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Die
▪
Figurencharakterisierung im
▪ dramatischen Text
kann grundsätzlich ▪ direkt oder indirekt
erfolgen.
Informationen, mit denen eine einzelne Figur
etwas Charakterisierendes über sich selbst aussagt oder Berichte und
Kommentare, die von anderen
Figuren über eine Figur abgegeben werden, bezeichnet man nach
Pfister
(1977, S.251) als
▪
figurale Techniken der
▪ Figurencharakterisierung
im
▪ Drama.
Zur
figuralen Charakterisierung
im Drama können nach
Pfister
(1977, S.251) neben den ▪
implizit-figuralen folgende explizit-figurale Techniken verwendet
werden.
-
Fremdkommentar, der in einem Monolog oder in einem Dialog
abgegeben wird
-
Eigenkommentar, der in einem Monolog oder in einem Dialog
abgegeben wird

Textinterpretation, literarische Charakteristik und
explizit-figurale Techniken der Figurencharakterisierung
Die explizit-figuralen
Charakterisierungstechniken müssen, vergleichsweise unabhängig
von dem jeweiligen ▪
dramendidaktischen Konzept, eigentlich immer bei der ▪
schulischen Interpretation dramatischer Texte oder der ▪
literarischen Charakteristik einer dramatischen Figur
berücksichtigt werden, und zwar bei allen drei Formen der
Inszenierung.

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Exposition einer Figur in Form expliziter
figuraler Charakterisierung
In manchen Dramen wird eine Figur schon vor
ihrem ersten Auftreten durch eine oder mehrere andere Figuren
charakterisiert.
Solche perspektivischen Zuschreibungen
setzen dem Rezipienten zunächst quasi eine Brille auf, durch die
er die später auftretende Figur wahrnimmt. Je später dies ist
und abhängig von der Art und der Anzahl solcher Zuschreibungen
wird seine Wahrnehmung also dadurch gesteuert. Damit ist er aber
auch aufgefordert, das entstandene Bild einer Figur mit ihrem
späteren Auftreten zu vergleichen. (vgl.
Schößler 2017, S.78)
-
So ist dies z. B. in ▪
Friedrich Schillers
(1759-1805) Drama ▪ "Die Räuber" (I,1),
in der ▪
Franz Moor seinen Bruder
▪
Karl im
▪ Dialog mit seinem Vater Maximilian Moor (=
Der alte Moor)
aus seiner Perspektive charakterisiert.
-
Auch
in seiner »Wallenstein-Trilogie
wird in »Wallensteins
Lager (1798) der Auftritt Wallensteins im dritten Teil
der Trilogie (= »Wallensteins
Tod (1799)) dadurch dialogisch vorbereitet, dass
sich seine Soldaten über ihren Feldherrn auslassen. Was sie
über ihn sagen, kann der Zuschauer / Leser dann mit dem
vergleichen, was er später von Wallenstein zu hören und zu
sehen bekommt.
-
Auch in »Johann
Wolfgang von Goethes (1749-1832) Drama »Torquato
Tasso (1789/90) ist der Titelheld, ehe er in der
»3.Szene des 1.Aktes auftritt, schon Gegenstand der
Dialoge der »Prinzessin
und Leonore (I,1) und ▪
der beiden zusammen mit Alfons (II,2).
-
In seinem Drama ▪
Egmont (1775-87) lässt »Goethe
die Titelfigur des ▪
Grafen Egmont,
ehe er selbst auftritt, "gleich dreimal aus einer jeweils
anderen Optik (...) zeigen, zuerst aus der Sicht seiner
niederländischen Landsleute, dann aus der der spanischen
Besatzungsmacht und zuletzt aus der privaten Sicht seiner
Geliebten." (Gelfert
1992/2002, S.17)
-
»William
Shakespeare (1564-1616) lässt seinen »Richard
III. (um 1592) in »
IV,2 sich selbst "gleich zu Beginn des Stückes in seiner
ganzen Skrupellosigkeit" vorstellen (ebd.),
auch wenn "man als Zuschauer eine solche
Selbstcharakterisierung als allzu direkt und plump"
empfindet. (ebd.)
Beispiel für Fremdkommentar
▪
Franz Moor charakterisiert seinen Bruder
▪
Karl in
▪
Friedrich Schillers Drama
▪ "Die Räuber" (I,1) im Dialog mit seinem Vater Maximilian Moor (=
Der alte Moor) als
Fremdkommentar.
-
Dabei stellt er sich als
Sprachrohr von charakterisierenden
Äußerungen seines Vaters (in roter Farbe markiert)
dar.
-
Zugleich steuert er aber auch eigene
kommentierende Äußerungen zur Charakterisierung Karls (grüne
Markierung) bei.
DER ALTE MOOR. Oh - meine
Aussichten! Meine goldenen Träume!
FRANZ. Das weiß ich wohl.
Das ist es ja, was ich eben sagte. Der
feurige Geist, der in dem
Buben lodert, sagtet Ihr immer, der
ihn für jeden Reiz von Größe und Schönheit so empfindlich macht, -
diese Offenheit, die seine Seele auf dem Auge
spiegelt, diese Weichheit des Gefühls, die ihn bei jedem Leiden in
weinende Sympathie dahinschmelzt, dieser männliche
Mut, der ihn auf den Wipfel hundertjähriger Eichen treibet und über
Gräben und Palisaden und reißende Flüsse jagt, dieser
kindische Ehrgeiz, dieser
unüberwindliche Starrsinn und alle
diese schöne, glänzende Tugenden, die im
Vatersöhnchen keimten,
werden ihn dereinst zu einem warmen Freund
eines Freundes, zu einem trefflichen
Bürger, zu einem Helden,
zu einem großen, großen Manne
machen. - Seht Ihr's nun, Vater! - der feurige Geist hat sich entwickelt,
ausgebreitet, herrliche Früchte hat er getragen.
Seht diese Offenheit, wie
hübsch sie sich zur Frechheit herumgedreht hat!
seht diese Weichheit, wie zärtlich sie
für Koketten girret, wie so empfindsam für die Reize einer Phryne!
Seht dieses feurige Genie, wie es das Öl
seines Lebens in sechs Jährchen so rein weggebrannt hat, dass er bei
lebendigem Leibe umgeht, und da kommen die Leute und sind so unverschämt
und sagen: c'est l'amour qui a fait ça! Ah! seht doch diesen kühnen,
unternehmenden Kopf, wie er Plane schmiedet und ausführt, vor denen die
Heldentaten eines
Cartouches und Howards verschwinden! - Und wenn erst diese prächtigen
Keime zur vollen Reife erwachsen - was lässt sich auch von einem so zarten
Alter Vollkommenes erwarten? - Vielleicht, Vater, erlebt Ihr noch die
Freude, ihn an der Fronte eines Heeres zu erblicken, das in der heiligen
Stille der Wälder residieret und
dem müden Wanderer seine Reise um die Hälfte der Bürde erleichtert
-
vielleicht könnt Ihr noch, eh Ihr zu Grabe geht, eine Wallfahrt nach
seinem Monumente tun, das er sich zwischen Himmel und Erden errichtet -
vielleicht, o Vater, Vater, Vater -
seht Euch nach einem andern
Namen um, sonst deuten Krämer und Gassenjungen mit Fingern auf Euch,
die Euren Herrn Sohn auf dem Leipziger Marktplatz im Porträt gesehen
haben.
DER ALTE MOOR. Und auch du,
mein Franz, auch du? O meine Kinder! wie sie nach meinem Herzen zielen!
FRANZ (mit Lachen ihm
nachsehend). Tröste dich, Alter! du wirst ihn nimmer an diese Brust
drücken; der Weg dazu ist ihm verrammelt, wie der Himmel der Hölle - Er
war aus deinen Armen gerissen, ehe du wusstest, dass du es wollen könntest
- Da müsst ich ein erbärmlicher Stümper sein, wenn ichs
nicht einmal so weit gebracht hätte, einen Sohn vom Herzen des
Vaters loszulösen, und wenn er mit ehernen Banden daran geklammert
wäre - Ich hab einen magischen Kreis von Flüchen um dich gezogen,
den er nicht überspringen soll - Glück zu, Franz!
weg ist das Schoßkind - der Wald
ist heller.
Beispiel für Eigenkommentar
▪
Franz Moor charakterisiert sich selbst in
▪
Friedrich Schillers Drama
▪ "Die Räuber" (I,1) im Dialog mit seinem Vater Maximilian Moor (=
▪
Der alte Moor)
als
Eigenkommentar, aber er
spricht über sich auch wieder so, als habe ihn der
Vater so bezeichnet.
DER ALTE MOOR. Und auch du,
mein Franz, auch du? O meine Kinder! wie sie nach meinem Herzen zielen!
FRANZ.
Ihr seht,
ich kann auch witzig sein, aber mein Witz ist Skorpionstich.
- Und dann der trockne Alltagsmensch,
der kalte, hölzerne Franz, und wie
die Titelchen alle heißen mögen, die Euch der Kontrast zwischen ihm und
mir mocht' eingegeben haben, wenn
er
Euch auf dem Schloße saß,
FRANZ (mit Lachen ihm
nachsehend). Tröste dich, Alter! [...] Ich
habe große Rechte, über die Natur ungehalten zu sein, und bei meiner Ehre,
ich will sie geltend machen. - Warum bin ich nicht der Erste aus
Mutterleib gekrochen? warum nicht der Einzige? Warum musste sie mir diese
Bürde von Hässlichkeit aufladen? gerade mir? Nicht anders, als ob sie bei
meiner Geburt einen Rest gesetzt hätte. Warum gerade mir die Lappländersnase?
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Gert Egle. zuletzt bearbeitet am:
13.07.2020
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