt berühmter griechischer Philosophen, darunter »Demokrit und »Protagoras und Wohnort des Dichters »Anakreon von »Teos, hatten die Bewohner der Stadt, die »Abderiten, einen Ruf vergleichbar dem von kleinbürgerlichen »Schildbürgern. Wer als "Abderit“ bezeichnet wurde, galt in der Antike als einfältiger Mensch. Analog dazu bezeichnet man Schildbürgertum auch mit dem Begriff Abderitismus. In Anspielung darauf lässt Christoph Martin Wieland (1773-1813) seinen satirischen Roman »Die Abderiten (1774) in Abdera spielen und stellt darin die typisierte Narrheit der Abderiten als menschliche Grundkonstante dar, die zu allen Zeiten an allen Orten zu finden, gleichsam kosmopolitisch ist.
11 Richardson: »Samuel Richardson (1689-1761), ein britischer Schriftsteller, der vor allem für seine »empfindsamen Tugendromane bekannt ist.
12 Lovelace: Figur aus dem Roman »"Clarissa" (1748) von »Samuel Richardson (1689-1761); Lovelace ist ein »Libertin Freidenker oder »Freigeist)
13 Edmundischen Monologs: Edmund ist eine Figur aus »William Shakespeares (1564-1616) Drama »König Lear. Er ist im Gegensatz zu seinem Bruder Edgar ein illegitimer Sohn des Grafen von Gloucester. Edmund intrigiert gegen Edgar, so dass dieser gezwungen ist zu fliehen muss In der 2. Szene des 1.Aktes offenbart Edmund in einem Monolog seine Pläne, die durch uneheliche Geburt erfahrenen Demütigungen zu rächen, indem er sich an das ganzen Erbe seines Vaters durch eine Intrige bringt. Dazu hat er einen gefälschten Brief seines Bruders verfasst, in dem dieser scheinbar seine Pläne verrät, den Vater zu entmündigen. Gloucester ist maßlos wütend über den vermeintlichen Verrat seines ehelichen Sohnes und beauftragt Edmund, ihn zu suchen. Wieder allein macht sich Edmund über den astrologischen Aberglauben seines Vaters lustig. Als Edgar auftritt, bringt er ihn unter Vorwänden dazu, zu fliehen, sich zu bewaffnen und damit den Beweis für seine Schuld zu liefern. In einem kurzen Schlussmonolog teilt Edmund dem Publikum seine »machiavellistische Einstellung mit ("Was mir Geburtsrecht wehrt, schafft mein Verstand: Recht jedes Mittel, wird's zum Zweck verwandt.“).
14 Lear: Das Schauspiel »König Lear von »William Shakespeare (1564-1616) handelt vom Schicksal Lears und seiner Töchter, die in den gewaltsamen Wirren einer Reichsteilung zu Tode kommen. Das Werk ist vermutlich um das Jahr 1606 entstanden.Die erste deutsche Übersetzung ist »Christoph Martin Wieland (1733-1813) 1762 erschienene Prosaversion. Die deutsche Erstaufführung fand 1778 in Hamburg unter der Regie von »Friedrich Ludwig Schröder (1744-1816) statt.
15 Relazion: hier wohl im Sinne der ursprünglichen lat. Bedeutung des Wortes Bericht(erstattung)
16 Provinzialausdrüke: Ausdrücke mit • dialektaler Färbung
17 Hamlet: »Hamlet (1601/02), Schauspiel von »William Shakespeare (1564-1616)
18 Monolog vom Sein und Nichtsein: »Sein oder Nichtsein das ist hier die Frage (engl. To be, or not to be, that is the question) Zitat aus dem Schauspiel »Hamlet (1601/02) von »William Shakespeare (1564-1616) (3.Aufzug, 3. Szene) In dem Stück beginnt der Protagonist Hamlet mit diesem Satz einen Monolog, in dem er darüber nachdenkt, dass er vor entschlossenem Handeln Scheu hat, weil er trotz seiner Todessehnsucht und seines Weltschmerzes Angst vor dem Tod hat. Die Zerrissenheit der Figur wird in diesem Monolog, der weder der emotionalen Tragik noch des philosophischen Tiefgangs entbehrt, deutlich.
19 Offenbarung Johannis: »Offenbarung des Johannes oder die Apokalypse  ist das letzte Buch des Neuen Testaments. Es ist das einzige prophetische Buch des christlichen »Neuen Testaments und wurde für unterdrückte Christen eine Trost- und Hoffnungsschrift während der »Christenverfolgungen im Römischen Reich. Darin richtet sich der Verfasser »Johannes als Ich-Erzähler in Form eines Briefes zunächst in den »Sieben Sendschreiben innerhalb der Offenbarung an sieben Gemeinden in »Kleinasien im östlichen Hinterland von »Ephesus.
20 Göz: »Götz von Berlichingen (1774 uraufgeführt)  Drama von »Johann Wolfgang von Goethe (1749-1831) Gerade Goethes "Initialstück für die Rebellion der jungen Dichtergeneration" (Brauneck 2012, S.236), das als eines der Hauptwerke der • Literaturepoche des Sturm und Drang (1760-1785) gilt und nach seiner Veröffentlichung im Selbstverlag im Frühjahr 1773 quasi über Nacht das Lesepublikum in Deutschland erobert (vgl. Safranski 2013, S.115), stellt sich gegen die aristotelischen Theaterkonventionen. Über die normative Regelpoetik mit ihrer Lehre von den drei Einheiten setzte sich Goethe mit seinen über fünfzig Handlungsorten, der über mehrere Tage gespannten Handlungszeit und die zum Teil parallel verlaufenden Handlungen) kurzerhand hinweg und setzte damit in der deutschsprachigen Literatur neue Maßstäbe mit seiner "Dramaturgie der rasanten Ortswechsel, der epischen Ausdehnung und gewagten Handlungssprünge" (Alt 22004, Bd. I, S.259 gesetzt.
21 Lessings Werke: • Gotthold Ephraim Lessing (1729 - 1781) hatte sich zwar auch gegen eine mechanistische Anwendung der Prinzipien der normativen Regelpoetik (• Lehre von den drei Einheiten) ausgesprochen Prinzipien, hielt sich allerdings bei eigenen Stücken wie dem »bürgerlichen Lustspiel »"Minna von Barnhelm" (1767) oder dem »bürgerlichen Trauerspiel »"Emilia Galotti" (1772) noch weitgehend daran. So wie er aber auf der "Bühne den Helden von gleichem Schrot und Korn wie wir" forderte, so wünschte er "anstelle der äußeren, oft politischen Verwicklungen, der jähen Glückswechsel und Katastrophen der älteren Tragödie (...) eine weniger weit ausladende als gefühlsintensive Handlung, die psychologisch feinmaschig aus den Figuren herausgesponnen ist und die Welt als in sich sinnhaltig erweist. Statt der theatralischen Komprimierung unter dem Gesetz der Einheiten des Ortes und der Zeit, das dem Theaterstück nur einen Ort und die Zeitspanne eines Tages zuweist und es in einen festlichen Raum des Überall und Nirgend erhebt, soll sich das Drama, wenn auch konzentriert, so dich frei und milieugerecht aus seinen räumlichen und zeitlichen Voraussetzungen entwickeln. Zielt das höfische Drama auf Repräsentation, Stilisierung, Überhöhung der Natur, so verlangt Lessing Wahrheit, Menschlichkeit, Ausdruck der Natur." (Kaiser 1976b/62007, S.124f.

(Quelle der Wort- und Sacherklärungen überwiegend mit Hilfe von www.wikipedia.de - mit "»" gekennzeichnete Begriffe verweisen auf die entsprechenden Seiten der Internet-Enzyklopädie.)

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 Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 03.11.2023

    
   Arbeitsanregungen:
  1. Arbeiten Sie heraus, was der Rezensent als besonders positiv an Schillers Drama "Die Räuber" hervorhebt.

  2. Welche Kritikpunkte sind ihm wichtig?

  3. Verfassen Sie eine Antwort aus der Sicht Schillers, in der Sie sich gegen diese Kritik verwehren. Ziehen Sie dazu Schillers Vorrede und seine Selbstrezension des Dramas im  "Wirtembergischen Repertorium"1782 heran.

 
   
 

 
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