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Bausteine
Die Abgrenzung von anderen Textsorten
Die ▪ Parabel ist nicht einfach eine
Textsorte
wie jede andere. Sie lässt sich nicht so ohne weiteres in ein System einordnen
und die Textsorten, die mit ihr als verwandt gelten, sind dies oft so,
dass sie vordergründig eine ausgesprochen hohe Ähnlichkeit mit ihr
besitzen. Und wenn die Entwicklung der modernen Literatur mit
berücksichtigt wird, wird auch schnell klar, dass die Bezeichnung Parabel als Gattungsbegriff zu eng"
geworden ist. (Braak
1969, S.164)
Oft wird die Parabel mit mehr oder minder verwandten Textsorten
wie der
Fabel,
der
Kurzgeschichte, der
Allegorie
oder dem
Gleichnis
in einem Atemzug genannt. Und in der Tat gibt es oft nicht viel und
schon gar nicht in letzter Konsequenz Trennscharfes, was diese
literarischen Formen, die jede auf ihre Weise das "uneigentliche
Sprechen" praktizieren, voneinander unterscheiden. Und für manche
ist die Parabel wie das
Gleichnis
ohnehin
eine übergeordnete Form, die in verschiedenen
Literaturgattungen zu Hause ist.
Erst Lessing hebt die Parabel von der Fabel ab
In der ▪
engeren Gattungsgeschichte der ▪
traditionellen Parabel hat erst
▪
Lessing (1729-1781)
mit seinem Text "Eine
Parabel" die Gattung Parabel in der deutschen ▪
Literaturgeschichte etabliert und damit die Unterscheidung
von Parabel und Fabel fürs erste fundiert.
Vorher, vom Ende des 17. Jahrhunderts bis 1778, werden solche Texte
eigentlich nicht als
besondere Gattung aufgefasst, sondern wie z. B. die biblischen
Parabeln unter dem Begriff des
Gleichnisses zusammengefasst. Oft
wird die Parabel aber auch den
Fabeln zugeordnet, von deren Begriffsentwicklung sie "wenigstens
parasitär (profitiert)". (Reallexikon
der deutschen Literatur (2007), Bd. III, S.13)
Die globale Anthropomorphisierung des Figurals unterscheidet die
Fabel von der Parabel
Die Parabel teilt das Merkmal die
relative Kürze des Texts mit der Fabel. Beide sind kurze
Erzähltexte.
Die Kürze ist aber ohnehin kein wirklich trennscharfes Kriterium.
Grundlegendes Unterscheidungsmerkmal von Parabel und Fabel ist
die bei der Fabel konstitutive vollständige Vermenschlichung (Anthropomorphisierung)
der vorwiegend aus der Tierwelt, aber auch aus anderen
nicht-menschlichen Bereichen stammenden Figuren.
Dieses Figural (z. B. der Löwe, der Rabe, der Fuchs, die Eiche,
etc.) verhält sich, denkt und spricht wie selbstverständlich so wie
dies sonst nur die Menschen tun. (vgl.
Zymner 2006, S.306)
Dies führt auch zu der typisch "antirealistischen Erzählweise"
der Fabel, bei der es nicht darum geht, "die Illusion eines
tatsächlichen Geschehensablaufs hervorzurufen." (Schrader
1986)
Die Fabel hat wie die traditionelle Parabel eine didaktische
Funktion
Wie die ▪ traditionelle Parabel
hat auch die Fabel eine didaktische Funktion: Sie will also eine
Lehre vermitteln. Dies tut sie im Allgemeinen in einfachen Bildern,
die, das zeigen die oft abschließenden Lehrsätze, einen Sachverhalt
belegen.
Auch die Fabel hat einen Bildteil und einen Sachteil
Ähnlich wie die Parabel weist auch die Fabel eine Doppelstruktur
auf. Sie besitzt einen Bildteil, der in dem erzählten Geschehen bzw.
der erzählten Handlung besteht, und einen Sachteil, "der die
Beziehung dieser als Bild dargestellten Handlung auf den "Sitz im
Leben (thematisiert). Das Grundmuster der Fabel wird konstituiert
durch die Schilderung des Vorgangs in einer im Bild verschlüsselten
Handlung (Information) und durch die Ausdeutung allegorischer
Erzählung durch Formulierung einer Lehre (Interpretation). [...] Die
Funktion der allegorischen Rede zielt darauf, einen Sinnzusammenhang
durch einen anderen zu veranschaulichen, bzw. Ansichten, Wahrheiten,
Regeln in der Form des Bildes einprägsam werden zu lassen." (ebd.)
Man kann daher in der Verwendung des allegorischen Prinzips, bei dem
das Gemeinte bereits aus dem Erzählten selbst deutlich wird, ein
Unterscheidungsmerkmal zur Parabel sehen. Jedenfalls ist bei einer
Fabel, "der Bildteil ... auch ohne die 'Lehre' verstehbar." (ebd.)
Prototypen statt normative Textmuster
Bei der schulischen Textinterpretation ist heute die Frage,
danach ob ein Text einer bestimmten Textsorte zugeordnet werden
kann, immer noch sehr wichtig. Allerdings kommt es weniger
darauf an, ob ein Text als Ausdruck eines überzeitlichen
normativen Textmusters angesehen werden kann. Besser ist es, ihn
in seiner jeweiligen Gestalt als
Prototypen
zu betrachten, der abhängig von einer bestimmten
politisch-gesellschaftlich und kulturellen Situation bestimmte
Textsortenmerkmale mal mehr, mal weniger ausbildet.
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Bausteine
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
21.12.2023
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