Im Gleichnis "beginnt bereits, indem
das Subjekt des Bildes genannt
wird, das selbständige und bildlose Aussprechen der Bedeutung. Der
Unterschied liegt jedoch darin, dass im Gleichnis dasjenige, was das
Bild ausschließlich im bildlicher Form darstellt, auch in seiner
Abstraktion als Bedeutung, welche dadurch neben ihr Bild tritt und
mit demselben verglichen wird, für sich eine eigenständige
Ausdrucksweise erhalten kann.
Metapher und Bild veranschaulichen die
Bedeutung, ohne sie auszusprechen, so dass
nur der
Zusammenhang. in welchem Metaphern und Bilder vorkommen, offen
anzeigt, was eigentlich mit ihnen gesagt sein soll. Im Gleichnis
dagegen sind beide Seiten, Bild und Bedeutung – wenn zwar mit
geringerer oder größerer Ausführlichkeit bald des Bildes, bald der
Bedeutung –
vollständig geschieden, jede für sich hingestellt und
dann erst in dieser Trennung aufeinander der Ähnlichkeiten ihres
Inhalts wegen bezogen.
In dieser Beziehung kann man das Gleichnis teils eine bloß müßige
Wiederholung nennen, insofern ein und derselbe Inhalt in
doppelter, ja in dreifacher und vierfacher Form zur Darstellung
kommt, teils einen häufig langweiligen Überfluss, da die
Bedeutung schon für sich da ist und keiner weiteren
Gestaltungsweise, um verstanden zu werden, bedarf. Mehr noch als bei
dem Bilde und der Metapher fragt es sich deshalb bei der
Vergleichung als solcher nach einem wesentlichen Interesse und Zweck
in dem Gebrauch vereinzelter oder gehäufter Gleichnisse. Denn der
bloßen Lebendigkeit wegen, wie man gewöhnlich meint, sind sie ebenso
wenig als der größeren Deutlichkeit willen anzuwenden. Im Gegenteil
machen Gleichnisse ein Gedicht
nur allzu oft matt und schwerfällig,
und ein bloßes Bild oder eine Metapher kann gleiche Klarheit haben,
ohne erst die Bedeutung außerdem daneben zu stellen."
(aus: Friedrich Wilhelm Hegel,
Ästhetik, zit. n.
Dithmar 1982, S.178f.)
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Gleichnis
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
21.12.2023