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Dreißigjähriger Krieg (1618-1648)
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Überblick
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Bevölkerungsverluste
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Alltag zwischen Krieg und
Frieden
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Quellenauswahl
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Ein Kriegsbericht, 1638
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Klagen der Pommerschen Gesandten
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Tod und Überleben im Krieg: Bericht eines Pfarrers, 1636
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Die Lage nach dem Krieg
Streng genommen ist
»Jakob Christoph (Christoffel) von
Grimmelshausens (1622-1676) Roman ▪Simpicissismus
Teutsch (1669) keine Autobiografie, besitzt aber, darüber ist
man sich einig, zahlreiche autobiografische Züge.
Die erzählte Lebensgeschichte der Titelfigur ist angereichert mit
frei erfundenen Passagen und der Ausgestaltung zahlreicher
literarischer Motive. Außerdem sind zahlreiche Märchen, Mythen und
Schwänke in die Romanhandlung eingegangen. Was ihn aber darüber in
besonderem Maße auszeichnet ist die überaus realistische Darstellung
der Lebensverhältnisse im frühen 17. Jahrhundert und der Gräuel des
▪
Dreißigjährigen Krieges (1618-1648).
Am Ende seines wechselvollen Lebens zieht sich Simplicius wieder in
die Einsamkeit seiner Einsiedelei zurück, die er vor langer Zeit als
Zögling eines Einsiedlers in den Wäldern des Spessart notgedrungen
nach dessen Tod verlassen hatte, um in die Welt hinauszuziehen.
Das 24. Kapitel
Ist das allerletzte, und zeiget an, warum und welchergestalt
Simplicius die Welt wieder verlassen
Adieu Welt,
denn auf dich ist nicht zu trauen, noch von dir nichts zu hoffen, in
deinem Haus ist das Vergangene schon verschwunden, das Gegenwärtige
verschwindet uns unter den Händen, das Zukünftige hat nie
angefangen, das Allerbeständigste fällt, das Allerstärkste
zerbricht, und das Allerewigste nimmt ein End; also, daß du ein
Toter bist unter den Toten, und in hundert Jahren läßt du uns nicht
eine Stund leben.
Adieu Welt,
denn du nimmst uns gefangen, und läßt uns nicht wieder ledig, du
bindest uns, und lösest uns nicht wieder auf; du betrübest, und
tröstest nit, du raubest, und gibest nichts wieder, du verklagest
uns, und hast keine Ursach, du verurteilest, und hörest keine
Partei; also daß du uns tötest ohne Urteil, und begräbest uns ohne
Sterben! Bei dir ist keine Freud ohne Kummer, kein Fried ohne
Uneinigkeit, keine Lieb ohne Argwohn, keine Ruhe ohne Furcht, keine
Fülle ohne Mängel, keine Ehr ohne Makel, kein Gut ohne bös Gewissen,
kein Stand ohne Klag, und keine Freundschaft ohne Falschheit.
Adieu Welt,
denn in deinem Palast verheißet man ohne Willen zu geben, man dienet
ohne Bezahlen, man liebkoset, um zu töten, man erhöhet, um zu
stürzen, man hilft, um zu fällen, man ehret, um zu schänden, man
entlehnet, um nicht wiederzugeben, man straft, ohne Verzeihen.
Behüt
dich Gott Welt,
denn in deinem Haus werden die großen Herren
und Favoriten gestürzt,
die Unwürdigen hervorgezogen, die
Verräter mit Gnaden
angesehen, die
Getreuen in Winkel gestellt, die
Boshaftigen ledig gelassen, und
die Unschuldigen verurteilt;
den Weisen
und Qualifizierten gibt man Urlaub, und den
Ungeschickten große Besoldung,
den Hinterlistigen wird
geglaubt, und
die
Aufrichtigen und Redlichen haben keinen Kredit,
ein
jeder tut was er will, und keiner was er tun soll.
Adieu Welt,
denn in dir wird niemand mit seinem rechten Namen genennet, den
Vermessenen nennet man kühn, den Verzagten vorsichtig, den
Ungestümen emsig, und den Nachlässigen friedsam; einen Verschwender
nennet man herrlich, und einen Kargen eingezogen; einen
hinterlistigen Schwätzer und Plauderer nennet man beredt, und den
Stillen einen Narrn oder Phantasten; einen Ehebrecher
und
Jungfrauenschänder nennet man einen Buhler; einen Unflat nennet man
einen Hofmann, einen Rachgierigen nennet man einen Eiferigen, und
einen Sanftmütigen einen Phantasten, also daß du uns das Giebige für
das Ungiebige, und das Ungiebige für das Giebige verkaufest.
Adieu Welt,
denn du verführest jedermann; den Ehrgeizigen verheißest du Ehr, den
Unruhigen Veränderung, den Hochtragenden Gnad bei Fürsten, den
Nachlässigen Ämter, den Geizhälsen viel Schätze, den Fressern und
Unkeuschen Freude und Wollust, den Feinden Rach, den Dieben
Heimlichkeit, den Jungen langes Leben, und den Favoriten verheißest
du beständige fürstliche Huld.
Adieu Welt,
denn in deinem Palast findet weder Wahrheit noch Treu ihre Herberg!
wer mit dir redet wird verschamt, wer dir traut wird betrogen, wer
dir folgt wird verführt, wer dich fürchtet wird am allerübelsten
gehalten, wer dich liebt wird übel belohnt, und wer sich am
allermeisten auf[ dich verläßt, wird auch am allermeisten zuschanden
gemacht; an dir hilft kein Geschenk so man dir gibt, kein Dienst so
man dir erweist, keine lieblichen Wort so man dir zuredet, kein Treu
so man dir hält, und keine Freundschaft so man dir erzeigt, sondern
du betrügst, stürzest, schändest, besudelst, drohest, verzehrest und
vergißt jedermann; dannenhero weinet, seufzet, jammert, klaget und
verdirbt jedermann, und jedermann nimmt ein End; bei dir siehet und
lernet man nichts, als einander hassen bis zum Würgen, reden bis zum
Lügen, lieben bis zum Verzweifeln, handeln bis zum Stehlen, bitten
bis zum Betrügen, und sündigen bis zum Sterben.
Behüt
dich Gott Welt,
denn dieweil man dir nachgehet, verzehret man
die Zeit in Vergessenheit, die Jugend mit Rennen, Laufen und
Springen über Zaun und Stiege, über Weg und Steg, über Berg und Tal,
durch Wald und Wildnis, über See und Wasser, in Regen und Schnee, in Hitz und Kält, in Wind und Ungewitter; die Mannheit wird verzehrt
mit Erzschneiden und -schmelzen, mit Steinhauen und -schneiden,
Hacken und Zimmern, Pflanzen und Bauen, in Gedanken Dichten und
Trachten, in Ratschläge ordnen, Sorgen und Klagen, in Kaufen und
Verkaufen, Zanken, Hadern, Kriegen, Lügen und Betrügen; das Alter
verzehrt man in Jammer und Elend, der Geist wird schwach, der Atem
schmeckend, das Angesicht runzlicht, die Länge krumm, und die Augen
werden dunkel, die Glieder zittern, die Nase trieft, der Kopf wird
kahl, das Gehör verfällt, der Geruch verliert sich, der Geschmack
geht hinweg, er seufzet und ächzet, ist faul und schwach, und hat
in
Summa nichts als Mühe und Arbeit bis in Tod.
Adieu Welt,
denn niemand will in dir fromm sein; täglich richtet man die Mörder,
vierteilt die Verräter, hänget die Dieb, Straßenräuber und
Freibeuter, köpft Totschläger, verbrennt Zauberer, straft
Meineidige, und verjagt Aufrührer.
Behüt
dich Gott Welt,
denn deine Diener haben kein andere Arbeit noch
Kurzweil, als faulenzen,
einander vexieren und ausrichten1,
den Jungfrauen hofieren,
den
schönen Frauen aufwarten, mit denselben liebäugeln, mit Würfeln
und Karten spielen, mit Kupplern
2 traktieren3, mit den Nachbarn
kriegen, neue Zeitungen erzählen, neue Fund erdenken, mit dem
Judenspieß rennen, neue Trachten ersinnen, neue List aufbringen, und
neue Laster einführen.
Adieu Welt,
denn niemand ist mit dir content oder zufrieden4, ist er arm, so will
er haben; ist er reich, so will er viel gelten; ist er veracht, so
will er hoch steigen; ist er injuriert5, so will er sich rächen; ist
er in Gnaden, so will er viel gebieten; ist er lasterhaftig, so will
er nur bei gutem Mut sein.
Adieu Welt,
denn bei dir ist nichts Beständiges; die hohen Türm werden vom Blitz
erschlagen, die Mühlen vom Wasser weggeführt, das Holz wird von den
Würmern, das Korn von Mäusen, die Früchte von Raupen, und die
Kleider von Schaben gefressen, das Vieh verdirbt vor Alter, und der
arme Mensch vor Krankheit: Der eine hat den
Grind6, der ander den
Krebs, der dritte den Wolf7, der vierte die
Franzosen8, der fünfte das
Podagram9, der sechste die
Gicht10
, der siebente die Wassersucht11
, der
achte den Stein12, der neunte das
Gries13, der zehente die
Lungensucht14,
der elfte das Fieber15, der zwölfte den
Aussatz16, der dreizehnte das
Hinfallen17, und der vierzehnte die
Torheit18! In dir o Welt, tut nicht
einer was der ander tut, denn wenn einer weinet, so lacht der ander,
einer seufzet, der ander ist fröhlich; einer fastet, der ander
zechet; einer bankettiert19, der ander leidet Hunger; einer reitet,
der ander gehet; einer redt, der ander schweigt; einer spielet, der
ander arbeitet; und wenn der eine geboren wird, so stirbt der ander.
Also lebt auch nicht einer wie der ander, der eine herrschet, der
ander dienet; einer weidet die Menschen, ein anderer hütet der
Schwein; einer folgt dem Hof, der ander dem Pflug; einer reist auf
dem Meer, der ander fährt über Land auf die Jahr- und Wochenmärkt;
einer arbeit im Feur, der ander in der Erde, einer fischt im Wasser,
und der ander fängt Vögel in der Luft; einer arbeitet
härtiglich20
und der ander stiehlet und beraubet das Land.
O Welt
behüt dich Gott, denn in deinem Haus führet man weder ein heilig
Leben, noch einen gleichmäßigen Tod; der eine stirbt in der Wiegen,
der ander in der Jugend auf dem Bett, der dritte am Strick, der
vierte am Schwert, der fünfte auf dem Rad, der sechste auf dem
Scheiterhaufen, der siebente im Weinglas, der achte in einem
Wasserfluß, der neunte erstickt im Freßhafen, der zehente erwürgt am
Gift, der elfte stirbt jähling, der zwölfte in einer Schlacht, der
dreizehnte durch Zauberei, und der vierzehnte ertränkt seine arme
Seel im Tintenfaß.
Behüt
dich Gott Welt, denn mich verdrießt21
deine Konversation;
das
Leben so du uns gibst, ist ein elende Pilgerfahrt, ein
unbeständigs,
ungwisses, hartes, rauhes, hinflüchtiges und unreines Leben, voll
Armseligkeit und Irrtum, welches vielmehr ein Tod als ein Leben zu
nennen;
in welchem wir all Augenblick sterben durch viel Gebrechen
der Unbeständigkeit und durch mancherlei Weg des Tods! du läßt dich
der Bitterkeit nicht genügen, mit der du umgeben und
durchsalzen22
bist, sondern betrügst noch dazu die meisten mit deinem Schmeicheln,
Anreizung und falschen Verheißungen, du gibst aus dem güldenen
Kelch, den du in deiner Hand hast, Bitterkeit und Falschheit zu
trinken, und
machst sie blind, taub, toll, voll und sinnlos, ach wie
wohl denen, die dein Gemeinschaft ausschlagen: deine schnelle
augenblickliche hinfahrende Freud verachten, dein Gesellschaft
verwerfen, und nicht mit einer solchen arglistigen verlornen
Betrügerin zugrund gehen; denn du machest aus uns einen finstern
Abgrund,
ein elendes Erdreich, ein Kind des Zorns, ein stinkendes
Aas, ein unreines Geschirr in der Mistgrub, ein Geschirr der
Verwesung voller Gestank und Greuel, denn wenn du uns lang mit
Schmeicheln, Liebkosen, Dräuen23, Schlagen, Plagen, Martern und
Peinigen umgezogen und gequält hast, so überantwortest du den
ausgemergelten Körper dem Grab, und
setzest die Seel in ein
ungewisse Chance. Denn obwohl nichts Gewissers ist als der Tod, so
ist doch der Mensch nicht versichert, wie, wann und wo er sterben,
und (welches das erbärmlichste ist) wo sein Seel hinfahren, und wie
es derselben ergehen wird: Wehe aber alsdann der armen Seelen,
welche dir o Welt, hat gedienet, gehorsamt und deinen Lüsten und
Üppigkeiten hat gefolgt, denn nachdem eine solche sündige und
unbekehrte arme Seel mit einem schnellen und unversehenen
Schrecken aus dem armseligen Leib ist geschieden, wird sie nicht wie
der Leib im Leben mit Dienern und Befreundten umgeben sein, sondern
von der Schar ihrer allergreulichsten Feinde vor den sonderbaren
Richterstuhl Christi geführt werden;
darum o Welt behüt dich Gott,
weil ich versichert bin, daß du dermaleins von mir wirst aussetzen
und mich verlassen, nicht allein zwar, wenn meine arme Seel vor dem
Angesicht des strengen Richters erscheinen, sondern auch wenn das
allerschrecklichste Urteil ›Gehet hin ihr
Vermaledeiten24
ins ewige
Feuer25‹ etc. gefällt und ausgesprochen wird.
Adieu o Welt, o schnöde
arge Welt, o stinkendes elendes Fleisch; denn von deinetwegen
und um daß man dir gefolget, gedienet und gehorsamet hat, so
wird
der gottlos Unbußfertig zur ewigen Verdammnis verurteilt, in welcher
in Ewigkeit anders nichts zu gewarten, als anstatt der verbrachten
Freud, Leid ohne Trost, anstatt des Zechens, Durst ohne
Labung26, an
statt des Fressens, Hunger ohne Fülle, anstatt der Herrlichkeit und
Pracht, Finsternis ohne Licht;
anstatt der Wollüste, Schmerzen ohne
Linderung, anstatt des Dominierens und Triumphierens, Heulen, Weinen
und Weheklagen ohne Aufhören, Hitz ohne Kühlung, Feuer ohne
Löschung, Kält ohne Maß, und Elend ohne End.
Behüt
dich Gott o Welt, denn anstatt deiner verheißenen Freud und
Wollüste werden die bösen Geister an die unbußfertige verdammte Seel
Hand anlegen, und sie in einem Augenblick in Abgrund der
Höllen
reißen; daselbst wird sie anders nichts sehen und hören, als
lauter
erschreckliche Gestalten der Teufel und Verdammten, eitele
Finsternis und Dampf, Feuer ohne Glanz, Schreien, Heulen,
Zähnklappern und Gottslästern; Alsdann ist alle Hoffnung der Gnad
und Milderung aus, kein Ansehen der Person ist vorhanden,
je höher
einer gestiegen, und je schwerer einer gesündiget, je tiefer er wird
gestürzt, und je härtere Pein er muß leiden; dem viel geben ist, von
dem wird viel gefordert, und je mehr einer sich bei dir, o arge
schnöde Welt! hat herrlich gemacht, je mehr schenkt man ihm Qual und
Leiden ein, denn also erforderts die
göttliche Gerechtigkeit.
Behüt dich Gott o Welt, denn obwohl der Leib bei dir ein
Zeitlang in der Erden liegen bleibt und verfaulet, so wird er doch
am Jüngsten Tag wieder aufstehn, und nach dem letzten Urteil mit der
Seel ein ewiger Höllenbrand sein müssen; alsdann
wird die arme Seel
sagen: ›Verflucht seist du Welt! weil ich durch dein Anstiften
Gottes und meiner selbst vergessen, und dir in aller Üppigkeit,
Bosheit, Sünd und Schand die Tag meines Lebens gefolgt hab;
verflucht sei die Stund, in der mich Gott erschuf! verflucht sei der
Tag, darin ich in dir o arge böse Welt geborn bin! O ihr Berg, Hügel
und Felsen fallet auf mich, und verbergt mich vor dem grimmigen Zorn
des Lamms, vor dem Angesicht dessen, der auf dem Stuhl sitzet;
Ach Wehe und aber Wehe
in Ewigkeit!‹
O
Welt! du unreine Welt, derhalben
beschwöre ich dich, ich bitte
dich, ich ersuche dich, ich ermahne und protestiere wider dich,
du
wollest kein Teil mehr an mir haben; und hingegen begehre ich auch
nicht mehr in dich zu hoffen, denn du weißt, daß ich mir hab
vorgenommen, nämlich dieses:
Posui finem
curis, spes &fortuna valete.27
Alle diese Wort erwog ich mit Fleiß und stetigem Nachdenken, und
bewogen mich dermaßen, daß ich die Welt verließ, und wieder ein
Einsiedel ward: Ich hätte gern bei meinem
Saurbrunnen im Mückenloch28
gewohnt, aber die Baurn in der
Nachbarschaft wollten es nicht leiden, wiewohl es für mich ein
angenehme Wildnis war; sie besorgten, ich würde den Brunnen
verraten, und ihre Obrigkeit dahin vermögen, daß sie wegen nunmehr
erlangten Friedens Weg und Steg dazu machen müßten. Begab mich
derhalben in eine andere Wildnis, und fing mein Spessarter Leben wieder an
29; ob ich
aber wie mein Vater sel.30
bis an mein End darin verharren werde,
stehet dahin. Gott verleihe uns allen seine Gnade, daß wir allesamt
dasjenige von ihm erlangen, woran uns am meisten gelegen, nämlich
ein seliges 31
aus: Grimmelshausen, [H. J. Christoffel von]: Der abenteuerliche
Simplicissimus. München 1956, S. 476-483
(Quelle:
http://www.zeno.org/nid/20004914988, gemeinfrei)
Worterklärungen
1
einander vexieren und
ausrichten: vexieren = zum besten halten, foppen, verspotten, sein
Spiel mit jemandem treiben; ausrichten = h. im Sinne von brandmarken,
verurteilen
2
Kuppler:
Personen, meistens Frauen als Kupplerinnen, die Kuppelei als die
vorsätzliche Vermittlung und Beförderung der Unzucht betreiben; da sich
Kuppelei speziell auf Anbefohlene (Kinder, Mündel u. ä.) bezieht,
umfasst der Begriff auch die Heiratsvermittlung Minderjähriger; wird für
Kuppelei bezahlt, dann gehört sie zur »Prostitution.
3
traktieren: (schlecht) behandeln
4
content:
lat.; sich begügend
5
injuriert: lat.; beleidigt, Ehre verletzend
6 Grind:
erbliche chronische Pilzerkrankung des Kopfhaares, das zu einer fest
anhaftenden, gelblich-bräunliche Schuppenbildung führt
7
den Wolf haben: ggf. nhd. Bauchwolf =
»Gürtelrose,
ggf. auch: »Lupus
erythematodes, eine
Schmetterlingsflechte/ Schmetterlingskrankheitt eine seltene
Autoimmunerkrankung; früher verglich man die Narben, die nach dem
Abheilen der Hautschäden verbleiben, mit Narben von Wolfsbissen.
8
den Franzosen haben: in deutschsprachigen
Quellen als »Blattern«,
»Franzosen«,
»Franzosenkrankheit«,
»Franzosenpocken«
oder »Morbus gallicus«
bezeichnet; Form der venerischen Syphilis vor allem nach Beendigung
des Dreißigjährigen Krieges verbreitete sich die Krankheit durch die
in ihre Heimat zurückkehrenden Soldaten sehr stark; in Frankreich
Mal de naple; "dass die Krankheit in Frankreich
selbstverständlich nicht den diskriminierenden Namen
Franzosenkrankheit trug, ist wohl wenig verwunderlich. Die Schuld
für den Ausbruch dieser neuen Krankheit auf den geographischen
Nachbarn und oftmals politischen Gegner zu schieben, war allerdings
keinesfalls nur eine deutsche oder französische Strategie. Während
die neue Krankheit in Deutschland und Italien als
»französische Krankheit« bekannt
war, nannten sie die Polen »deutsche
Krankheit« und die russische Bevölkerung
bezeichnete sie wiederum als »polnische
Krankheit«". (Stein
2003, S.12, Anm.5); vgl. in diesem Zusammenhang auch die
Bezeichnung »Spanische
Grippe (1918-1920), »Asiatische
Grippe (1957/58), »Hongkong-Grippe
(1968) »Russische
Grippe (1977/78) die während der »COVID-19-Pandemie
ab 2020 zumindest zeitweilig übliche Praxis neue Virusmutanten nach
ihrem ersten geografischen Auftreten als südafrikanische,
brasilianische, britische oder indische Varianten zu bezeichnen,
eine Praxis, die dann allerdings durch neutrale Bezeichnungen
weitgehend ersetzt wurde; auch der ehemalige US-Präsident
»Donald
Trump (2017 bis 2021 der 45. Präsident der Vereinigten Staaten)
bediente mit seiner Bezeichnung des COVID-19-Virus als "chinesisches
Virus" populistisch mit dem seit der Franzosenkrankheit üblichen
Muster, die Verantwortung dem politischen Gegner zuzuschreiben;
9
Podagram: podagra = Fußzehengicht; eine
(chronische) Gichterkrankung des Großzehengrundgelenks oder des
Sprunggelenks mit starken Schmerzen, Schwellungen und Rötungen; auch
durch einen akuten Gichtanfall an anderen Gelenken ausgelöste
Schmerzattacken bezeichnet man heut im weiteren Sinne als Podagra
10
Gicht: auch »Urikopathie
bzw. Arthritis urica
Stoffwechselerkrankung, die durch hohe Harnsäurekonzentrationen im
Blut unbehandelt zu Veränderungen an Gelenken und Nieren führt;
schubweiser Verlauf der Krankheit; sehr schmerzhaft ohne, aber auch
bei Berührung, starke Schwellung des Gelenks und heiß.
11
Wassersucht: »Ödem
= Schwellung von Körpergewebe aufgrund einer Einlagerung von
Flüssigkeit aus dem Gefäßsystem.
12
Stein: »Gallenstein
(= Gallengrieß), wenn sich Gallensteine im Gallengang
oder in der Gallenblase verklemmen und den Zu- oder Abfluss der
Galle behindern, kann es zu heftigen Koliken und Entzündungen
(Cholezystitis) kommen; »Nierenstein:
kristalline Ablagerungen (Harnsteine) des Nierenbeckenkelchsystems;
wandern sie in den Harnleiter werden sie zu Harnleitersteinen und
können eine Kolik auslösen; eine Ansammlung vieler kleiner
Nierensteine wird auch Nierengrieß genannt.
13
Gries: Blasengrieß, Steinbildung in Blase und
Nieren
14
Lungensucht: allg. Begriff für bestimmte
Krankheiten der Lunge wie z. B. »Lungenentzündung
oder »Tuberkulose
(TBC) = eine weltweit verbreitete bakterielle
Infektionskrankheit; bis heute erkranken weltweit etwa 10 Millionen
Menschen daran; die TBC führt die weltweite Statistik der tödlichen
Infektionskrankheiten an
15
Fieber: »Fleckfieber
bzw. Flecktyphus auch; Kriegspest, Läusefieber,
Läusefleckfieber, Lazarettfieber oder Faulfieber; eine Infektion mit
Mikroorganismen (Bakterien), die durch Läuse, vor allem die
Kleiderlaus übertragen wird; Bezeichnung Fleckfieber
abgeleitet von dem dabei auftretenden charakteristischen
Fieberverlauf und einem Symptom der Erkrankung, einem rotfleckigen
Hautausschlag, der unter anderem Gesicht ("Fleckfiebergesicht") und
Extremitäten befallen kann.
16
Aussatz: »Lepra:
chronische Infektionskrankheit mit langer Inkubationszeit, die durch
das Mycobacterium leprae ausgelöst wird und mit auffälligen
Veränderungen an Haut, Schleimhäuten, Nervengewebe und Knochen
verbunden ist; im Mittelalter wurde Lepra auch
Lazarus-Krankheit genannt; zur Isolierung (Absonderung) der
Leprösen wurden außerhalb der Städte Siechenhäuser (genannt
auch
Sondersiechenhäuser) errichtet, die auch Lazarus-Häuser
genannt wurden. Deshalb heißen heute in Frankreich einige Vorstädte
Saint Lazare und in Italien San Lazzaro. Den gleichen Ursprung hat
das deutsche Wort Lazarett; Lepra verschwand - aus weitgehend
unbekannten Gründen - mit dem Ende des 16. Jahrhunderts weitgehend
aus der Reihe der chronischen Volkskrankheiten in Mitteleuropa; wer
im Mittelalter in Europa an Lepra erkrankte, musste oft in der
Öffentlichkeit (außerhalb eines »Leprosoriums)
ein »Lazaruskleid
tragen und dazu eine »Warnklapper
(Lazarus- oder Lepra-Klapper) oder eine Glocke benutzen, um andere
auf Distanz zu halten.
17
Hinfallen: wahrscheinlich:
»Epilepsie
seit dem 16. Jahrhundert nachweisbar im Deutschen in früheren
Jahrhunderten, abgeleitet von Fall "Sturz", "Fall", Fallsucht (auch
mittelhochdeutsch "fallende Sucht"; auch heute manchmal noch
zerebrales Anfallsleiden oder zerebrales Krampfleiden genannt,
bezeichnet eine Erkrankung mit mindestens einem spontan
aufgetretenen epileptischen Anfall
18
Torheit: h: geistige Verwirrtheit
19
bankettiert: feiert, hält Bankette
(Festgelage) ab, schlemmt
20
hartäglich: hart, zu hart
21
verdrießt: bekümmert, bereitet Sorge
22
durchsalzen: h: i. S. v. durch und durch,
vollständig (eben wie ganz und gar mit Salz bestreut)
23
Dräuen: Drohen
24
Vermaledeiten: äußerst unangenehm,
verflucht, verwünscht, verflixt, verdammt
25
ewiges Feuer: gemeint ist das ewige
Höllenfeuer
26
Labung: Erfrischung, Stärkung,
27
Posui finem
curis, spes &fortuna valete: lat.; Ich habe meinen Sorgen ein
Ende gesetzt. Hoffnung und Glück, lebet wohl!
28
bei meinem Saurbrunnen im Mückenloch:
gemeint ist die Einsiedelei, wo Simplicius nach dem Überfall und der
Zerstörung des Hauses seines Ziehvaters als Kind von einem Eremiten
in dessen Einsiedelei in den Wäldern des Spessart erzogen wird und
wo er bis zu dessen Tod lebt.
29
mein Spessarter Leben: »Spessart
= Mittelgebirge zwischen »Vogelsberg,
»Rhön
und »Odenwald in Bayern und Hessen,
gemeint ist das Leben von Simplicius im Spessart, bevor er in die
Welt hinausgezogen ist
30
wie mein Vater sei: gemeint könnte
sein Vater/Ziehvater, sonst von ihm Knän genannt, sein oder der
Einsiedler, bei dem er nach der Ermordung seines Vaters durch
marodierende Truppen danach aufwächst
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
20.02.2022