Petter
un Baul*
Ein (historisches) Kleindrama in drei Akten
von Gert Egle
ERSTER AUFZUG
Klassenzimmer im Juli. Anwesend: 9 Schülerinnen und Schüler (8 fehlen
ganztägig,
3 unentschuldigt nach der Großen Pause). Geruch von warmem Fleischkäse, Schweiß
und Deodorants in der Luft)
Erster Auftritt
Fr. Gründel-Kern (von rechts durch die Türe
eintretend, dann im Zickzack zwischen Bananenschalen, zertretenen Kreidestücken,
Coca-Cola-Büchse in brauner Lache, umgeworfenem Papierkorb; hinter das
Lehrerpult): Guten Morgen allerseits!
Zweiter Auftritt
Marco (durch die Türe schlurfend, von rechts):
Gehn wir ’n Eis essen?
Fr. Gründel-Kern (die Augen rollend, dann zu
Dominik in der ersten Bank): Könntest du dein Fleischkäsbrötchen später
fertig essen?
Dominic (angekäst): Dann isses kalt!
(isst weiter, während Annabel ihren Platz verlässt und Richtung Türe geht)
Fr. Gründel-Kern (sieht Annabel fragend an
und hantiert am Tageslichtprojektor): Ähm, Annab...
Annabel: Ich muss mal eben. (ab)
Dritter Auftritt
Mehmet (durch die Türe schlurfend, von
rechts, mit betont langem O): ... war noch auf’m Klo (grinst, während Fr.
Gründel-Kern, das Licht des Overheadprojektors einschaltet)
Paul (in der zweiten Reihe vorn links, lacht
laut, dann zu Peter, der in der entgegengesetzten Ecke, in der letzten Reihe
ganz rechts döst): Peter, Mann, Alter, gehn wir nachher Döner?
Fr. Gründel-Kern (legt Folie auf; an der mit
Flecken übersäten Wand erscheint ein Plakat zu einer Brautmesse in der Stadt.
Auf dem Plakat eine gut aussehende, junge Braut mit großen Brüsten im Dekolleté)
Marco (springt auf, dreht sich zur Klasse,
mit nach vorne geworfenen Armen und gespreizten Fingern): Boah, echt scharf
die Alte, geil, Mann!
Claudia: Ey, du bist so ein Arschloch ...
(Marco zeigt ihr den Stinkefinger)
Fr. Gründel-Kern (schreibt an die Tafel:
MODERNE LEBENSFORMEN – VON DER EHE BIS ZUR GLEICHGESCHLECHTLICHEN PARTNERSCHAFT):
Das zum Mitschreiben, ja!? Marco, setzen Sie sich.
Marco: Jetzt bin‘s wieder ich, hab‘ doch gar
nichts gemacht! (setzt sich widerstrebend wieder an seinen Platz)
Vierter Auftritt
Annabel (zurück): Kann ich die Tür
auflassen, hier stinkt’s nach Fleischkäs!
Dominic (mit vollem Mund): Besser als
nach deinem Intimspray!
Annabel: Wichser!
Peter (hebt den Kopf): Gegen wen geht’s?
ZWEITER AUFZUG
Erster Auftritt
Emine: Frau .... kommt das auch in Arbeit?
Fr. Gründel-Kern (nickt, dann mit Blick auf
den Tafelanschrieb): Was ist das eigentlich ....
Larissa (tippt in ihr Smartphone, blickt kurz
auf) Ist das jetzt eigentlich Deutsch oder GK?
Fr. Gründel-Kern (lächelt): ...Guten
Morgen, Larissa. (Halbe Klasse lacht und redet dann durcheinander) He,
Leute, ist ja gut .... (nach einer Pause, mit dem Finger auf den
Tafelanschrieb deutend) Also, was ist das eigentlich, eine
gleichgeschlechtliche ...
Emine: Wie heißt das erste Wort?
Fr. Gründel-Kern: Moderne
Janine (wie aus der Pistole geschossen):
Homoehe!
Fr. Gründel-Kern: Nein, moderne.
Emine: Was denn nun?
Marco: Boa, nee, das schreib ich nicht in mein
Heft!
Mehmet (zu Marco): Ist doch krass krank,
oder!
Fr. Gründel-Kern: Ja, ähm, dann lese ich noch
mal vor: Moderne Lebensformen. Von der Ehe bis zur gleichgeschlechtlichen –
Leute nehmt doch einfach mal einen Stift in die Hand! – Partnerschaft.
Emine (unterbricht ihr Zwiegespräch mit ihrer
Nachbarin Jennifer, ungeduldig): Das geht alles viel zu schnell. Wie heißt
jetzt das Wort nach ‚zur‘?
Janine: Homoehe!
Fr. Gründel-Kern: gleichgeschlechtlichen
Emine: In einem Wort?
Zweiter Auftritt
(Fabio und Mike öffnen die Türe von außen und kommen rein)
Marco: Na, Alter, wie war’s?
Fr. Gründel-Kern (ärgerlich und streng):
Wo kommen Sie jetzt her?
Fabio: Haben das Läuten nicht mitgekriegt, Mann.
(Beide gehen an Marco vorbei, der Fabio mit einem breiten Grinsen wie Poldolski
bei der Einwechselung in der 89. Minute abklatscht.)
Fr. Gründel-Kern (verzweifelt): Marco!
Marco: Wie so eigentlich immer ich?
Fr. Gründel-Kern: Also, sollen Schwule heiraten
dürfen?
Janine: Und Lesben nicht?
Fr. Gründel-Kern: Doch, natürlich, Schwule und
Lesben.
Mehmet (mit betont langem U): Schwule ...
Marco (dreht sich um, zu Mike): Hab ich gestern
auf YouTube geiles Lesbenvideo gesehn.
Annabel (grinst ihn an): Siehste, sag ich
doch!
Fr. Gründel-Kern (zu den anderen): Also,
was meint ihr, meinen Sie? (Pause) Dominic?
Dominic (aufgeschreckt): Warum denn ich?
Fr. Gründel-Kern: Und? (Marco dreht sich um
und macht Faxen; ungehalten) Marco!!!
Marco (dreht sich um): Warum denn ich...
ich dachte der Domi ist dran?
Paul: Mensch, Marco, jetzt halt doch mal die
Fresse!
Fr. Gründel-Kern: Also, Dominic? (Dominic
grübelt und schweigt) Also dann eben du, Mehmet. Wie stehst du als Moslem
dazu?
Emine (urplötzlich): Papst hat den Islam
beleidigt!**
Peter: Quatsch!
Emine: Klar, Papst hat den Islam beleidigt!
Andere Papst!
Fr. Gründel-Kern: Äh, also Mehmet?
Mehmet (steht auf, mit religiösem Eifer):
Wenn Gott Schwule gewollt hätte, dann hätte er nicht Adam und Eva gemacht,
sondern Peter und Paul!
(Peter und Paul springen auf, gehen auf Mehmet zu und drohen ihm. Die anderen
Schüler mischen sich unter das Handgemenge.)
DRITTER AUFZUG
Schülerinnen und Schüler nach dem Aufruhr immer noch herumstehend, aber schon
etwas beruhigt. Mehmet sitzt wieder an seinem Platz. Peter und Paul drohen ihm
weiter mit den Fäusten.
Erster Auftritt
Fr. Gründel-Kern (will beschwichtigen):
Kommt, Leute setzt euch wieder hin! Das hat der Mehmet doch nicht persönlich
gemeint.
Paul (immer noch mit hochrotem Kopf):
Selber schwule ....
Fr. Gründel-Kern: Schluss jetzt!
Janine: Kann ich mal ... (Fr. Gründel-Kern
nickt deprimiert; Janine durch die Türe ab)
Zweiter Auftritt
Fr. Gründel-Kern: Wenn wir uns alle jetzt wieder
eingekriegt haben, können wir ja weitermachen. Also, wie ist das nun mit den
gleichgeschlechtlichen Partnerschaften? (deutet erneut auf den Tafelanschrieb)
Wie ist es um die rechtliche Gleichstellung bestellt? (schreibt an die Tafel
unter die Überschrift: Die Frage der rechtlichen Gleichstellung; darunter
Tabelle mit zwei Spalten, Ehe links, gleichgeschlechtliche Partnerschaften
rechts)
Paul (steht, während die Lehrerin an der
Tafel schreibt, von seinem Platz auf und öffnet seinen Hosenladen; geht
schnurstracks nach vorne, wo Mehmet sitzt; dort holt er seinen Penis heraus und
legt ihn, soweit möglich, auf den Tisch, an dem Mehmet sitzt): Fuck you!
Annabel: Paul, du Schwein!
Emine: Bäh!
Marco: Krass!
Mehmet: Du stinkst! Hau ab, Mann! (Paul packt
ein und geht zurück zu seinem Platz)
Janine (von draußen zurück): Hab ich was
verpasst?
Fr. Gründel-Kern (dreht sich um und sieht
sich um): Ähm, ist was? (Pause, allgemeines Grinsen) Also dann wollen
wir mal zwei Gruppen einteilen ... (Schüler packen ihre Schulsachen ein,
einige stehen auf und gehen zur Türe)
Janine: Können wir schon gehen?
Fr. Gründel-Kern (fassungslos, mit
emphatischen „hat“ und “nicht“): Herrschaften, es hat noch nicht geläutet!
(Schüler zeigen sich unbeeindruckt, gequält) Na gut, aber erst rausgehen,
wenn es läutet, ja!
Marco (ganz vorne an der Türe, diese einen
Spalt öffnend): Aber alle anderen dürfen schon gehen!
Fr. Gründel-Kern (sucht mit Blicken Paul und
Mehmet): Ach, Paul und Mehmet, hätten Sie noch ein Minütchen? (Es läutet,
die Schule ist aus)
Mehmet: Sorry, wir gehen jetzt Döner. (Paul
und Peter nicken und grinsen)
*Der Titel müsste Hochdeutsch und orthografisch
korrekt natürlich „Peter und Paul“ heißen, lehnt sich aber aus Gründen der
historischen Authentizität an die dem Stückeschreiber verbürgte Aussprache an.
**Aus ähnlichen Gründen wie unter * müsste dieser Satz eigentlich so geschrieben
werden: Bappst hat den Islammm beleidigt. (Gemeint sind wohl umstrittene
Äußerungen Papst Benedikt XVI. in seiner Regensburger Rede am 12.9.2006 bei der
eine Aussage zur Rolle der Gewalt im Islam, die der byzantinische Kaiser Manuel
II. Palaiologos (1350–1425) während der Unterhaltung mit einem persischen
Gelehrten machte, zitierte. Diese Worte wurden von einer Reihe von Vertretern
des Islam als „Hasspredigt“ heftig kritisiert, wohingegen Hürriyet-Kolumnist
Mehmet Yilmaz betonte, aus dem Redetext gehe klar hervor, „dass sich der Papst
von den Zitaten aus dem Mittelalter distanziert habe“. (Wikipedia)
*** s. *
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