Schweizer voran. Ein Zug der Räuber. Franz v. Moor in
der Mitten kettenschleifend. Grimm, Kosinski. Räuber. Herman
SCHWEIZER
Triumpf, Hauptman! Hier ist der Bube! Meine Ehre ist gelößt.
GRIMM
Gerissen aus den Flammen seines Schlosses - Seine Vasallen geflohen -
KOSINSKI
Sein Schloß hinter ihm in Asche - versunken seines Namens Gedaächtniß.
(Es erfolgt eine grauenvolle Pause auf dem Schauplaze)
R. MOOR
(Tritt langsam hervor. Zu Franz, mit dumpfer gelassener Stimme) Kennst
du mich?
FRANZ
(steht, den Blick in den Boden gewurzelt, keine Antwort)
R. MOOR
(täumelt durchdonnert zurük) Zermalmet mich, Donner des Himmels! mein
Vater!
D. A. MOOR
(Wendet sich bebend ab) Geh - Gott vergebe dir - ich vergesse -
R. MOOR
(fürchterlich streng) Und mein Fluch hänge sich 1000pfündig an diese
Bitte, und lähme ihren Flug zum Erhörer! Kennst du diesen Thurm?
FRANZ
(heftig zu Herman) Was, Ungeheuer! Biß zu diesem Thurm verfolgte dein
Familien-Haß meinen Vater?
HERMAN
Bravo! bravo! SO ist doch kein Teufel so lüderlich, seinen Vasallen in
der letzten Lüge zu verlassen.
R. MOOR
Genug. Diesen Alten führt tiefer in den Wald. Zu dem, was ich itzt thun
werde, bedarf ich keiner Vaterthränen.
(Sie führen den Alten, der wie betaubt ist, vom Schauplatz ab)
R. MOOR
Näher, Banditen! (Sie formieren einen halben Mond um die beiden, und
hängen schauernd über ihren Flinten) Nun keinen Laut weiter - So wahr
ich Vergebung der Sünden hoffe! Dem ersten, der nur die Zunge rührt, eh
ichs befehle, kracht diese gezogene Pistole - Stille!
FRANZ
(zu Herman im Ausbruch der äussersten Wuth) Ha, Schandbube! daß ich
nicht all mein Gift in diesem Schaume auf dein Angesicht geifern kan! -
Oh es ist bitter! (weinend in die Ketten beissend)
R. MOOR
(In Majestätischer Stellung)
Ein Bevollmächtigter des Weltgerichts steh
ich da - einen Rechtsbandel will ich schlichten, den kein Reiner
schlichet - Sünder sitzen zu
Gerichte - Ich, der grösste obenan !
Dolche seyen die Loose - wer neben
diesem nicht rein steht, wie
ein Heiliger, trete ab. vom Gerichte, und zerbreche seinen Dolche - laßt
fallen!
(Die Räuber werfen alle ihre Dolche unzerbrochen auf die Erde) Sei
stolz! du hast heute Missethäter zu Englen gemacht! - Noch einen Dolch
vermißt ihr? (Er zieht den seinigen. Pause) Seine Mutter war auch meine
Mutter. (zu Schweizer und Kosinski) Richtet ihr! - (Er zerbricht seinen
Dolch)
FRANZ
(Springt Karln in die Arme) Rette mich von den Klauen der Mordbrenner!
Rette mich, Bruder!
R. MOOR
(Sehr ernst) Du hast mich zu ihrem
Fürsten gemacht! -
FRANZ
(fährt erschroken zurük)
R. MOOR
Wirst du mich noch bitten? (trit edel zu Ihm und mit Schmerz) Sohn
meines Vaters, du hast mir meinen Himmel gestohlen, diese Sünde sei dir
genommen. Ich vergebe dir, Bruder - (Er umarmt ihn) Richtet ihr! (Eilt
ab)
SCHWEIZER
Bin ich doch grau worden in Auftritten des Jammers, und soll nun zum
Bettler verarmen an diesem? Frevelte er nicht an diesem Thurme? richten
wir nicht an diesem Thurme-? Dort verfaul er lebendig. Hinunter mit ihm!
ALLE RÄUBER
(Bestimmend mit Getöse, auf Franz zustürmend) Hinunter! hinunter! (Franz
wird zum Thurme geschleptt und hinabgegossen. Die Räuber gehen zurük)
R. MOOR
(kommt nachdenkend zurük) Es ist vollbracht! Lenker der Dinge, habe
Dank! Es ist vollendet! (Er verweilt über einem grossen gedanken) - Wenn
dieser Thurm wäre das Ziel gewesen,
zu dem mich führtest auf blutvollen Weegen? - wenn ich darum das Haupt
der Sünder bin worden? - - Ewige Vorsicht! Hier schaudre ich, und bethe
an! - Wohl, ich vertraue dir, und mach Feyerabend am ziele - In seiner
schönsten Schlacht, fällt der Sieger so schön - In diesem Abendroth will
ich erlöschen! Laßt mir den Vater kommen!
(Einige Räuber bringen d. a. Moor geführt)
D. A. MOOR
Wohin wollt ihr mit mir? wo ist mein Sohn?
R. MOOR
(Mit Würde und Gelassenheit Ihm entgegen) Planet und Sandkorn haben
ihren gemessenen Plaz in der Schöpfung. - Auch dein Sohn hat den
seinen - Sei ruhig, und setz
dich nieder.
D. A. MOOR
(Bricht in Thränen aus) Kein Kind mehr? Kein Kind mehr?
R. MOOR
Sei ruhig, und setz dich nieder.
D. A. MOOR
O, der gutherzigen Barbarn! aus dem Thurme reissen sie einen sterbenden
Greisen ihn zu grüssen: deine Kinder sind geschlachtet! O ich bitte
euch, vollendet eure Barmherzigkeit, und stoßt mich wieder hinunter!
R. MOOR
(Ergreift seine Hand mit Heftigkeit, und hält sie mit Wärme gen Himmel)
Lästre nicht, alter Mann! Lästre den Gott nicht, vor dem ich heute
freudiger bethe. Schlimmere alß du bist haben Ihn heute von Angesicht zu
Angesicht gesehen.
D. A. MOOR
(scharf) Und würgen gelernt!
R. MOOR
60jähriger! kein solch Wort mehr. (sanfter und mit Schmerz) Wenn seine
Gottheit selbst die Sünder
erwärmt, sollen die Heilige sie zurükstossen? Und wo würdest du Worte
finden ihm Abbitte zu thun, wenn er dir heut
einen Sohn getauft hätte?
D. A. MOOR
(Bitter) Tauft man heute mit Blut?
R. MOOR
(Stuzzend) Wie sagst du? Redet dann auch Verzweiflung die Wahrheit? -
Ja, alter Mann, auch mit Blut kan die Vorsicht taufen - Mit Blut hat sie
dir heute getauft - ihre Weege seltsam und fürchterlich - aber
Freudenthränen am Ziele.
D. A. MOOR
Wo werd ich sie weinen?
R. MOOR
(der Ihm in die Arme stürzt) Am Herzen deines Karls! (große Pause)
D. A. MOOR
(Aufstehend über Ihn) Nimm mein Leben zum Dankopfer, o Himmel! - Auch
ich kan noch glücklich seyn - Ich verzweifelte an deinem Strale, und bin
nun ein Greiß worden in Wollust. - (Im Ausbruch der höchsten Freude)
Mein Karl lebt!
R. MOOR
Dein Karl lebt! - Dir
vorausgeschikt, zum Retter, zum Rächer! (auf den Thurm zeigend) So
lohnte dir dein begünstigter Sohn! - (er drüket Ihn mit Wärme an die
Brust) So rächet sich dein
verlorner Sohn!
(Etliche Räuber kommen zurük)
GRIMM
Volk im Wald! Stimmen!
R. MOOR
(Fährt auf) Ruft die andern! - (die Räuber ab. Mit sich selber) Es ist
Zeit, mein Herz! Den Wollustbecher
vom Munde, ehe er vergiftet.
D. A. MOOR
Sind diese Männer deine Freunde? Fast fürchte ich ihre Blike.
R. MOOR
Alles, mein Vater! - dieses frage mich nicht.