docx-Download -
pdf-Download
(Mit dieser Vorrede ersetzte •
Friedrich
Schiller
während der Vorarbeiten zur Drucklegung seines Dramas •"Die
Räuber" seine so genannte • "unterdrückte
Vorrede". die dadurch von im zurückgezogen wurde)
"Man nehme dieses Schauspiel für nichts anders als eine dramatische
Geschichte, die die Vorteile der dramatischen Methode, die Seele
gleichsam bei ihren geheimsten
Operationen1 zu ertappen, benutzt, ohne sich
übrigens in die Schranken eines Theaterstücks einzuzäunen, oder nach dem
so zweifelhaften Gewinn bei theatralischer Verkörperung zu geizen. Man
wird mir einräumen, daß es eine widersinnige Zumutung ist, binnen drei
Stunden drei außerordentliche Menschen zu erschöpfen, deren Tätigkeit
von vielleicht tausend Räderchen abhänget, so wie es in der Natur der
Dinge unmöglich kann gegründet sein, daß sich drei außerordentliche
Menschen auch dem durchdringendsten
Geisterkenner2 innerhalb vierundzwanzig Stunden
entblößen. Hier war Fülle ineinandergedrungener Realitäten vorhanden,
die ich unmöglich in die allzu engen
Palisaden3 des
Aristoteles4 und
Batteux5 einkeilen konnte.
Nun ist es aber nicht sowohl die Masse meines Schauspiels als
vielmehr
sein Inhalt, der es von der Bühne verbannet. Die
Ökonomie6 desselben machte es notwendig, daß
mancher Charakter auftreten mußte, der das feinere Gefühl der
Tugend
beleidigt und die Zärtlichkeit unserer Sitten empört. Jeder
Menschenmaler ist in diese Notwendigkeit gesetzt, wenn er anders eine
Kopie der wirklichen Welt und keine
idealische Affektationen7,
keine
Kompendienmenschen8 will geliefert haben.
Es ist
einmal so die Mode in der Welt, daß die Guten durch die Bösen schattiert
werden und die Tugend im Kontrast mit dem Laster das lebendigste
Kolorit9 erhält.
Wer sich den Zweck vorgezeichnet
hat, das Laster zu stürzen und Religion, Moral und bürgerliche Gesetze
an ihren Feinden zu rächen, ein solcher muß
das Laster in seiner nackten
Abscheulichkeit enthüllen und in seiner
kolossalischen Größe10
vor das Auge der Menschheit
stellen - er selbst muß augenblicklich seine nächtlichen Labyrinthe
durchwandern, -
er muß sich in Empfindungen hineinzuzwingen wissen,
unter deren Widernatürlichkeit sich seine Seele sträubt.
Das Laster wird hier mitsamt seinem ganzen innern Räderwerk entfaltet.
Es löst in
Franzen
all die verworrenen Schauer des Gewissens in ohnmächtige
Abstraktionen auf, skelettisiert die richtende Empfindung und scherzt
die ernsthafte Stimme der Religion hinweg. Wer es einmal so weit
gebracht hat (ein Ruhm, den wir ihm nicht beneiden),
seinen Verstand auf
Unkosten seines Herzens zu verfeinern, dem ist das Heiligste nicht
heilig mehr - dem ist die Menschheit, die Gottheit nichts - Beide Welten
sind nichts in seinen Augen. Ich habe versucht, von einem Mißmenschen
dieser Art ein treffendes lebendiges
Konterfei11 hinzuwerfen, die vollständige
Mechanik12
seines Lastersystems
auseinanderzugliedern - und ihre Kraft an der Wahrheit zu prüfen. Man
unterrichte sich demnach im Verfolg dieser Geschichte, wie weit ihrs
gelungen hat - Ich denke, ich habe die Natur getroffen.
Nächst an diesem stehet ein anderer, der vielleicht nicht wenige meiner
Leser in Verlegenheit setzen möchte.
Ein Geist, den das äußerste Laster
nur reizet um der Größe willen, die ihm anhänget, um der Kraft willen,
die es erheischet, um der Gefahren willen, die es begleiten. Ein
merkwürdiger, wichtiger Mensch, ausgestattet mit aller Kraft, nach der
Richtung, die diese bekömmt, notwendig entweder ein
Brutus13 oder ein
Catilina14
zu werden. Unglückliche
Konjunkturen15 entscheiden für
das zweite, und erst am Ende einer ungeheuren Verirrung
gelangt er zu
dem ersten.
Falsche Begriffe von Tätigkeit und Einfluß, Fülle von Kraft,
die alle Gesetze übersprudelt, mußten sich natürlicherweise an
bürgerlichen Verhältnissen zerschlagen, und zu diesen
enthusiastischen
Träumen von Größe und Wirksamkeit durfte sich nur eine Bitterkeit gegen
die unidealische Welt gesellen, so war der seltsame Don Quixote16
fertig, den wir im Räuber Moor
verabscheuen und lieben, bewundern und
bedauern. Ich werde es hoffentlich nicht erst anmerken dörfen, daß ich
dieses Gemälde so wenig nur allein Räubern vorhalte, als die
Satire17
des
Spaniers18 nur allein Ritter geißelt.
Auch ist itzo der große Geschmack, seinen
Witz auf Kosten der Religion
spielen zu lassen, daß man beinahe für kein
Genie19
mehr passiert, wenn man nicht seinen gottlosen
Satyr20
auf ihren heiligsten Wahrheiten sich herumtummeln läßt. Die
edle Einfalt
der Schrift muß sich in alltäglichen
Assembleen21 von
den sogenannten witzigen Köpfen mißhandeln und ins Lächerliche verzerren
lassen; denn was ist so heilig und ernsthaft, das, wenn man es falsch
verdreht, nicht belacht werden kann? -
Ich kann hoffen, daß ich der
Religion und der wahren Moral keine gemeine Rache verschafft habe, wenn
ich diese mutwillige Schriftverächter in der Person meiner
schändlichsten Räuber dem Abscheu der Welt überliefere.
Aber noch mehr. Diese unmoralische Charaktere, von denen vorhin
gesprochen wurde,
mußten von gewissen Seiten glänzen, ja oft von seiten
des Geistes gewinnen, was sie von seiten des Herzens verlieren. Hierin
habe ich nur die Natur gleichsam wörtlich abgeschrieben.
Jedem, auch dem
Lasterhaftesten, ist gewissermaßen der Stempel des göttlichen Ebenbilds
aufgedrückt, und vielleicht hat der große Bösewicht keinen so weiten Weg
zum großen Rechtschaffenen als der kleine; denn die
Moralität hält
gleichen Gang mit den Kräften, und je weiter die Fähigkeit, desto weiter
und ungeheurer ihre Verirrung, desto imputabler22 ihre
Verfälschung.
Klopstocks23
Adramelech24 weckt in
uns eine Empfindung, worin Bewunderung in Abscheu schmilzt.
Miltons25
Satan26 folgen wir mit schauderndem Erstaunen durch
das unwegsame Chaos. Die
Medea27 der
alten Dramatiker28
bleibt bei all ihren Greueln noch ein großes, staunenswürdiges Weib, und
Shakespeares29
Richard30 hat so
gewiß am Leser einen Bewunderer, als er auch ihn hassen würde, wenn er
ihm vor der Sonne stünde. Wenn es mir darum zu tun ist,
ganze Menschen
hinzustellen, so muß ich
auch ihre Vollkommenheiten mitnehmen, die auch
dem Bösesten nie ganz fehlen. Wenn ich vor dem Tiger gewarnt haben will,
so darf ich seine schöne, blendende Fleckenhaut nicht übergehen, damit
man nicht den Tiger beim Tiger vermisse.
Auch ist ein Mensch, der ganz
Bosheit ist, schlechterdings kein Gegenstand der Kunst und äußert eine
zurückstoßende Kraft, statt daß er die Aufmerksamkeit der Leser fesseln
sollte. Man würde umblättern, wenn er redet. Eine
edle Seele erträgt so
wenig anhaltende moralische Dissonanzen, als das Ohr das Gekritzel eines
Messers auf Glas.
Aber eben darum will ich selbst mißraten haben, dieses mein Schauspiel
auf der Bühne zu wagen. Es gehört beiderseits,
beim Dichter und seinem
Leser, schon ein gewisser Gehalt von Geisteskraft dazu; bei jenem, daß
er das Laster nicht ziere, bei diesem, daß er sich nicht von einer
schönen Seite bestechen lasse, auch den häßlichen Grund zu schätzen.
Meinerseits entscheide ein Dritter - aber von meinen Lesern bin ich es
nicht ganz versichert. Der
Pöbel31, worunter ich
keineswegs die Gassenkehrer allein will verstanden wissen, der Pöbel
wurzelt (unter uns gesagt) weit um und
gibt zum Unglück - den Ton an. Zu
kurzsichtig, mein Ganzes auszureichen, zu
kleingeistisch32,
mein Großes zu begreifen, zu boshaft, mein Gutes wissen zu wollen, wird
er, fürcht ich, fast meine Absicht vereiteln, wird vielleicht eine
Apologie33
des Lasters, das ich stürze, darin zu
finden meinen und seine eigene Einfalt den armen Dichter entgelten
lassen, dem man gemeiniglich alles, nur nicht Gerechtigkeit widerfahren läßt.
Es ist das ewige
Dacapo34 mit
Abdera35
und
Demokrit36, und unsre gute
Hippokrate37
müßten ganze Plantagen Nieswurz erschöpfen, wenn sie dem Unwesen durch
ein heilsames Dekokt38 abhelfen wollten. Noch so viele
Freunde der Wahrheit mögen zusammenstehen, ihren Mitbürgern auf Kanzel
und Schaubühne Schule zu halten,
der Pöbel hört nie auf, Pöbel zu sein,
und wenn Sonne und Mond sich wandeln und Himmel und Erde veralten wie
ein Kleid.
Vielleicht hätt ich, den Schwachherzigen zu frommen, der
Natur minder getreu sein sollen; aber wenn jener Käfer, den wir alle
kennen, auch den Mist aus den Perlen stört, wenn man Exempel hat, daß
Feuer verbrannt und Wasser ersäuft habe, soll darum Perle - Feuer - und
Wasser konfisziert werden?
Ich darf meiner Schrift zufolge ihrer
merkwürdigen Katastrophe mit Recht
einen Platz unter den moralischen Büchern versprechen;
das Laster nimmt
den Ausgang, der seiner würdig ist.
Der Verirrte tritt wieder in das
Geleise der Gesetze. Die Tugend geht siegend davon. Wer nur so billig
gegen mich handelt, mich ganz zu lesen, mich verstehen zu wollen, von
dem kann ich erwarten, daß er - nicht den Dichter bewundere, aber den
rechtschaffenen Mann in mir hochschätze.
Geschrieben in der Ostermesse39. 1781.
Der Herausgeber.
[Schiller: Die Räuber. Schiller: Werke, S. 940-946 bzw. Schiller-SW Bd.
1, S. 484-488)
Wort- und Sacherklärungen:
1
Verrichtungen,Tätigkeiten
2 Personen mit
Menschenkenntnis und Kenntnissen und Erfahrungen der Seelenkunde
3 Palisaden: eigentl. Pfähle,
Pfahlzaun, Wand aus Palisaden als hohes Hindernis; hier gemeint:
Einschränkungen dramatischer Gestaltung durch die
Die Lehre von den drei Einheiten u.
ä. m.
4
»Aristoteles
(griechisch
Ἀριστoτέλης, * 384 v. Chr. in »Stageira
(Stagira) auf der Halbinsel »Chalkidike;
† 322 v. Chr. in »Chalkis
auf der Insel »Euboia)
gehört zu den bekanntesten und einflussreichsten Philosophen;
Begründer zahlreicher Disziplinen und maßgeblich Einfluss auf etliche
andere, darunter Wissenschaftstheorie, Logik, Biologie, Physik, Ethik,
Dichtungstheorie und Staatslehre. Aus seinem Gedankengut entwickelte
sich der »Aristotelismus;
seine Theorie der Dichtung, niedergelegt in seinem unvollendeten Werk "Poetik"
(altgriechisch ποιητική
[τέχνη] poiêtikê)
befasst er sich mit der Dichtkunst im Allgemeinen und ihren Gattungen.
Für die dramatische Gattung, insbesondere die Tragödie, wurden aus der
"Poetik" u. a. die Lehre von den drei Einheiten abgleitet, wonach die
Tragödie an einem Tag (Einheit der Zeit), an einem Ort (Einheit des
Ortes) und konzentriert auf eine einzige Haupthandlung (Einheit der
Handlung) zu gestalten ist.
5 »Charles
Batteux (* 6. Mai 1713 in Alland'huy bei »Vouziers,
»Ardennes;
† 14. Juli 1780 in »Paris),
1750 Professor der Rhetorik und »Humaniora,
später der griechischen und römischen Philosophie am »Collège
Royal zu Paris, 1754 Mitglied der »Akademie
der Inschriften und schönen Künste und 1761 der »Académie
française;
Begründer einer französischen Kunstphilosophie, die die Grundsätze der »französischen
Klassik als überwunden betrachtete; Künstler sollten sich seiner
Meinung nach nicht an der Kunst, sondern an der Natur orientieren. Sie
sollten nicht in erster Linie die klassischen Werke nachbilden, sondern
das wirkliche Leben (und damit auch etwa die kreatürlichen Äußerungen
der Menschen, die in der Klassik verpönt waren). Diese Ansicht
rechtfertigte Batteux durch seine Auslegung der
Poetik des »Aristoteles
(vgl. Anm. 4): "Ahme die Natur nach“. Aus diesem Grunde forderte er auch
die strikte Einhaltung der Einheiten des Dramas, wie sie von Aristoteles
abgeleitet wurden. Damit ebnete Batteux den Weg für zahlreiche Künstler
und Intellektuelle, die sich von den autoritären Vorstellungen des
französischen »Absolutismus
lösen wollten, allen voran »Jean-Jacques
Rousseau mit seinem Leitsatz "Zurück zur Natur“.
6 gemeint
ist wohl die Gesamtanlage des Stücks
7 idealische Affektationen: gekünstelte, in der
Wirklichkeit nicht vorkommende Geziertheiten
8 Kompendienmenschen: Menschliche Gestalten, die es nur zu
Demonstrationszwecken in Lehrbüchern, nicht aber in der Realität gibt
9
Kolorit: farbige Gestaltung oder Wirkung eines Gemäldes durch Farbgebung
und Farbwirkung
10
kolossalische Größe: ungeheuerliche Größe; Größe zentraler Begriff für
Schiller, um Menschen/Figuren zu gestalten, die ihre Umwelt an Willen,
Kraft und Genie oder an über das Menschliche hinausgehender Bosheit
überragen
11 Konterfei: Bild(nis), Abbild, Porträt
12 Mechanik: spätaufklärerische Auffassung, wonach sich
die psychischen Vorgänge im Menschen wie eine Maschine abspielen
13 »Brutus,
gemeint ist wahrscheinlich (vgl.
Grawe 1976/2002, S. 6) = »Marcus
Iunius Brutus (* 85 v. Chr.; † 23. Oktober 42 v. Chr.); gilt neben
seinem Freund und Schwager »Gaius
Cassius Longinus als das Haupt der Verschwörung gegen Caesar;
missbilligte Caesars Absichten, die Macht in seiner Hand zu vereinigen,
nachdem dieser sich bereits selbst zum Diktator auf Lebenszeit ernannt
hatte; ermordet zusammen mit einer Gruppe von Senatoren Caesar nn
den »Iden
des März (15. März) 44 v. Chr.
14 »Lucius
Sergius
Catilina
(* vermutlich 108 v. Chr.; † 62 v. Chr.) war ein römischer Politiker,
bekannt durch die von ihm durchgeführte »Catilinarische
Verschwörung, im Jahr 63 v. Chr., mit der er die Macht in der »römischen
Republik an sich reißen wollte; bekannt ist die Verschwörung
besonders durch »Ciceros »"Reden
gegen Catilina" sowie durch »Sallusts
historische Monographie »"De
coniuratione Catilinae".
15 Konjunkturen, von lat. coniunctio = Verbindung,
hier: Verkettungen des Schicksals
16 »Don
Quixote: Titelfigur in »Miguel
de Cervantes (1547-1616) Roman »Don
Quijote; als
Parodie auf die Ritterwelt werden darin die Abenteuer eines bereits
betagten, armen Landedelmanns erzählt, der beim Lesen von Ritterbüchern
den Verstand verloren hat. "Wie verzaubert vermag er zwischen
Einbildung, Wirklichkeit und Geschichte nicht mehr zu unterscheiden. Den
»Wust hirnverrückter Erdichtungen«, di er liest, hält er nicht nur für
»volle Wahrheit« und betrachtet alle Menschen, die sie leugnen, für bar
jeder Vernunft. [...] Auf der Suche nach Abenteuern durchzieht er das
Land, um selbst ritterliche Großtaten zu vollbringen, Ungerechtigkeiten
zu beseitigen, Gefahren ruhmvoll zu bestehen und kommenden Zeiten als
Beispiel für die Vollendung und erhabene Würde des Waffenhandwerks zu
dienen [...] Für ihn sind die Großtaten aufgespart, die einen
Menschheitstraum mit Hilfe von Idealen, ja von fixen Ideen verwirklichen
sollen. Da dies kläglich misslingt, muss er die Wirklichkeit zu bösem
Zauber erklären. Er ist »ein närrischer Kluger und Narr, der zur
Klugheit neigte«." (D. Br. in
Harenbergs Lexikon der Weltliteratur, Bd. 2, 1989, S.773f.) (vgl.
auch: → Von dem, was dem Ritter Don Quijote begegnete (Auszüge)
17
Satire: allgemein missbilligende Darstellung und Entlarvung des
Kleinlichen, Schlechten, Ungesunden im Menschenleben und dessen
Preisgabe an Verachtung und Lächerlichkeit, die sich allen verschiedenen
Gattungen der Literatur (Epik, Dramatik, Lyrik) niederschlagen kann
(Literatursatire); im Fall der »Don
Quijote-Dichtung ein satirischer Roman mit didaktischem
Einschlag (vgl.
Wilpert 51969, S.671)
18 gemeint ist »Miguel
de Cervantes (1547-1616) der Dichter des »Don
Quijote (vgl. Anm. 16)
19
Genie: Modewort der
Literaturepoche des
Sturm und Drang (1760-1785) die auch Geniezeit genannt wird; in
diesem Zusammenhang wird unter Genie eine angeborene originale
Schöpferkraft verstanden, die sich selbst Begrenzungen und Regeln setzt
20
»Satyr:
in der »griechischen
Mythologie »Waldgeister,
häufig in Bocksgestalt, im Gefolge des »Dionysos,
nach einigen Söhne des »Hermes
und der »Iphthime
oder des »Silenos;
wollüstige Wesen von kräftiger, ungeschlachter Gestalt, mit struppigem
Haar, stumpfer, aufgeworfener Nase, zugespitzten Ohren und einem
Ziegenschwänzchen oder kleinen Pferdeschweif; auf antiken griechischen
Vasen oft mit
Phallus dargestellt; manchmal auch Lustgreise als Satyrn bezeichnet;
von Schiller hier allegorisch für Angriffe auf überkommene Wahrheiten
verwendet (vgl.
Grawe 1976/2002, S. 7)
21 Assembleen: frz. Versammlungen, Gesellschaften
22 imputabel: zurechnungsfähig, verantwortlich, "höher zu
veranschlagen" (vgl.
Grawe 1976/2002, S. 7)
23 »Friedrich
Wilhelm Klopstock (* 2. Juli 1724 in »Quedlinburg;
† 14. März 1803 in »Hamburg);
deutscher Dichter; gab der deutschen Sprache neue Impulse und kann als
Wegbereiter für die ihm folgende Generation angesehen werden; gilt als
Begründer der Erlebnisdichtung und des deutschen »Irrationalismus.
Sein Wirken erstreckte sich über große Teile der »Epoche
der Aufklärung, speziell der »Empfindsamkeit.
Des weiteren gilt Klopstock als ein bedeutender Wegbereiter für die
Epoche des »Sturm
und Drang. Im »"Werther"
(1774) zeigt sich Klopstocks Wirkung auf »Goethe
24 Adramelech: in christlicher
Dämonologie Garderobier Satans; manchmal auch Kanzler der höllischen
Regionen, teuflischer Befehlshaber und Vorsitzender des hohen Rats der
Teufel; .dargestellt als Mischwesen mit menschlichem Torso und einem
Esel; in Klopstocks (vgl. Anm. 23) christlichem Epos "Der
Messias" (1748) nach dem Satan der mächtigste und boshafteste Teufel
25
»John
Milton (* 9. Dezember 1608 in »London;
† 8. November 1674 in »Bunhill
bei London) englischer Dichter und Staatsphilosoph; eines seiner
Hauptwerke: das christliche Epos »"Das
verlorene Paradies“ (1667); an dieser Stelle spielt Schiller
wohl auf den 2. Gesang an, in dem Milton den Flug Satans durch die noch
nicht gestaltete Welt schildert (vgl.
Grawe 1976/2002, S. 7)
26
Satan: zentrale Gestalt in »John
Miltons
(vgl. Anm. 25) christlichem Epos »"Das
verlorene Paradies“ (1667);
27
»Medea:
(griech. Μήδεια Medeia) Frauengestalt der »griechischen
Mythologie; in älteren Versionen des Mythos zumeist selbstbewusste
und heilkundige Frau; in der Fassung des Mythos durch »Euripides
ghandelt Medea aus Eifersucht und rächt sich durch die Ermordung ihrer
gemeinsamen Kinder an ihrem untreuen Ehemann.
28 die alten Dramatiker:
gemeint sind die beiden Dramatiker des Medea-Mythos, der Grieche »Euripides
(um 480 bia 406 v. Chr.) und der Römer »Seneca
(um 4 v. Chr. bis 65 n. Chr.)
29
»William Shakespeare (* vermutlich23. April 1564 in
»Stratford-upon-Avon;
† 23. Apriljul./
3. Mai 1616greg.in
»Stratford-upon-Avon)
englischer Dichter und einer der
bedeutendsten Dramatiker der Weltliteratur;
30
»Richard:
wohl "»Die
Tragödie von König Richard III." (1593) (engl. The Tragedy of
King Richard the Third) Drama in fünf Akten von »William
Shakespeare über den englischen König »Richard
III.; schließt an »Heinrich
VI., Teil 3 an und ist der letzte Teil der »York-Tetralogie.
31
Pöbel: Möglicherweise handelt es sich hier um eine Anspielung auf eine
Satire »Christoph
Martin Wielands (1773-1813), in der er die Oberflächlichkeit des
Theaterpublikums verspottet hatte. Diese hatte insbesondere in Mannheim
für Ärger gesorgt, weil man sich von dieser Kritik direkt angesprochen
sah. In dieser Satire hatte sich Wieland darüber mokiert, dass das
Publikum an Frisuren und Kostümen der Schauspieler und Schauspielerinnen
herumnörgle, sich aber um den Gehalt eines Theaterstücks keine Gedanken
mache. Als Dichter, Übersetzer und Herausgeber verschiedener
Zeitschriften war er neben neben »Gotthold
Ephraim Lessing, »Georg
Christoph Lichtenberg und »Immanuel
Kant – der bedeutendste Schriftsteller der Aufklärung im deutschen
Sprachgebiet und der Älteste des klassischen »Viergestirns
von Weimar, zudem außer ihm »Johann
Gottfried Herder, »Johann
Wolfgang Goethe und »Friedrich
Schiller zählten.
32 kleingeistisch: geistisch als Gegensatz zu körperlich,
hier wohl im Sinne von zu begrenztem geistigen Horizont
33 Apologie: Verteidigung(srede)
34
Dacapo: Wiederholung
35
»Abdera:
(griechisch Ἄβδηρα)
antiker griechischer Stadtstaat (»Polis)
an der »thrakischen
Küste zum »Ägäischen
Meer als deren Gründer in der Mythologie häufig »Herakles
genannt; der Name Abdera leitet sich vom Heros Abderos ab; Abdera war
von Beginn an demokratisch organisiert, besaß einen Rat, eine
Volksversammlung und eine gut funktionierende Verwaltung; obwohl
Heimatstadt berühmter griechischer Philosophen, darunter
»Demokrit
und »Protagoras
und Wohnort des Dichters »Anakreon
von »Teos,
hatten die Bewohner der Stadt, die »Abderiten,
einen Ruf vergleichbar dem von kleinbürgerlichen »Schildbürgern.
Wer als "Abderit“ bezeichnet wurde, galt in der Antike als einfältiger
Mensch. Analog dazu bezeichnet man Schildbürgertum auch mit dem Begriff
Abderitismus. In Anspielung darauf lässt
Christoph Martin Wieland (1773-1813) seinen satirischen Roman
»Die
Abderiten (1774) in Abdera spielen und stellt darin die typisierte
Narrheit der Abderiten als menschliche Grundkonstante dar, die zu allen
Zeiten an allen Orten zu finden, gleichsam kosmopolitisch ist.
36 Demokrit: auch Demokritos (* 460 v. Chr. in
»Abdera
(vgl. Anm. 18), einer ionischen Kolonie in »Thrakien;
† 371 v. Chr.) griechischer Philosoph, Schüler des »Leukipp;
lebte und lehrte in der Stadt »Abdera;
gehört zu den »Vorsokratikern
und gilt als letzter großer Naturphilosoph.
37 »Hippokrates
von Kos (altgr.
Ἱπποκράτης ὁ Κῷος; * um 460 v. Chr. auf der griechischen
Ägäisinsel »Kos;
† um 370 v. Chr. in »Larisa,
»Thessalien)
der wohl berühmteste Arzt des Altertums; stammte aus dem Geschlecht der
»Asklepiaden,
die sich selbst auf den Heilgott »Asklepios
zurückführten; Außer von seinem Vater wurde er u. a. auch von
Herodikos von Selymbria und dem Philosophen »Demokrit
(vgl. Anm. 19) von »Abdera
(vgl. Anm. 18) unterrichtet; reiste er als wandernder Arzt durch
Griechenland und Kleinasien; schon zu Lebzeiten hochverehrt; gilt als
Begründer der Medizin als Wissenschaft.
38
Dekokt: abgekochter Trank, Absud (von Arzneimitteln)
39 Ostermesse: das Werk wird von Schiller auf den 6. Mai
1781 datiert, dem Sonntag Jubilate, an dem die Ostermesse des Buchhandels in Leipzig
begann
(Quelle der Wort- und Sacherklärungen überwiegend
mit Hilfe von
www.wikipedia.de - mit "»" gekennzeichnete
Begriffe verweisen auf die entsprechenden Seiten der Internet-Enzyklopädie.)
docx-Download -
pdf-Download
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
20.11.2023