Der
Schauplatz wie in der letzten Szene des vorigen Akts.
Der alte
Moor auf einem Stein sitzend. Räuber Moor gegenüber. Räuber hin und her im
Wald.
RÄUBER MOOR. Er kommt noch
nicht? (Schlägt mit dem Dolch auf einen Stein, dass es Funken gibt.)
DER ALTE MOOR. Verzeihung
sei seine Strafe - meine Rache verdoppelte Liebe.
RÄUBER MOOR. Nein, bei
meiner grimmigen Seele! Das soll nicht sein. Ich wills nicht haben. Die
große Schandtat soll er mit sich in die Ewigkeit hinüberschleppen! - Wofür
hab ich ihn dann umgebracht?
DER ALTE MOOR (in Tränen
ausbrechend). O mein Kind!
RÄUBER MOOR. Was? - du
weinst um ihn? - an diesem Turme?
DER ALTE MOOR. Erbarmung! o
Erbarmung! (Heftig die Hände ringend.) Jetzt - jetzt wird mein Kind
gerichtet!
RÄUBER MOOR (erschrocken).
Welches?
DER ALTE MOOR. Ha! was ist
das für eine Frage?
RÄUBER MOOR. Nichts!
nichts!
DER ALTE MOOR. Bist du
kommen, Hohngelächter anzustimmen über meinen Jammer?
RÄUBER MOOR. Verräterisches
Gewissen! - Merket nicht auf meine Rede.
DER ALTE MOOR. Ja, ich hab
einen Sohn gequält, und ein Sohn musste mich wieder quälen, das ist Gottes
Finger - O mein Karl! mein Karl! wenn du um mich schwebst im Gewand des
Friedens! Vergib mir! oh vergib mir!
RÄUBER MOOR (schnell).
Er vergibt Euch. (Betroffen.) Wenn ers wert ist, Euer Sohn zu
heißen - er muss Euch vergeben.
DER ALTE MOOR. Ha! Er war
zu herrlich für mich - Aber ich will ihm entgegen mit meinen Tränen,
meinen schlaflosen Nächten, meinen quälenden Träumen, seine Kniee will ich
umfassen - rufen - laut rufen: Ich hab gesündigt im Himmel und vor dir.
Ich bin nicht wert, dass du mich Vater nennst.
RÄUBER MOOR (sehr
gerührt). Er war Euch lieb, Euer andrer Sohn?
DER ALTE MOOR. Du weißt es,
o Himmel! Warum ließ ich mich doch durch die Ränke eines bösen Sohnes
betören? Ein gepriesener Vater ging ich einher unter den Vätern der
Menschen. Schön um mich blühten meine Kinder voll Hoffnung. Aber - o der
unglückseligen Stunde! - der böse Geist fuhr in das Herz meines zweiten:
ich traute der Schlange - verloren meine Kinder beide. (Verhüllt sich
das Gesicht.)
RÄUBER MOOR (geht weit
von ihm weg). Ewig verloren!
DER ALTE MOOR. Oh, ich fühl
es tief, was mir Amalia sagte, der Geist der Rache sprach aus ihrem Munde:
Vergebens ausstrecken deine sterbenden Hände wirst du nach einem Sohn,
vergebens wähnen zu umfassen die warme Hand deines Karls, der nimmermehr
an deinem Bette steht -
RÄUBER MOOR (reicht ihm
die Hand mit abgewandtem Gesicht).
DER ALTE MOOR. Wärst du
meines Karls Hand! - Aber er liegt fern im engen Hause, schläft schon den
eisernen Schlaf, höret nimmer die Stimme meines Jammers - Weh mir! Sterben
in den Armen eines Fremdlings - Kein Sohn mehr - Kein Sohn mehr, der mir
die Augen zudrücken könnte -
RÄUBER MOOR (in der
heftigsten Bewegung). Jetzt muss es sein - jetzt - Verlasst mich (zu
den Räubern)! Und doch - kann ich ihm denn seinen Sohn wieder
schenken? Ich kann ihm seinen Sohn doch nicht mehr schenken - Nein! ich
wills nicht tun.
DER ALTE MOOR. Wie, Freund?
Was hast du da gemurmelt?
RÄUBER MOOR. Dein Sohn -
ja, alter Mann - (stammelnd) dein Sohn - ist - ewig verloren.
DER ALTE MOOR (in der
fürchterlichsten Beklemmung gen Himmel sehend). O nur diesmal! - lass
meine Seele nicht matt werden - nur diesmal halte mich aufrecht!
DER ALTE MOOR. Ewig, sagst
du?
RÄUBER MOOR. Frage nichts
weiter! Ewig, sagt ich.
DER ALTE MOOR. Fremdling!
Fremdling! Warum zogst du mich aus dem Turme?
RÄUBER MOOR. Und wie? -
wenn ich jetzt seinen Sohn weghaschte - haschte, wie ein Dieb, und mich
davon schlich mit der göttlichen Beute? - Vatersegen, sagt man, geht
niemals verloren.
DER ALTE MOOR. Auch mein
Franz verloren? -
RÄUBER MOOR (stürzt vor
ihm nieder). Ich zerbrach die Riegel deines Turms - Gib mir deinen
Segen!
DER ALTE MOOR (mit
Schmerz). Dass du den Sohn vertilgen musstest, Retter des Vaters! -
Siehe, die Gottheit ermüdet nicht im Erbarmen, und wir armseligen Würmer
gehen schlafen mit unserm Groll. (Legt seine Hand auf des Räubers
Haupt.) Sei so glücklich, als du dich erbarmest.
RÄUBER MOOR (weichmütig
aufstehend). O - wo ist meine Mannheit? Meine Sehnen werden schlapp,
der Dolch sinkt aus meinen Händen.
DER ALTE MOOR. Wie köstlich
ists, wenn Brüder einträchtig beisammen wohnen, wie der Tau, der vom
Hermon fällt auf die Berge Zion - Lern diese Wollust verdienen, junger
Mann, und die Engel des Himmels werden sich sonnen in deiner Glorie. Deine
Weisheit sei die Weisheit der grauen Haare, aber dein Herz - dein Herz sei
das Herz der unschuldigen Kindheit.
RÄUBER MOOR. O einen
Vorgeschmack dieser Wollust. Küsse mich, göttlicher Greis!
DER ALTE MOOR (küsst ihn).
Denk, es sei Vaterskuss! so will ich denken, ich küsse meinen Sohn - Du
kannst auch weinen?
RÄUBER MOOR. Ich dacht, es
sei Vaterskuss! - Weh mir, wenn sie ihn jetzt brächten!
(Schweizers Gefährten
treten auf im stummen Trauerzug mit gesenkten Häuptern und verhüllten
Gesichtern.)
RÄUBER MOOR. Himmel! (Tritt
scheu zurück und sucht sich zu verbergen. Sie ziehen an ihm vorüber. Er
sieht weg von ihnen. Tiefe Pause. Sie halten.)
GRIMM (mit gesenktem Ton).
Mein Hauptmann! (Räuber Moor antwortet nicht und tritt weiter zurück.)
SCHWARZ. Teurer Hauptmann!
(Räuber Moor weicht weiter zurück.)
GRIMM. Wir sind unschuldig,
mein Hauptmann.
RÄUBER MOOR (ohne nach
ihnen zu blicken). Wer seid ihr?
GRIMM. Du blickst uns nicht
an? Deine Getreuen.
RÄUBER MOOR. Weh euch, wenn
ihr mir getreu wart!
GRIMM. Das letzte Lebewohl
von deinem Knecht Schweizer - er kehrt nie wieder, dein Knecht Schweizer.
RÄUBER MOOR (aufspringend).
So habt ihr ihn nicht gefunden?
SCHWARZ. Tot gefunden.
RÄUBER MOOR (froh
emporhüpfend). Habe Dank, Lenker der Dinge! - Umarmet mich, meine
Kinder! - Erbarmung sei von nun an die Losung - Nun wär auch das
überstanden - Alles überstanden.
(Neue Räuber. Amalia.)
RÄUBER. Heisa, heisa! Ein
Fang, ein superber Fang!
AMALIA (mit fliegenden
Haaren). Die Toten, schreien sie, seien erstanden auf seine Stimme -
mein Oheim lebendig - in diesem Wald - Wo ist er? Karl! Oheim! - Ha! (Stürzt
auf den Alten zu.)
DER ALTE MOOR. Amalia!
Meine Tochter! Amalia! (Hält sie in seinen Armen gepresst.)
RÄUBER MOOR (zurückspringend).
Wer bringt dies Bild vor meine Augen?
AMALIA (entspringt dem
Alten, springt auf den Räuber zu und umschlingt ihn entzückt). Ich hab
ihn, o ihr Sterne! Ich hab ihn! -
RÄUBER MOOR (sich
losreißend, zu den Räubern). Brecht auf, ihr! Der Erzfeind hat mich
verraten!
AMALIA. Bräutigam,
Bräutigam, du rasest! Ha! Vor Entzückung! Warum bin ich auch so fühllos,
mitten im Wonnewirbel so kalt?
DER ALTE MOOR (sich
aufraffend). Bräutigam! Tochter! Tochter! Ein Bräutigam?
AMALIA. Ewig sein! Ewig,
ewig, ewig mein! - Oh ihr Mächte des Himmels! Entlastet mich dieser
tödlichen Wollust, dass ich nicht unter der Bürde vergehe!
RÄUBER MOOR. Reißt sie von
meinem Halse! Tötet sie! Tötet ihn! mich! euch! Alles! Die ganze Welt geh
zu Grunde! (Er will davon.)
AMALIA. Wohin? was? Liebe -
Ewigkeit! Wonn' - Unendlichkeit! und du fliehst?
RÄUBER MOOR. Weg, weg! -
Unglückseligste der Bräute! - Schau selbst, frage selbst, höre! -
Unglückseligster der Väter! Lass mich immer ewig davon rennen!
AMALIA. Haltet mich! Um
Gotteswillen, haltet mich! - es wird mir so Nacht vor den Augen - Er
flieht!
RÄUBER MOOR. Zu spät!
Vergebens! Dein Fluch, Vater! - frage mich nichts mehr! - ich bin, ich
habe, - dein Fluch - dein vermeinter Fluch! - Wer hat mich hergelockt? (Mit
gezogenem Degen auf die Räuber losgehend.) Wer von euch hat mich
hiehergelockt, ihr Kreaturen des Abgrunds? So vergeh denn, Amalia! -
Stirb, Vater! Stirb durch mich zum dritten Mal! - Diese deine Retter sind
Räuber und Mörder! Dein Karl ist ihr Hauptmann. (Der alte Moor gibt
seinen Geist auf.)
AMALIA (steht stumm und
starr wie eine Bildsäule. Die ganze Bande in fürchterlicher Pause).
RÄUBER MOOR (wider eine
Eiche rennend). Die Seelen derer, die ich erdrosselte im Taumel der
Liebe - derer, die ich zerschmetterte im heiligen Schlaf, derer, - hahaha!
Hört ihr den Pulverturm knallen über der Kreißenden Stühlen? Seht ihr die
Flammen schlagen an den Wiegen der Säuglinge? Das ist Brautfackel, das ist
Hochzeitmusik - oh, er vergisst nicht, er weiß zu knüpfen - darum von mir
die Wonne der Liebe! darum mir zur Folter die Liebe! Das ist Vergeltung!
AMALIA. Es ist wahr!
Herrscher im Himmel! Es ist wahr! - Was hab ich getan, ich unschuldiges
Lamm? Ich hab diesen geliebt!
RÄUBER MOOR. Das ist mehr,
als ein Mann erduldet. Hab ich doch den Tod aus mehr denn tausend Röhren
auf mich zupfeifen gehört und bin ihm keinen Fußbreit gewichen, woll ich
jetzt erst lernen beben wie ein Weib? - Nein, ein Weib erschüttert meine
Mannheit nicht - Blut, Blut! Es ist nur ein Anstoß vom Weibe - Blut muss
ich saufen, es wird vorübergehen. (Er will davon fliehn.)
AMALIA (fällt ihm in die
Arme). Mörder! Teufel! Ich kann dich Engel nicht lassen.
RÄUBER MOOR (schleudert
sie von sich). Fort, falsche Schlange, du willst einen Rasenden
höhnen, aber ich poche dem Tyrannen Verhängnis - Was, du weinst? O, ihr
losen, boshaften Gestirne! Sie tut, als ob sie weine, als ob um mich eine
Seele weine! (Amalia fällt ihm um den Hals.) Ha, was ist das? Sie
speit mich nicht an, stößt mich nicht von sich - Amalia! hast du
vergessen? Weißt du auch, wen du umarmest, Amalia?
AMALIA. Einziger,
Unzertrennlicher!
RÄUBER MOOR (aufblühend,
in ekstatischer Wonne). Sie vergibt mir, sie liebt mich! Rein bin ich,
wie der Äther des Himmels, sie liebt mich! - Weinenden Dank dir, Erbarmer
im Himmel! (Er fällt auf die Knie und weint heftig.) Der Friede
meiner Seele ist wiedergekommen, die Qual hat ausgetobt, die Hölle ist
nicht mehr - Sieh, o sieh, die Kinder des Lichts weinen am Hals der
weinenden Teufel - (Aufstehend, zu den Räubern.) So weinet doch
auch! Weinet, weinet, ihr seid ja so glücklich - O Amalia! Amalia! Amalia!
(Er hängt an ihrem Mund, sie bleiben in stummer Umarmung.)
EIN RÄUBER. (grimmig
hervortretend). Halt ein, Verräter! - Gleich lass diesen Arm fahren -
oder ich will dir ein Wort sagen, dass dir die Ohren quellen und deine
Zähne vor Entsetzen klappern! (Streckt das Schwert zwischen beide.)
EIN ALTER RÄUBER. Denk'an
die böhmischen Wälder! Hörst du? zagst du? - an die böhmischen Wälder
sollst du denken! Treuloser, wo sind deine Schwüre? Vergisst man Wunden so
bald? Da wir Glück, Ehre und Leben in die Schanzen schlugen für dich, da
wir standen wie Mauern, auffingen wie Schilder die Hiebe, die einem Leben
galten, - hubst du da nicht deine Hand zum eisernen Eid auf, schwurest,
uns nie zu verlassen, wie wir dich nicht verlassen haben? - Ehrloser!
Treuvergessener! Und du willst abfallen, wenn eine Metze greint?
EIN DRITTER RÄUBER. Pfui
über den Meineid! Der Geist des geopferten Rollers, den du zum
Zeugen aus dem Totenreich zwangest, wird erröten über deine Feigheit und
gewaffnet aus seinem Grab steigen, dich zu züchtigen.
DIE RÄUBER (durcheinander,
reißen ihre Kleider auf). Schau her, schau! Kennst du diese Narben? Du
bist unser! Mit unserem Herzblut haben wir dich zum Leibeigenen angekauft,
unser bist du, und wenn der Erzengel Michael mit dem Moloch ins
Handgemenge kommen sollte! - Marsch mit uns! Opfer um Opfer! Amalia für
die Bande!
RÄUBER MOOR (lässt ihre
Hand fahren). Es ist aus! - Ich wollte umkehren und zu meinem Vater
gehn, aber der im Himmel sprach, es soll nicht sein. (Kalt.) Blöder
Tor ich, warum wollt ich es auch? Kann denn ein großer Sünder noch
umkehren? Ein großer Sünder kann nimmermehr umkehren, das hätt ich längst
wissen können - Sei ruhig, ich bitte dich, sei ruhig! So ists ja auch
recht - Ich habe nicht gewollt, da er mich suchte; jetzt, da ich ihn
suche, will er nicht; was ist billiger? - Rolle doch deine Augen
nicht so - Er bedarf ja meiner nicht. Hat er nicht Geschöpfe die Fülle?
Einen kann er so leicht missen, und dieser eine bin nun ich. - Kommt,
Kameraden!
AMALIA (reißt ihn zurück).
Halt, halt! Einen Stoß! einen Todesstoß! Neu verlassen! Zeuch dein Schwert
und erbarme dich!
RÄUBER MOOR. Das Erbarmen
ist zu den Bären geflohen, - ich töte dich nicht!
AMALIA (seine Knie
umfassend). O, um Gottes willen, um aller Erbarmungen willen! Ich will
ja nicht Liebe mehr, weiß ja wohl, dass droben unsere Sterne feindlich von
einander fliehen - Tod ist meine Bitte nur. - Verlassen, verlassen! Nimm
es ganz in seiner entsetzlichen Fülle, verlassen! Ich kanns nicht
überdulden. Du siehst ja, das kann kein Weib überdulden. Tod ist meine
Bitte nur! Sieh, meine Hand zittert! Ich habe das Herz nicht, zu stoßen.
Mir bangt vor der blitzenden Schneide - dir ists ja so leicht, so leicht,
bist ja Meister im Morden, zeuch dein Schwert, und ich bin glücklich!
RÄUBER MOOR. Willst du
allein glücklich sein? Fort, ich töte kein Weib!
AMALIA. HaWürger! du kannst
nur die Glücklichen töten, die Lebenssatten gehst du vorüber. (Kriecht
zu den Räubern.) So erbarmet euch meiner, ihr Schüler des Henkers! -
Es ist ein so blutdürstiges Mitleid in euren Blicken, das dem Elenden
Trost ist - euer Meister ist ein eitler, feigherziger Prahler.
RÄUBER MOOR. Weib, was
sagst du? (Die Räuber wenden sich ab.)
AMALIA. Kein Freund? Auch
unter diesen nicht ein Freund? (Sie steht auf.) Nun denn, so lehre
mich Dido sterben! (Sie will gehen, ein Räuber zielt.)
RÄUBER MOOR. Halt! Wag es -
Moors Geliebte soll nur durch Moor sterben! (Er ermordet sie.)
DIE RÄUBER. Hauptmann!
Hauptmann! Was machst du? Bist du wahnsinnig geworden?
RÄUBER MOOR (auf den
Leichnam mit starrem Blick). Sie ist getroffen! Dies Zucken noch, und
dann wirds vorbei sein - Nun, seht doch! Habt ihr noch was zu fordern? Ihr
opfertet mir ein Leben auf, ein Leben, das schon nicht mehr euer war, ein
Leben voll Abscheulichkeit und Schande - Ich hab euch einen Engel
geschlachtet. Wie, seht doch recht her! Seid ihr nunmehr zufrieden?
GRIMM. Du hast deine Schuld
mit Wucher bezahlt. Du hast getan, was kein Mann würde für seine Ehre tun.
Komm jetzt weiter!
RÄUBER MOOR. Sagst du das?
Nicht wahr, das Leben einer Heiligen um das Leben der Schelmen, es ist
ungleicher Tausch? - O ich sage euch, wenn jeder unter euch aufs
Blutgerüste ging und sich ein Stück Fleisch nach dem andern mit glühenden
Zangen abzwicken ließ, dass die Marter elf Sommertage dauerte, es wöge
diese Tränen nicht auf. (Mit bitterem Gelächter.) Die Narben, die
böhmischen Wälder! Ja! ja, dies musste freilich bezahlt werden.
SCHWARZ. Sei ruhig,
Hauptmann! Komm mit uns, der Anblick ist nicht für dich. Führe uns weiter.
RÄUBER MOOR. Halt - noch
ein Wort, eh wir weiter gehn - Merket auf, ihr schadenfrohen Schergen
meines barbarischen Winks - Ich höre von diesem Nun an auf, euer
Hauptmann zu sein - Mit Scham und Grauen leg ich hier diesen blutigen Stab
nieder, worunter zu freveln ihr euch berechtigt wähntet und mit Werken der
Finsternis dies himmlische Licht zu besudeln - Gehet hin zur Rechten und
Linken - Wir wollen ewig niemals gemeine Sache machen.
RÄUBER. Ha, Muthloser! Wo
sind deine hochfliegenden Plane? Sinds Seifenblasen gewesen, die beim
Hauch eines Weibes zerplatzen?
RÄUBER MOOR. O über mich
Narren, der ich wähnete, die Welt durch Gräuel zu verschönern und die
Gesetze durch Gesetzlosigkeit aufrecht zu halten! Ich nannte es Rache und
Recht - Ich maßte mich an, o Vorsicht, die Scharten deines Schwerts
auszuwetzen und deine Parteilichkeit gut zu machen - aber - o eitle
Kinderei - da steh ich am Rand eines entsetzlichen Lebens und erfahre nun
mit Zähnklappern und Heulen, dass zwei Menschen, wie ich, den ganzen
Bau der sittlichen Welt zu Grund richten würden. Gnade - Gnade dem
Knaben, der Dir vorgreifen wollte - Dein eigen allein ist
die Rache. Du bedarfst nicht des Menschen Hand. Freilich stehts nun
in meiner Macht nicht mehr, die Vergangenheit einzuholen - schon bleibt
verdorben, was verdorben ist - was ich gestürzt habe, steht ewig niemals
mehr auf - Aber noch blieb mir etwas übrig, womit ich die beleidigten
Gesetze versöhnen und die misshandelte Ordnung wiederum heilen kann. Sie
bedarf eines Opfers - eines Opfers, das ihr unverletzbare Majestät vor der
ganzen Menschheit entfaltet - diese Opfer bin ich selbst. Ich selbst muss
für sie des Todes sterben.
RÄUBER. Nehmt ihm den Degen
weg - er will sich umbringen.
RÄUBER MOOR. Toren ihr! Zu
ewiger Blindheit verdammt! Meinet ihr wohl gar, eine Todsünde werde das
Äquivalent gegen Todsünden sein? Meinet ihr, die Harmonie der Welt werde
durch diesen gottlosen Misslaut gewinnen? (Wirft ihnen seine Waffen
verächtlich vor die Füße.) Er soll mich lebendig haben. Ich geh, mich
selbst in die Hände der Justiz zu überliefern.
RÄUBER. Legt ihn in Ketten!
Er ist rasend worden.
RÄUBER MOOR. Nicht, als ob
ich zweifelte, sie werde mich zeitig genug finden, wenn die obern Mächte
es so wollen. Aber sie möchte mich im Schlaf überrumpeln, oder auf der
Flucht ereilen, oder mit Zwang und Schwert umarmen; und dann wäre mir auch
das einige Verdienst entwischt, dass ich mit Willen für sie gestorben bin.
Was soll ich, gleich einem Diebe, ein Leben länger verheimlichen, das mir
schon lang im Rat der himmlischen Wächter genommen ist?
RÄUBER. Lasst ihn
hinfahren! Es ist die Großmannsucht. Er will sein Leben an eitle
Bewunderung setzen.
RÄUBER MOOR. Man könnte
mich darum bewundern. (Nach einigem Nachsinnen.) Ich erinnere mich,
einen armen Schelm gesprochen zu haben, als ich herüberkam, der im Taglohn
arbeitet und elf lebendige Kinder hat - Man hat tausend Louisdore geboten,
wer den großen Räuber lebendig liefert. Dem Mann kann geholfen werden. (Er
geht ab.)
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