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Schiller zu den "Räubern"

Monument Moors des Räubers

Friedrich Schiller (1782)

 
 
 

Vollendet!
Heil dir! Vollendet!
Majestätischer Sünder!
Deine furchtbare Rolle vollbracht.

 

Hoher Gefallener!
Deines Geschlechts Beginner und Ender!
Seltner Sohn ihrer schröcklichsten Laune,
Erhabner Verstoß der Mutter Natur!

 

Durch wolkigte Nacht ein prächtiger Blitz!
Hui! hinter ihm schlagen die Pforten zusammen!
Geizig schlingt ihn der Rachen der Nacht!
Zucken die Völker

Unter seiner verderbenden Pracht!
Aber Heil dir! vollendet!
Majestätischer Sünder!
Deine furchtbare Rolle vollbracht!

 

Modre – verstieb
In der Wiege des offnen Himmels!
Fürchterlich jedem Sünder zur Schau,
Wo dem Thron gegenüber
Heißer Ruhmsucht furchtbare Schranke steigt!
Siehe! der Ewigkeit übergibt dich die Schande!
Zu den Sternen des Ruhms
Klimmst du auf den Schultern der Schande!
Einst wird unter dir auch die Schande zerstieben,
Und dich reicht - die Bewunderung.

 

Nassen Auges an deinem schauernden Grabe
Männer vorüber -
Freue dich der Träne der Männer,
Des Gerichteten Geist!
Nassen Auges an deinem schauernden Grabe
Jüngst ein Mädchen vorüber,
Hörte die furchtbare Kunde
Deiner Taten vom steinernen Herold,
Und das Mädchen - freue dich! freue dich!
Wischte die Träne nicht ab.
Ferne stand ich - sah die Perle fallen,
Und ich rief ihr: Amalia!

 

Jünglinge! Jünglinge!
Mit des Genies gefährlichem Ätherstrahl
Lernt behutsamer spielen.
Störrig knirscht in den Zügel das Sonnenroß,
Wie's am Seile des Meisters
Erd und Himmel in sanfterem Schwunge wiegt,
Flammts am kindischen Zaume
Erd und Himmel in lodernden Brand!
Unterging in den Trümmern
Der muthwillige Phaethon.

 

Kind des himmlischen Genius,
Glühendes, thatenlechzendes Herz!

Reizet dich das Mal meines Räubers?
War wie du glühenden, tatenlechzenden Herzens,
War wie du des himmlischen Genius Kind.
Aber du lächelst und gehst -
Dein Blik durchfliegt den Raum der Weltgeschichte,
Moorn den Räuber findest du nicht -
Steh und lächle nicht, Jüngling!
Seine Sünde lebt - lebt seine Schande,
Räuber Moor nur - ihr Name nicht.

Vom Verfasser der Räuber

(Anthologie auf das Jahr 1782, hg. von Friedrich Schiller,
Tobolsko (= Stuttgart 1782), S.177-180, zit. n. Grawe 1976/2002, S.150-52)

 

 
     
    
   Arbeitsanregungen:
  1. Fassen Sie den Inhalt des Gedichts knapp zusammen.

  2. Arbeiten Sie heraus, wie sich das lyrische Ich zu Moor, dem Räuber, stellt.

  3. Welchen Stellenwert nimmt das Gedicht im Kontext der übrigen Selbstzeugnisse Schillers zu seinem Erstlingsdrama "Die Räuber" ein. - Ziehen Sie dazu vor allem die beiden Vorreden heran. (→Die unterdrückte Vorrede 1781 und →Die Vorrede 1781

  4. Reinhard Buchwald (1959, S.272) betont bei seiner Betrachtung der Ode: "Jetzt, nachdem er [Karl Moor, d. Verf.] vollendet und seine furchtbare Rolle ausgespielt hat, wird er mit Recht von der Schande der Ewigkeit übergeben; einst aber wird die Schande zerstieben, die Bewunderung ihn erreichen, Männer werden nassen Auges an seinem schauernden Grab vorüberziehen. [...]" - Suchen Sie Belege im Text, die diese Aussagen Buchwals stützen.

  5. "So wird denn Moors Geschichte schlechthin als die Tragödie des Genies hingestellt. des großen Menschen, wie er jener Jugendgeneration vor Augen stand". - Versuchen Sie diese These Buchwalds (ebd.) am Text und über den Text hinausgehend zu belegen.

 →Operatorenkatalog des Landes Baden-Württemberg)

 
     
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