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Christian Friedrich Thimme (1752-1788),
ein Privatgelehrter und Romanautor, hat in der "Erfurtischen
Gelehrten Zeitung“ (24, Juli 1781) die erste Rezension der Räuber
verfasst, Besonders vielsprechend an dem jungen Autor erschien ihm
dessen "volle bühende Sprache" mit
ihrem "Feuer im Ausdruck und
Wortfügung Ideengang", sein "rascher
Ideengang" und "küne
fortreisende Fantasie". Diese Vorzüge qualifizierten ihn, trotz
aller möglichen Einwände, in seinen Augen zum möglichen "teutschen
Shakespar", vorausgesetzt er werde bestimmte Elemente, mit denen er
über das Ziel, gesellschaftliche und literarische Konventionen und
Erwartungen des Publikums hinausgeschossen sei, noch
in seinem weiteren Schaffen korrigieren und
sich dabei mehr an •
Gotthold
Ephraim Lessings (1729 - 1781)
•
dramatischem Schaffen als an »Johann
Wolfgang von Goethes (1749-1831) Drama »Götz
von Berlichingen (1774 uraufgeführt) orientieren.
"Eine Erscheinung, die sich unter der unübersehbaren Menge ähnlicher Sächelchen
1 gar sehr auszeichnet, wahrscheinlich noch fortdauern wird,
wenn jene schon in ihr Nichts wieder zurückgegangen sind, noch ehe sie
anfingen, recht zu leben. Ich glaube, dass sie um deswillen unsere
besondere Aufmerksamkeit verdient. Volle blühende Sprache,
Feuer im
Ausdruck und Wortfügung, rascher Ideengang,
küne fortreisende Fantasie,
einige hingeworfene, nicht genug überdachte Ausdrüke, poetische
Deklamazionen2, und eine Neigung nicht gern einen glänzenden Gedanken zu
unterdrücken, sondern alles zu sagen, was gesagt werden kann, alles das karakterisirt den Verfasser als einen jungen Mann, der bei raschem
Kreislauf des Bluts und einer fortreisenden Einbildungskraft,
ein warmes
Herz voll Gefül und Drang für die gute Sache hat. Haben wir einen
teutschen Shakespear3
zu erwarten, so ist es dieser. Aber
eben diese grose Hofnung berechtiget uns auch zu gröseren Forderungen,
als die Alltagskost für unsere gewönliche Kraftmänner, und süse
Geisterchen. In der •
Vorrede4 sagt der Verfasser, daß er sein Werk nicht
nicht als Schauspiel nach den Regeln des
Aristoteles5 und
Batteux6
,
sondern als dramatisierte Geschichte beurteilt wissen will. [...] Die
Regeln des Arist. sind keine Grillen eines müsigen Kunstrichters, sie
sind von den besten Stüken des Altertums abgezogen, und
in der Natur der
Sache, in der Natur unserer Empfindung gegründet. [...] Allein die
Zumutung, in drey Stunden mit meinem Helden einen
Zeitraum
von Jahren zu durchlaufen, in einer Zeitfolge von Augenbliken die Sitten
der Handlungen eines halben Menschenalters zu durchschauen, die
Widersprüche nicht zu bemerken, mit der Leichtigkeit des Dichters über
die Lüken hinwegzuschlüpfen,
angewurzelt auf dem Raum eines
Quadratschuhes, Städte zu durchwandern, und auf dem Zaubermantel der
Fantasie im Hui über Länder zu fliegen, ohne eine Fuszehe zu rühren,
ohne unwillig zu fragen, wie hängt das zusammen? wie ging das zu? was
ging hier vor? Kurz, nur um mich zu täuschen, meine Fantasie zu jagen,
meinen Verstand zu betäuben, und meine Sinnen Lügen zu strafen; wär
diese Zumutung weniger widersinnig? Ich weis
es wol, daß es zum beliebten Scheniewesen7 gehört, auf Regeln aus
Schulgeschwätz zu schimpfen, Aristoteles und Batteux für Dummköpfe zu
halten, über Stock und Stein zu springen und Zaun und Heken
niederzutreten. Aber ich weis auch, daß wir nur noch kurze Zeit so
fortfahren dürfen, um alles, was die besten Köpfe seit jahrhunderten
gebaut haben, niederzureisen, und mit Sturm und Drang, Sing und Sang in
das beliebte Zeitalter der Gothen8 zurückzukehren. Jedoch zu diesen
wütenden Kraftschenies gehört unser Verfasser noch nicht, und
ich hoffe, daß er sich mit dem Aristoteles noch aussöhne, und uns Meisterstücke der
Kunst liefern wird, die mit Shakespears so oft schon nachgeäften, aber
bis itzt noch unerreichten Schönheiten prangen, ohne durch seine
Ausschweifungen verunstaltet zu werden, zu entkräften. Man lese selbst,
und es wird die Mühe reichlich belonen. Die
Karaktere sind gröstenteils
meisterhaft geschildert, kün angelegt, und treu ausgeführt, vorzüglich
Karl Moors Karakter, der ein wahres Meisterstück ist.
Franzens kurze
Erzählung in der ersten Szene. [...], lässt uns mit einem Blik die
Geschichte der Kindheit der ungleichen Brüder übersehen, und aus den
verschiedenen Anlagen begreifen, daß jeder unter solchen Umständen das
werden muste, was er wurde.
Franz, der schleichende heuchlerische
Bösewicht, und Karl, der seltne grose Mann, der unter andern
Verbindungen die Bewunderung der Völker gewesen wäre, den man aber auch itzt
als Mörder und Räuber, indem man seine Schadtaten hasst und
verabscheut, noch bewundern, bedauern und lieben mus.
Bis an das Ende
bleibt er sich gleich; gleich gros, gleich liebens- und gleich verabscheungswürdig. Keine seiner auserordentlichen Handlungen kömt ganz
unerwartet, oder, ist unbegreiflich.
Alles ist so angelegt, so zwischen
Ursache und Wirkung verbunden, daß es nicht anders kommen konnte. Das
gilt auch von Franzens Handlungen. Dessen Karakter ist nicht so schwer,
weil er nicht so zusammengesetzt ist. Er ist blos abscheulich, bleibt
sich aber auch immer gleich. Ob es aber - was der Verfasser auch in
seiner Vorrede, mit sehr viel Zuversicht zu sich selbst, vom •
Pöbel9 und
von den • Abderiten10 sagen mang - ob es ein so gänzliches Ungeheuer in der
Natur giebt: das ist eine andere Frage. Er eifert ja selbst wider die
Aufstellung der Ideale, und ich möchte mir doch zeigen lassen, welcher
unter den alten oder neuen Dichtern es gewagt hätte,
sein so
vollkommenes Ideal eines menschlichen Ungeheuers aufzustellen. Man legt
schon lange Richardson11 seinen
Lovelace12 zur Last: und
Lovelace ist doch gewis ein Heiliger gegen Franzen. War es nicht möglich, daß der
Verfasser ihm alle zur Karakteristik des Stücks nöthige Hauptzüge lies,
und doch einige andere Züge hineinwebte, die ihn der wirklichen
Menschennatur, die nie so ganz, so ununterbrochen bös ist, näher
gebracht hätten? Übrigens bleibt auch dieser Karakter bis an das Ende
sich treu. Auch seine Verzweiflung und Gewissensangst gehören nothwendig
dazu: denn seine niedrig boshafte Seele war zu klein, um auch in der
Bosheit heldenmäsig zu verharren.
Was wir von Amalien sehen, ist gut,
ist sehr schön: aber mich dünkt,
wir sehen zu wenig von ihr. Eine solche
Hauptperson solte mehr ausgezeichnet, mehr in das hellste Licht
gestellt, von mehreren Seiten gezeigt sein! und das hätte leicht
geschehen können, wenn einige ganz überflüssige Nebenpersonen ganz
weggeblieben wären. Dazu gehören die meisten der Räuber. Wozu die ganze
Rotte? zu nichts, als das ganze Stük hier und da langweilig zu machen,
und einige sehr widrige Szenen aufzuführen.
Schweizer und Spiegelberg konten bleiben; dieser, um die Maschine in Bewegung zu setzen, wozu Moor
für sich unfähig war; und jener, um ein würdiger Vertrauter Moors, und
ein Werkzeug seine edeln Sache zu sein.
Der alte Moor ist ein guter
zärtlicher Vater, aber ein schwacher Mann, und als dieser spielt er
seine Rolle gut. Aber in Herrmanns Karakter kan ich mich nicht finden.
Er ist boshaft und rachgierig genug, um sich von Franzen zum Werkzeug
der abscheulichen Schandthaten brauchen zu lassen, und unmittelbar
darauf, ohne weitere Veranlassung, der gutherzige Retter der Leidenden.
Zum ersten ist hinlänglicher Grund und Veranlassung da; zum letzten
nicht. Der alte Daniel ist danz überflüssig; denn zu Franzens Vertrauten
schikt er sich durchaus nicht. Wie war es möglich, das ein so listiger
Böswicht, wie Franz, einen so alten einfältigen frommen Manne so
bedenkliche Auträge geben konnte? Das ist offenbar Widerspruch. Warum
wählt er nicht auch hierzu den Herrmann? Herrmann hatte ihm blutige
Rache gelobt; itzt war es Zeit, Gebrauch davon zu machen. Das war
natürlich, und der Leser wurde einiger langweiliger Szenen zwischen
Daniel und Franz, und Daniel und Karl überhoben. Besonders ist die
Wiedererkennungsszene zwischen den letzten beiden, und Daniels
Kindererzählung, mehr als langweilig, zumal zu einer Zeit, wo es von
Karls Fassung nicht zu erwarten war, daß er Gedult genug haben konte,
das einfältige Gewäsche des kindischen Alten so gelassen anzuhören.
Franzens Monolog [...], wo er seine Bosheit zu bemänteln sucht, scheint
eine Nachamung des schönen Edmundischen Monologs13 im
Lear14 zu sein, da er
seinen Vater behorcht hat. Er würde ebenso thun, und noch meisterhafter
sein, wenn er kürzer wär, allein er ist gare zu lang gerathen. Eben das
gilt von der Szene von S. 20 an. Spiegelbergs Erzählungen sind
nicht nur
überflüssig und langweilig, sondern auch ekelhaft. Wer mag eine so
weitläufige Relazion15
läppischer Studentenstreiche mit anhören? Die Szene
sollte wenigstens um die Hälfte abgekürzt seyn, und sie wäre noch immer
mehr als hinlänglich, den grosen Entschluß nach und nach reifen zu
lassen. Moors Verzweifelung und wütender Schmerz, und ein flüchtiger
Einfall von Spiegelberg waren hinreichende Triebfedern, mithin der
gröste Teil des unbedeutenden Gewäsches der Übrigen überflüssig. Moors
Verzweiflung von S. 39 an ist vortrefflich, fürchterlich schön.
Shakespear läßt seinen Lear nicht rührender, nicht fürchterlicher rasen.
Die erste Szene des zweiten Akts ist herrlich, und Franzens Überredung
Herrmanns ein Meisterstück der Kunst. Die dritte Szene ist zu gedehnt,
und das Räubergeschwätz ekelhaft.
Spiegelbergs Erzälung hat keine
Verbindung mit dem Stük, und die
Geschichte mit dem Nonnenkloster ist zu
schändlich, ist beleidigend. Überhaupt solte der Verfasser hier und da
mehr über sich wachen, damit ihm nicht zuweilen
Ausdrücke entwischten,
die jedem zärtlichen Ohr beleidigend seyn müssen. Ich mag sie nicht
auszeichnen, um nicht denselben Fehler zu begehen. So bedient er sich
einiger Provinzialausdrüke16, die an einigen Orten Teutschlands ganz
unverständlich sind, z. E. Weidenstoz, Aufstreich, jolen, zettern,
bretteln etc. So ist sein Wiz zuweilen gesucht, und abenteuerlich.
[...]
Moor's Reue über das Unglück, der durch ihn angezündeten Stadt ist
rührend. [...] Kossinki's Anwerbung ist Episode, die mit dem Stük in gar
keiner Verbindung steht, aber um Karls willen mir so reizend, daß ich
ganze Bände dafür hingebe. Sie
Szene von Moors Zusammenkunft mit Amalien
ist hinreisend schön. Das Räuberlied in der fünften Szene des vierten
Akts und ein Teil ihrer Unterhaltung hätte wol wegbleiben können. Aber
der darauf folgende Monolog Moors:
Glaubt ihr, ich werde zittern?
Geister meiner Erwürgten! ich werde nicht zittern etc.
Warum hat ein Perillus einen Ochsen aus mir gemacht, daß die Menschheit in meinem
glühenden Bauche bratet? Und: "Zeit und Ewigkeit - gekettet an ein ander
durch ein einzig Moment! Grauser Schlüssel, der das Gefängniß des Lebens
hinter mir schliest, und vor mir aufriegelt die Behausung der ewigen
Nacht - sage mir etc." Kaum kan ich mich enthalten die ganze Stelle
abzuschreiben, sie ist sicher so schön, wo nicht schöner noch als,
Hamlets17 berühmter
Monolog vom Sein und Nichtsein18. Doch ich müste beinahe
das ganze Stück ausschreiben, wenn ich alle vortrefliche Stellen
anmerken wolte. Die Szene, wo Moor seinen Vater entdekt, und Rache
schwört, ist fürchterlich. - Im fünften Akt gefällt mir bei Franzens
Verzweiflung sein Traum nicht; denn ich glaube kein Drama, sondern
einige Kapitel aus der Offenbarung Johannis19 zu lesen; völlig derselbe
Ton. Pastor Moser ist auch eine überflüssige Person: denn sein Besuch
bewirkt nichts. Er bringt nicht die mindeste Veränderung in dem
Gemütszustand des Verzweifelnden hervor: was soll er also? Seine
Unterhaltung selbst macht uns keinen sonderlichen Begrif von ihm, da er
weder den Menschenkenner, noch den Menschenfreund, noch den Philosophen,
sondern den im ungewönlichen Alltagston donnernden Gesezprediger macht.
Amaliens Ermordung scheint mir ruhig vollzogen zu werden; und das Ende
der ganzen Szene sollte wol überhaupt mehr zusammengedrängt, und kürzer
abgebrochen werden, um den Leser nicht vor dem Ende schon erkalten zu
lassen. - Ich bin weitläuftig gewesen: aber ich glaube, eine so seltne
Erscheinung im dramatischen Fach verdient es. Ein Verfasser, dessen
erstes Produkt sich schon so sehr auszeichnet, mus, wenn er aufmerksam
auf sich ist, und die Bemerkungen kunstverständiger Freunde benutzt, mit
Riesenschritten zu Vollkommenheit fortschreiten, und das Publikum zu
grosen Erwartungen berechtigen. Nur wünschte ich noch, daß er beidem
Studio Shakespears weniger den Göz20, als
Lessings Werke21 studiren mögte,
da das Feuer seines Genies ohnehin mehr eines Zügels als der Sporn
bedarf. " (aus:
Grawe 1976/2002, S.174-179,
mit Anmerkungen und Links versehen Gert Egle)
Wort- und Sacherklärungen:
1
Sächelchen: Diminutiv (Verkleinerung) für
Sache
2
Deklamazionen: »Deklamation
in der Antike Übungsreden, durch die sich
die angehenden Redner im Rhetorikunterricht ausbildeten. Im heutigen
Sinne bedeutet deklamieren so viel wie kunstvoll dichterische Texte
vortragen (zu rezitieren), auch: eine überzeugende Rede halten.
„Deklamation“ wird auch abwertend gebraucht, im Sinne theatralischer
Überbetonung.
3
teutschen
Shakespeare:
»William Shakespeare (1564 -1616)
englischer Dichter und einer der
bedeutendsten Dramatiker der Weltliteratur;
4
• Vorrede: • Vorrede:
Schiller hat verschiedene Vorreden für die unterschiedlichen Fassungen
seines Dramas verfasst. Hier bezieht sich der Autor auf die Vorrede der
Schauspielfassung.
5
»Aristoteles
(* 384 - 322 v. Chr)
gehört zu den bekanntesten und einflussreichsten Philosophen;
Begründer zahlreicher Disziplinen und maßgeblich Einfluss auf etliche
andere, darunter Wissenschaftstheorie, Logik, Biologie, Physik, Ethik,
Dichtungstheorie und Staatslehre. Aus seinem Gedankengut entwickelte
sich der »Aristotelismus;
seine Theorie der Dichtung, niedergelegt in seinem unvollendeten Werk "Poetik"
(altgriechisch ποιητική
[τέχνη] poiêtikê)
befasst er sich mit der Dichtkunst im Allgemeinen und ihren Gattungen.
Für die dramatische Gattung, insbesondere die Tragödie, wurden aus der
"Poetik" u. a. die Lehre von den drei Einheiten abgleitet, wonach die
Tragödie an einem Tag (Einheit der Zeit), an einem Ort (Einheit des
Ortes) und konzentriert auf eine einzige Haupthandlung (Einheit der
Handlung) zu gestalten ist.
6 »Charles
Batteux (* 6. Mai 1713 in Alland'huy bei »Vouziers,
»Ardennes;
† 14. Juli 1780 in »Paris),
1750 Professor der Rhetorik und »Humaniora,
später der griechischen und römischen Philosophie am »Collège
Royal zu Paris, 1754 Mitglied der »Akademie
der Inschriften und schönen Künste und 1761 der »Académie
française;
Begründer einer französischen Kunstphilosophie, die die Grundsätze der »französischen
Klassik als überwunden betrachtete; Künstler sollten sich seiner
Meinung nach nicht an der Kunst, sondern an der Natur orientieren. Sie
sollten nicht in erster Linie die klassischen Werke nachbilden, sondern
das wirkliche Leben (und damit auch etwa die kreatürlichen Äußerungen
der Menschen, die in der Klassik verpönt waren). Diese Ansicht
rechtfertigte Batteux durch seine Auslegung der
Poetik des »Aristoteles
(vgl. Anm. 4): "Ahme die Natur nach“. Aus diesem Grunde forderte er auch
die strikte Einhaltung der Einheiten des Dramas, wie sie von Aristoteles
abgeleitet wurden. Damit ebnete Batteux den Weg für zahlreiche Künstler
und Intellektuelle, die sich von den autoritären Vorstellungen des
französischen »Absolutismus
lösen wollten, allen voran »Jean-Jacques
Rousseau mit seinem Leitsatz "Zurück zur Natur“.
7
Scheniewesen:
Genie: Modewort der •
Literaturepoche des
•
Sturm und Drang (1760-1785) die auch Geniezeit genannt wird; in
diesem Zusammenhang wird unter Genie eine angeborene originale
Schöpferkraft verstanden, die sich selbst Begrenzungen und Regeln setzt
8
Zeitalter der Gothen: »Goten:
ostgermanisches Volk, das seit dem 3. Jahrhundert mehrfach in
militärische Konflikte mit den Römern verwickelt war. Während der »Völkerwanderungszeit
bildeten zunächst die West- und dann die Ostgoten eigene Reiche auf dem
Boden des »Imperium
Romanum, die ihrerseits 711 bzw. 552 untergingen.
9
Pöbel: In Schillers
• Vorrede ist der Begriff möglicherweise
eine Anspielung auf eine
Satire »Christoph
Martin Wielands (1773-1813), in der er die Oberflächlichkeit des
Theaterpublikums verspottet hatte. Diese hatte insbesondere in Mannheim
für Ärger gesorgt, weil man sich von dieser Kritik direkt angesprochen
sah. In dieser Satire hatte sich Wieland darüber mokiert, dass das
Publikum an Frisuren und Kostümen der Schauspieler und Schauspielerinnen
herumnörgle, sich aber um den Gehalt eines Theaterstücks keine Gedanken
mache. Als Dichter, Übersetzer und Herausgeber verschiedener
Zeitschriften war er neben »Gotthold
Ephraim Lessing, »Georg
Christoph Lichtenberg und »Immanuel
Kant – der bedeutendste Schriftsteller der Aufklärung im deutschen
Sprachgebiet und der Älteste des klassischen »Viergestirns
von Weimar, zudem außer ihm »Johann
Gottfried Herder, »Johann
Wolfgang Goethe und »Friedrich
Schiller zählten.
10
Abderiten: Abdera:
(griechisch Ἄβδηρα)
antiker griechischer Stadtstaat (»Polis)
an der »thrakischen
Küste zum »Ägäischen
Meer als deren Gründer in der Mythologie häufig »Herakles
genannt; der Name Abdera leitet sich vom Heros Abderos ab; Abdera war
von Beginn an demokratisch organisiert, besaß einen Rat, eine
Volksversammlung und eine gut funktionierende Verwaltung; obwohl
Heimatstadt berühmter griechischer Philosophen, darunter
»Demokrit
und »Protagoras
und Wohnort des Dichters »Anakreon
von »Teos,
hatten die Bewohner der Stadt, die »Abderiten,
einen Ruf vergleichbar dem von kleinbürgerlichen »Schildbürgern.
Wer als "Abderit“ bezeichnet wurde, galt in der Antike als einfältiger
Mensch. Analog dazu bezeichnet man Schildbürgertum auch mit dem Begriff
Abderitismus. In Anspielung darauf lässt
Christoph Martin Wieland (1773-1813) seinen satirischen Roman
»Die
Abderiten (1774) in Abdera spielen und stellt darin die typisierte
Narrheit der Abderiten als menschliche Grundkonstante dar, die zu allen
Zeiten an allen Orten zu finden, gleichsam kosmopolitisch ist.
11
Richardson: »Samuel
Richardson (1689-1761), ein britischer Schriftsteller, der vor allem
für seine »empfindsamen
Tugendromane bekannt ist.
12
Lovelace: Figur aus dem Roman »"Clarissa"
(1748) von »Samuel
Richardson (1689-1761); Lovelace ist ein »Libertin
(»Freidenker
oder »Freigeist)
13
Edmundischen Monologs: Edmund ist
eine Figur aus
»William Shakespeares (1564-1616)
Drama »König
Lear. Er ist im Gegensatz zu seinem Bruder Edgar ein illegitimer
Sohn des Grafen von Gloucester. Edmund intrigiert gegen Edgar, so dass
dieser gezwungen ist zu fliehen muss In der 2. Szene des 1.Aktes
offenbart Edmund in einem Monolog seine Pläne, die durch
uneheliche Geburt erfahrenen Demütigungen zu rächen, indem er sich an
das ganzen Erbe seines Vaters durch eine Intrige bringt. Dazu hat er
einen gefälschten Brief seines Bruders verfasst, in dem dieser scheinbar
seine Pläne verrät, den Vater zu entmündigen. Gloucester ist maßlos
wütend über den vermeintlichen Verrat seines ehelichen Sohnes und
beauftragt Edmund, ihn zu suchen. Wieder allein macht sich Edmund über
den astrologischen Aberglauben seines Vaters lustig. Als Edgar auftritt,
bringt er ihn unter Vorwänden dazu, zu fliehen, sich zu bewaffnen und
damit den Beweis für seine Schuld zu liefern. In einem kurzen
Schlussmonolog teilt Edmund dem Publikum seine »machiavellistische
Einstellung mit ("Was mir Geburtsrecht wehrt, schafft mein Verstand:
Recht jedes Mittel, wird's zum Zweck verwandt.“).
14
Lear: Das
Schauspiel »König
Lear von
»William Shakespeare (1564-1616)
handelt vom Schicksal Lears und seiner Töchter, die in den gewaltsamen
Wirren einer Reichsteilung zu Tode kommen. Das Werk ist vermutlich um
das Jahr 1606 entstanden.Die erste deutsche Übersetzung ist »Christoph
Martin Wieland (1733-1813) 1762 erschienene Prosaversion. Die
deutsche Erstaufführung fand 1778 in Hamburg unter der Regie von
»Friedrich
Ludwig Schröder (1744-1816) statt.
15
Relazion: hier wohl im Sinne der
ursprünglichen lat. Bedeutung des Wortes Bericht(erstattung)
16
Provinzialausdrüke: Ausdrücke mit •
dialektaler Färbung
17
Hamlet: »Hamlet
(1601/02), Schauspiel von
»William Shakespeare (1564-1616)
18
Monolog vom Sein und
Nichtsein: »Sein
oder Nichtsein das ist hier die Frage (engl. To be, or not to be,
that is the question) Zitat aus dem Schauspiel »Hamlet
(1601/02) von
»William Shakespeare (1564-1616)
(3.Aufzug, 3. Szene) In dem Stück beginnt der Protagonist Hamlet mit
diesem Satz einen Monolog, in dem er darüber nachdenkt, dass er vor
entschlossenem Handeln Scheu hat, weil er trotz seiner Todessehnsucht
und seines Weltschmerzes Angst vor dem Tod hat. Die Zerrissenheit der
Figur wird in diesem Monolog, der weder der emotionalen Tragik noch des
philosophischen Tiefgangs entbehrt, deutlich.
19
Offenbarung Johannis: »Offenbarung
des Johannes oder die Apokalypse ist das letzte Buch des Neuen
Testaments. Es ist das einzige
prophetische Buch des christlichen »Neuen
Testaments und wurde für unterdrückte Christen eine Trost- und
Hoffnungsschrift während der »Christenverfolgungen
im Römischen Reich. Darin richtet sich der Verfasser »Johannes
als Ich-Erzähler in Form eines Briefes zunächst in den »Sieben
Sendschreiben innerhalb der Offenbarung an sieben Gemeinden in »Kleinasien
im östlichen Hinterland von »Ephesus.
20
Göz:
»Götz
von Berlichingen (1774 uraufgeführt) Drama von »Johann
Wolfgang von Goethe (1749-1831)
Gerade Goethes "Initialstück für die Rebellion der jungen
Dichtergeneration" (Brauneck
2012, S.236), das als eines der Hauptwerke der •
Literaturepoche des
Sturm und Drang
(1760-1785) gilt und nach seiner Veröffentlichung im Selbstverlag im
Frühjahr 1773 quasi über Nacht das Lesepublikum in Deutschland erobert
(vgl.
Safranski 2013, S.115), stellt sich gegen die aristotelischen
Theaterkonventionen. Über die normative Regelpoetik mit ihrer •
Lehre von den drei Einheiten
setzte sich Goethe mit seinen über fünfzig Handlungsorten, der über
mehrere Tage gespannten Handlungszeit und die zum Teil parallel
verlaufenden Handlungen) kurzerhand hinweg und setzte damit in der
deutschsprachigen Literatur neue Maßstäbe mit seiner "Dramaturgie der
rasanten Ortswechsel, der epischen Ausdehnung und gewagten
Handlungssprünge" (Alt
22004, Bd. I, S.259 gesetzt.
21
Lessings Werke: •
Gotthold
Ephraim Lessing (1729 - 1781)
hatte sich zwar auch gegen eine mechanistische Anwendung der Prinzipien
der normativen Regelpoetik (•
Lehre von den drei Einheiten)
ausgesprochen Prinzipien, hielt sich allerdings bei eigenen Stücken wie
dem
»bürgerlichen Lustspiel
»"Minna von Barnhelm" (1767) oder dem
»bürgerlichen Trauerspiel
»"Emilia Galotti"
(1772) noch
weitgehend daran. So wie er aber auf der "Bühne den Helden von gleichem
Schrot und Korn wie wir" forderte, so wünschte er "anstelle der äußeren,
oft politischen Verwicklungen, der jähen Glückswechsel und Katastrophen
der älteren Tragödie (...) eine weniger weit ausladende als
gefühlsintensive Handlung, die psychologisch feinmaschig aus den Figuren herausgesponnen ist und die Welt als in sich sinnhaltig erweist. Statt
der theatralischen Komprimierung unter dem Gesetz der Einheiten des
Ortes und der Zeit, das dem Theaterstück nur einen Ort und die
Zeitspanne eines Tages zuweist und es in einen festlichen Raum
des Überall und Nirgend erhebt, soll sich das Drama, wenn auch
konzentriert, so dich frei und milieugerecht aus seinen räumlichen und
zeitlichen Voraussetzungen entwickeln. Zielt das höfische Drama auf
Repräsentation, Stilisierung, Überhöhung der Natur, so verlangt Lessing
Wahrheit, Menschlichkeit, Ausdruck der Natur." (Kaiser
1976b/62007, S.124f.
(Quelle der Wort- und Sacherklärungen überwiegend
mit Hilfe von
www.wikipedia.de - mit "»"
gekennzeichnete Begriffe verweisen auf die entsprechenden Seiten der Internet-Enzyklopädie.)
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pdf-Download Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
03.11.2023
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