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Formelemente eines Kreuzgedichtes erfassen (Catharina
Regina von Greiffenberg, Über den gekreuzigten Jesus)
Das
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Figurengedicht der in der protestantischen Mystik verwurzelten
geistlichen Lyrikerin »Catharina
Regina von Greiffenberg (1633-1694) ist ein so genanntes Kreuzgedicht,
hier in einer Druckfassung, wie sie im
▪ Barock üblich
waren. Catharina zählt zu den gelehrten und oftmals dichtenden Frauen der
Zeit, überstrahlt aber in ihrer Ausdrucks- und Erlebnistiefe vieler
ihrer Zeitgenossinnen. Wie sehr sich die weltliche mit der geistlichen
Lyrik, Vanitas-Gefühl, das
memento mori (Gedenke des TodesI und das carpe diemn (Nutze
den Tag) mit der christlichen Jenseitsperspektive verbinden und oft
kaum voneinander zu trennen sind (vgl.
Niefanger
2012, S.114), wird auch im Werk Catharinas deutlich.
Zu den wichtigsten
Werken der Autorin, deren Gesamtwerk über 4.000 Seiten umfasst, zählt
die 1662 in Nürnberg erschiene Sammlung Geistliche Sonnette / Lieder
und Gedichte zu Gottseeligem Zeitvertreib, 1662 und die über ein
Jahrzehnt später publizierte Gedichtsammlung Sieges-Seule der
Buße und Glaubens / wider den Erbfeind Christliches Namens, 1675,
in der sie sich mit der damals aktuelle Bedrohung Österreichs durch
das ▪
Osmanische Reich beschäftigte.
Das Figurengedicht
Über den gekreuzigten / JESUS von »Catharina
Regina von Greiffenberg (1633-1694) wurde 1662 in der Sammlung mit dem
Titel "Geistliche
Sonnette / Lieder und Gedichte zu Gottseeligem Zeitvertreib, 1662"
in Nürnberg veröffentlicht. Es wurzelt wie ihre anderen Werke in ihrem
tiefen lutherisch-protestantischen Glauben und zielt im Allgemeinen
darauf, den allmächtigen Gott zu loben, was immer wieder Anzeichen
mystischen Gedankenguts aufweist. Schon ein Blick ins Titelverzeichnis
der Sammlung macht dies deutlich, aus dem willkürlich hier ein paar
wenige Titel ihrer Gedichte und Sonette zitiert werden, z. B.
Heiliges Lobverlangen, Demütiger Entschluss - Gott zu loben, Über Gottes
Ersetz- und Ergötzen, Uber des Glaubens Kraft, Auf Gottes Herrliche
Wunder Regirung usw.

(Quelle: »Wikipedia)
Neben
den mystischen Anklängen ihrer Dichtung war aber auch die Neigung
der Autorin, sehr verschlüsselt wirkende
Metaphern zu
verwenden (sie schreibt eben keine ▪
Volkspoesie!), eine
Hürde, die viele Leserinnen, selbst wenn sie hinreichend gebildet
waren, nicht ohne weiteres überwinden konnten. Anzunehmen ist, dass
sie sich in ihrem Streben nach Meisterschaft durchaus in dem Rahmen
bewegte, den andere Gelehrte, Theologen, Prediger und Künstler der
Zeit vorgegeben haben. Diese stützten sich bei den von ihnen
verwendeten Bilder, Emblemen und Allegorien nämlich auf Lexika, "in
denen dieser aus vielen Quellen geschöpfte Bilderschatz endlos
verzeichnet, systematisiert und damit handlich gemacht erscheint. "
(Herzog 1979,
S.92f.)
Vor allem die
Emblematik war "im 17. Jahrhundert ein bildersprachliches System,
als solches wie eine zweite, eine Fremdsprache lernbar. Vor
Fassaden, in barocken Schlössern und Kirchen mit ihren Devisen,
Allegorien und emblematischen Programmen stehen wir ratlos. Uns sind
das „Hieroglyphen“, nicht mehr zu lesen. Der barocke Betrachter aber
war eingeweiht." (ebd.)
Jedenfalls
erreichten die Texte bzw. Bücher »Catharina
Regina von Greiffenbergs aus verschiedenen Gründen (fehlender
literarischer Markt, kleines Lesepublikum, Schwierigkeit der Texte)
wohl nur einen sehr kleinen Leserkreis in einer Zeit, in der Lesen
immer noch keine verbreitete Kulturtechnik war.
Zudem war die ▪
Buchproduktion der Barockzeit vor allem an dem Herstellen von
Werken für den zeitgenössischen gelehrten Diskurs orientiert, auch
wenn es daneben eine ganze Reihe volksmedizinischer Schriften mit
Anleitungen für Diäten oder sonstigen Therapieanleitungen, Arznei-
und Kräuterbücher und sogar Kochbüchern gab, in denen es um
Gesundheitsfragen und die Heilung von Krankheiten ging. Diese Bücher
in deutscher Sprache waren offenbar für einen größeren städtischen
Leserkreis gedacht. (vgl.
Schneider
2015, S.743) Aber sogar Unterhaltungsliteratur war schon im Angebot,
das sich vor allem an lesende Frauen in den Städten richtete, die im
Übrigen auf Erbauungsliteratur und den Katechismus zur Lektüre
zurückgreifen konnten. Eine größere Verbreitung hatte lediglich die
sogenannte ▪
Gelegenheitsdichtung, die aber auch mit zahlreichen Produkten
zweifelhafter Qualität aufwartete.
Äußere und innere Gestalt im Wechselbezug: Bild-Text-Bezug
Das Figurengedicht
Über den gekreuzigten / JESUS von »Catharina
Regina von Greiffenberg (1633-1694) ist eine sehr fein durchgestaltete
Textgrafik. Sie verbindet äußere, bildsprachliche (ikonografische)
Elemente des Kreuzsymbols mit den syntaktischen und metrischen
Ordnungsprinzipien des Textes und beide verweisen im
Wechselspiel auf den gekreuzigten Jesus Christus. Ein/e kompetente/r
Leserin* könne darin, so betont
Veweyen
(ebd.) das Zusammenwirken dieser Strukturen erkennen.
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So werde
im Bereich des oberen Kreuzstammes "von der dörner wunden" und den
zum Todesschlaf sich schließenden Augen gesprochen.
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Im so genannten
pictura-Teil des Querbalkens folge die Bild-Text-Kombination mit den
ausgestreckten Armen und dem tief herabgesunkenen Gesicht bildlichen
Darstellungen.
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Die Reime des Querbalkens seien
metrisch von achthebigen,
trochäisch bestimmten und
dadurch ernst wirkenden Langversen geprägt. während die Kurzverse im
Kreuzstamm unterhalb des Querholzes aus vierhebigen
Trochäen bestünden und
damit den Ernst des lyrischen Sprechens unterstreichen würden und sich auf
die Seitenwunde und den gegeißelten Leib bezögen.
-
Letzten Ende könne der
betrachtende und meditierende Rezipient des Kreuzgedichts, das
"Fleischwerden des 'Wortes'" selbst erfahren.
Barocke und moderne
Druckfassung im Vergleich
In einer modernen Druckfassung, die der»
Fassung der
Handschrift nicht folgt, liest sich das Gedicht wie folgt:

(Catharina
Regina von Greiffenberg: Geistliche Sonette, Nürnberg 1662, S. 402-403,
http://www.zeno.org/nid/20004881273)
Diese Fassung kann jedoch, wie
Verweyen (o. J.)
betont, das »handschriftliche Original kaum repräsentieren und erreicht die darin zur
Gestaltung kommende "größtmögliche Übereinstimmung zwischen der Textgestalt
des Gedichtes, dem Umriss in Kreuzform, und dem Thema des Textes, der Passion
Christi am Kreuz und ihrer Erlösungsfunktion für den gläubigen Betrachter"
nicht.
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Formelemente eines Kreuzgedichtes erfassen (Catharina
Regina von Greiffenberg, Über den gekreuzigten Jesus)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
26.01.2022
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