Amalia mit fliegenden Haaren. Grimm, Schweizer, Kosinski,
Razmann. Räuber. Vorige.
Die ganze Bande folgt Amalien und sammelt sich im Hintergrunde.
AMALIA
Die Todten, schreyt man seyen aufferstanden auf seine Stimme - Mein
Oheim lebendig - aus diesem Thurme - Karl! - Oheim! wo find ich sie?
R. MOOR
(Zurückbebend) Wer bringt dies Bild vor meine Augen?
D. A. MOOR
(raft sich zittern auf) Amalia! Meine Nichte! Amalia!
AMALIA
(Stürzt dem Alten in die Arme) Dich wieder mein Vater! und meinen Karl,
und - alles!
D. A. MOOR
Mein Karl lebt - du - ich - lebt alles! alles! Mein Karl lebt!
R. MOOR
(Rasend zu der Bande) Brecht auf, Brüder! Der Erzfeind hat mich
verrathen.
AMALIA
(Entspringt dem Vater und eilt
auf den Räuber zu, und umschlingt Ihn entzükt) Ich hab Ihn! O ihr
Sterne! ich hab ihn!
R. MOOR
Reißt sie von meinem Halse! Tödtet sie! tödtet ihn! Mich! Euch! alles!
Die ganze Welt geh zu Grunde!
AMALIA
Bräutigam! Bräutigam! du rasest! Ha! Vor Entzükung! Warum bin ich auch
so fühllos? Mitten im Wonnewirbel so kalt?
D. A. MOOR
Komt, Kinder! deine Hand, Karl! - deine, Amalia - O ich hoftge nie, daß
mir vor dem Grabe die Wollust würde! - Ich will sie zusammenfügen auf
ewig.
AMALIA
Ewig seyn! Ewig! Ewig mein! Oh ihr Mächte des Himmels! entlasset mich
dieser tötlichen Wollust, daß ich nicht unter dem Zentner vergehe!
R. MOOR
(Loßgerissen von Amalia) Weg! Weg! - Unglükseeligste der Bräute! - Schau
selbst! frage selbst! höre! - Unglükseeligster der Väter! Laß mich
immer, ewig davon rennen!
AMALIA
Wohi`n? was? Liebe! Ewigkeit! Wonne! Unendlichkeit! und du fliehst?
D. A. MOOR
Mein Sohn flieht? mein Sohn flieht?
R. MOOR
Zu spät! Vergebens! - Dein Fluch Vater! - frage mich nichts mehr - ich
bin - ich habe - dein Fluch - dein vermeinter Fluch - (gefaßter) So
vergeh denn, Amalia! Stirb, Vater! stirb durch mich zum zweitenmale!
Diese deine Retter sind Räuber
und Mörder! Dein Sohn ist -
Ihr Hauptman!
D. A. MOOR
Gott, meine Kinder! (Er stirbt)
R. MOOR
(Wieder eine Eiche rennend) Die Seelen deren, die ich erdrosselte im
Genusse der Liebe - derer, die ich zerschmetterte im heiligen Schlaf -
derer - hahaha! Hört ihr den Pulverthurm knallen über dem Stuhl der
Gebärerin? Sehr ihr die Flammen leken an den Wiegen der Säuglinge? Das
ist Brautfakel! das ist Hochzeit-Musik! - oh!
er vergißt nicht, - er weiß zu
mahnen! Darum von
mir die Wonne der Liebe! Darum
mir zum Gerichte die Liebe! - Das ist Vergeltung!
AMALIA
(Wie erwacht aus einem Donnerschlag. Lallend) Es ist wahr! Herrscher im
Himmel! Er sagt: es ist wahr - was hab ich gethan, ich unschuldiges
Lamm? - Ich hab diesen geliebt!
R. MOOR
Das ist mehr als ein Mann erduldet. Hab ich doch den Tod aus mehr denn
1000 Röhren auf mich zupfeiffen gehört, und bin ihm keinen Fußbreit
gewichen. Soll ich itzt erst lernen beben, wie ein Weib? beben vor einem
Weib? - Nein! ein Weib erschüttert mir meine Mannheit nicht. Blut! Blut!
- Es wird vorübergehen. Blut will ich sauffen - und ich poche dem
Tyrannen Verhängniß! (Er will
davon)
AMALIA
(fällt Ihm in die Arme) Mörder! Teufel! Ich kan dich Engel nicht lassen!
R. MOOR
(Steht verwundernd still) Träum ich? - Raß ich? Hat die Hölle neue Finte
ersonnen, ihr satanisches Kurzweil mit mir zu treiben? Sie liegt am
Halse des Mordbrenners!
AMALIA
Ewig! unzertrennlich!
R. MOOR
Noch liebt sie mich! Noch! - Rein bin ich, wie das Licht! - Sie liebt
mich mit all meinen Sünden. (In Freude geschmolzen) Die Kinder des
Lichts weinen am Hals begnadigter Teufel - Meine Furien erdrosseln hier
ihre Schlangen. - Die Hölle ist zernichtet - Ich bin glücklich! (Er
verbirgt sein Gesicht an ihrem Busen)
RAZMANN
(Grimmig vortretend) Halt ein, Verräther! Gleich laß diesen Arm fahren -
oder ich will dir ein Wort sagen, daß dir die Ohren gellen, und deine
Zähne vor Entsetzen klappern (er steckt das Gewehr zwischen beide)
GRIMM
Denk an die Böhmischen Wälder! Schau her! Schau! kennst du diese Narben?
Mit unserem Herzblut haben wir alle dich zum Leibeignen angekauft -
Unser bist du! Und wenn de
Erzengel Michael mit dem Moloch ins Handgemeng darüber kommen sollte!
Marsch mit uns! Opfer um Opfer! Liebe um Treue! Ein Weib um die Bande!
AMALIA
(reißt Ihn zurük) Halt! halt! einen Stoß! einen Todesstoß!
Neu verlassen! Zieh das Schwerd
und erbarme dich.
R. MOOR
Das Erbarmen ist in die Bären gefahren. Ich tödte dich nicht.
AMALIA
(seine Knie umfassend) Oh um Gotteswillen! Um aller Erbarmungen willen!
ich will ja nicht Liebe mehr, weiß ja wohl, daß droben unsere Sterne
feindlich voneinander fliehen - Tod ist meine Bitte nur. Sieh! meine
Hand zittert. Ich habe das Herz nicht zu stossen. Mir bangt vor der
blitzenden Schneide. Dir ists so leicht, du bist Meister im Morden. Zieh
das Schwerd, und ich bin glücklich.
R. MOOR
(sehr streng) Willst du allein
glücklich seyn? Fort! Ich tödte kein Weib.
AMALIA
Ha, Würger! Du kannst nur die Glüklichen tödten, die Lebenssatten gehest
du vorüber! (flehend gegen die Band) So erbarmt euch meiner, ihr Schüler
des Henkers. Es ist ein so blutdürstiges Mitleid in euren Bliken, das
den Elenden Trost ist. Drükt ab. - Euer Meister ist ein feigherziger
Praler! (Grimm und Razmann zielen)
R. MOOR
(ausser Fassung) Zurük, Harpien! - (er tritt mit Majestät dazwischen)
Was es Einer in mein Heiligthum zu brechen! Sie ist mein! - (indem er
sie mit starken Armen umfaßt) - Und nun ziehe an ihr der Himmel, die
Hölle an mir - die Liebe über den Eiden! (er hebt sie hoch auf, und
schwingt sie unerschroken gegen die ganze Bande) Was die Natur
aneinander schmiedet - wer wird es scheiden?
GRIMM, RAZMAN
Wir (schlagen an)
R. MOOR
(bitter lachend) Ohnmächtige! (er läßt Amalia halb entseelt auf den
Stein nieder) Blik auf, meine Verlobte!
Priestersegen wird uns nicht vereinen, aber ich weiß etwas besseres. -
Schaut diese Schönheit, ihr Männer - (zärtlich traurig) Schmelzt sie
Banditen nicht? - Schaut mich
an, Banditen - jung bin ich, und liebe- Hier werd ich geliebt -
angebethet. Biß ans Thor des Paradies bin ich gekommen - (weich und
bittend) - Sollten mich meine Brüder
zurükschleidern? (die Räuber stimmen ein Gelächter an).
R. MOOR
(entschlossen) Genug! Biß hierher
Natur! Jezt fängt der Mann an!
- Auch ich bin der Mordbrenner einer - und (Ihnen mit unbeschreiblicher
Hoheit entgegen) Euer Hauptman!
- Mit dem Schwerd wollt ihr mit ihrem Hauptman rechten, Banditen? (mit
gebietender Stimme) Strekt die Gewehre! Eurer Herr spricht mit euch!
(die Räuber werfen erschroken ihre Waffen zur Erde) Seht, nun seid ihr
nichts mehr als Kinder, und ich bin frei. Frei muß Moor seyn, wenn er
groß seyn will. Um ein Elisium der Liebe ist mir dieser Triumpf nicht
feil. Um ein Weib brech ich den Schwur nicht, den ich euch so feyerlich
that - hier bringt sie fort! (die Bande will Amalien fortschleppen).
SCHWEIZER
(mitten unter sie) Wag es keiner, unsers Hauptmanns Geliebte zu
berühren, wir wollen sie alle zurükgeleiten, da, wo sie hingebracht seyn
will (zu Amalia) Weib! wo sollen wir dich hingeleiten?
AMALIA
Zur Ewigkeit! - (sie entreißt einem Räuber den Dolch, und ermordet sich)
SCHWEIZER UND GRIMM
Sie hat sich ermordet!
R. MOOR
(geht starr auf sie zu, bleibt eine Weile stehen, dann ergreift er ihre
Hand) - Amalia!
AMALIA
(strekt ihre Hand nach Ihm aus) Folge mir bald nach (sie stirbt).
R. MOOR
Fahre hin, Engels-Seele! Fahre hin zum Himmel, wohin dir Moor nicht
folgen darf - (zu der Bande mit Majestät) Nun, ihr erbärmlichen
Gesellen? sehr her, - seht! Nicht wahr, so hoch schwindelte eure
Schurkenforderung nie? - ein Leben habt ihr mir aufgeopfert - ein Leben,
das schon verfallen war - ein Leben voll Abscheulichkeit, und Schande.
Hier liegt ein Engel für euch
geschlachtet. (wirft den Degen mit Verachtung unter sie) Banditen! wir
sind quitt! - über dieser Leiche liegt meine Handschrift zerrissen! -
Euch schenk ich die Eurige.
DIE RÄUBER
(drängen sich zu) Deine Leibeignen wieder, biß in den Tod!
R. MOOR
Nein, nein! nein! Gewiß sind wir fertig! Leise flistert mir mein Genius:
Geh nicht weiter, Moor! Hier ist der
Markstein des Menschen und der
deine. Nehmt ihn zurüke diesen Busch! (wirft seinen Federbusch
auf die Erde) Wer Lust hat, Hauptman zu seyn, nach mir, mag ihn
aufheben.
GRIMM
Ha, Muthloser! wo sind deine hochfliegenden Plane? Sinds Seifenblasen
gewesen, die beim Todesröcheln eines Weibes zerplatzen?
R. MOOR
(mit Würde) Untersucht nicht, wo Moor
handelt, das ist mein letzter Befehl! Komt! schließt einen Kreis um
mich, und vernehmet das Testament eures sterbenden Hauptmans. - Ihr seid
treu an mir gehangen - treu ohne Beispiel - hätt euch die Tugend so fest
verbrüdert, alß die Sünde - ihr wäret Helden worden, und die Menschheit
spräch euren Namen mit Wonne. (er heftet einen verweilenden Blik auf die
Bande)
Grosse Kräfte! Herrliche Keime! Und die guten Geister weinen über ihren
Trümmern! Geht hin! opfert ihre Reste dem Staat.
Dienet
einem Könige, der für die Menschheit streitet - Mit diesem Seegen
seyd entlassen. (zu Schweizer und Kosinski) Ihr bleibet! (die Räuber
gehen langsam und bewegt von der Bühne). Gib mir deine Rechte, Kosinski;
Schweizer, deine Linke. (er nimmt ihre Hände, und steht mitten zwischen
beiden, zu Kosinski) Du bist noch rein, junger Mann - unter den
Unreinen der einzige Reine. (zu
Schweizern) Tief hab ich diese Hand getaucht ins Blut, - ich bins, der
es gethan hat - Mit diesem Händedruk nehm ich zurük, was meins ist.
Schweizer, du bist rein. (er hebt ihre Hände mit Innbrunst gen Himmel)
Vater im Himmel!
Hier geb ich sie dir wieder - Sie werden wärmer an dir hangen, alß
deine Niemalsgefallenen.
SCHWEIZER UND KOSINSKI
(fallen
sich von beiden Seiten herüber um den Hals)
R. MOOR
Itzt nicht - Nur izt nicht, meine Lieben. Schonet meines Muthes in
dieser richtenden Stunde -
Theilt mein Vermögen unter euch, Kinder;
werdet gute Bürger, und wenn ihr gegen zehn, die ich zu Grunde richtete,
nur einen glücklich macht, so ist meine Seele gerettet. Geht! Kein Lebewol - dort sehen wir uns wieder - oder auch nicht wieder - Fort!
schnell! eh ich weich werde.
SCHWEIZER UND KOSINSKI
(gehen beide mit verhüllten Gesichtern ab)
R. MOOR
Auch ich bin ein guter Bürger, erfüll ich nicht das entsetzliche Gesetz,
ehr ich es nicht, räch' ich es nicht? Es ist beschlossen! Ich erinnere
mich einen armen Schelm gesprochen zu haben, als ich herüberkam, der im
Taglohn arbeitet, und eilf lebendige Kinder hat - Man hat 1000
Goldgulden gebothen, wer den grossen Räuber lebendig liefert, dem Mann
kan geholfen werden - Er führe mich die Richter - ein Glüklicher mehr -
Sonne-Untergang. Ich sterbe groß durch eine solche That!
ENDE"