Nirgends hin / als auff den Mund /
da sinckts in deß Hertzen grund.
Nicht zu frey / nicht zu gezwungen
nicht mit gar zu fauler Zungen.
Nicht zu wenig / nicht zu viel
5
Beydes wird sonst Kinder–spiel.
Nicht zu laut / und nicht zu leise /
Beyder Maß' ist rechte weise.
Nicht zu nahe / nicht zu weit.
Diß macht Kummer / jenes Leid.
10
Nicht zu trucken / nicht zu feuchte/
wie Adonis1
Venus2
reichte.
Halb gebissen / halb gehaucht.
Halb die Lippen eingetaucht.
Nicht ohn Unterschied der Zeiten.
15
Mehr alleine denn beyd Leuten.
Küsse nun ein Idermann
Wie er weiß / will und kan.
Ich nur / und die Liebste wissen /
Wie wir uns recht sollen küssen.
20
(in der Fassung des
Abdrucks: Gedichte des Barock, hrsg. V. Ulrich Maché und Walter Meid,
Stuttgart: Reclam 9280, dort: Text nach der Ausgabe von 1646
Worterklärungen:
1
Adonis: »Adonis
ist in der »griechischen
Mythologie das »Sinnbild oder
der Gott der Schönheit und der Vegetation und einer der Geliebten der »Aphrodite (oder
ihrer römischen Entsprechung »Venus);
wird meist als wunderschöner Jüngling beschrieben und dargestellt; als
Nachfahre des »Pygmalion
und dessen Beziehung mit dem Fleisch gewordenen Abbild der Aphrodite
verweist der Mythos auch auf das Thema
des »Inzests;
Venus muss ihre Liebe zu Adonis auf Geheiß des
olympischen Göttervaters »Zeus
mit dessen Tochter »Persephone
einer »Toten-, »Unterwelt-
und »Fruchtbarkeitsgöttin
teilen (in der »
römischen Mythologie heißt sie
Proserpina); die verschiedenen Fassungen des Mythos, in denen Adonis
stirbt, ohne sich jemals mit Venus vereinigt zu haben, handeln immer
wieder auch von unerfüllter Liebe und Tod.
2 Venus: »Venus
ist in der »römischen
Mythologie Göttin der Liebe, der Schönheit und der
sinnlichen Begierde; ihr gr. Pendant ist die »olympische
Göttin »Aphrodite,
die oft als Beschützerin der geschlechtlichen Liebe dargestellt wird und
als verkörpertes Ideal der Schönheit; zudem wird sie als
Fruchtbarkeitsgöttin verehrt.