Als eine Variante des
▪ Unbestimmtheitskonzepts
»Roman Ingardens (1893-1970) hat
»Wolfgang Iser
(1926-2007) bei seiner ▪
Konstanzer
Antrittsvorstellung im Jahre 1969 die Kategorie der »Unbestimmtheit«
zum »Umschaltelement zwischen Text und Leser« (Iser) gemacht.
Iser unterscheidet
Unbestimmtheitsstellen im engeren Sinne
und Leerstellen und Negationen.
Unbestimmtheits-
stellen |
Leerstellen |
Negationen |
-
ergeben sich aus den
"schematisierten Ansichten" bzw. der Aspekthaftigkeit
und daraus folgenden
Unbestimmtheit
der
dargestellten Objekte
-
zeigen dem Leser eine »Komplettierungs-
notwendigkeit« (Iser) an
|
-
»unformulierte Beziehungen«
(Iser)
-
den
Textstrategien
zuzuordnen
-
zeigen dem Leser »Kombinationsnot-
wendigkeit« an
-
Stelle zwischen Textelementen,
deren Beziehung zueinander durch Hypothesenbildung geklärt
werden muss
|
-
dem
Textrepertoire
zuzuordnen
-
Bekanntes wird aufgerufen und
quasi "durchgestrichen"
-
bewirkt Modifizierung der
Einstellungen des Lesers durch »gezielte Teilnegationen«
»eingekapselter Normen« (Iser)
|
Der
wirkungästhetische
Ansatz Wolfgang Isers weist dem Leser die Aufgabe zu, die
Sinnkonstituierung vorzunehmen. Er tut dies, indem er dem im Text
enthaltenen und an ihn herangetragenen Appell nachkommt. Dabei
können die Leerstellen als eine Art vorgegebener Provokation des
Urteilsvermögens durch den Autor angesehen werden. (vgl.
Turk
1976, S.47f.)
Nach
Turk
(1976, S.47f.) kann man zwei verschiedene Arten von Leerstellen
unterscheiden:
-
Aussparung einer eindeutigen Bewertung des Geschehens mit einer
Reihe von möglichen Erfüllungsvariablen für die daraus entstehenden
Leerstellen
-
Angebot von Bewertungen (impliziter Leser) gegen die beliebige
Ausfüllung von Leerstellen
Katalog von textlichen Bedingungen für Leerstellen
-
Technik des harten Schnittes (vgl.
Kuleschow-Effekt im Film)
-
Abbrechen einer Erzählsequenz
-
unvermittelte Neueinführung von Figuren
-
Beginn neuer Handlungsstränge (z.B. bei Kapitelgrenzen)
-
Nicht auktorial-verbindliche Erzählerkommentare, die
selbst nur Hypothesen entwerfen; müssen vom Leser koordiniert bzw.
als Anspielung oder Ironie usw. erkannt werden.
-
Strategien literarischer
Camouflage
-
Verfremdungstechnik
(vgl.
Richter
1996, S.528f.) Eine detaillierte und mit vielen Beispielen versehene Auflistung von
▪ Leerstellentypen
stammt von
Michael
Titzmann (1977).
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
23.12.2023
|