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Dreißigjähriger Krieg (1618-1648)
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Überblick
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Zeittafel
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Bevölkerungsverluste
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Alltag zwischen Krieg und
Frieden
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Der
Westfälische Friede 1648
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Quellenauswahl
"Unmittelbares Vorbild der Fruchtbringenden Gesellschaft waren die italieni-
schen Akademien, wie sie Fürst Ludwig von seiner Italienreise kannte. Das
Re- gelwerk dieser Gesellschaften waren die Hofmannstraktate.79 „Höfische
Conver- satio, welche zugleich den Umgang und das Gespräch bei Hofe meint
und sich darüber hinaus als vorbildlicher, ‚zivilisierter’ Verkehr der
menschlichen Gesell- schaft zu legitimieren bestrebt war“, ist der Zweck der
Fruchtbringenden Gesell- schaft“.80 Sie repräsentiert damit eine
„aristokratisch geprägte Wissens-, Verhal- tens- und Geselligkeitskultur“,
wie Andreas Herz geschrieben hat. (Andreas Herz: Der edle Palmbaum und die
kritische Mühle. Die ‚Fruchtbringende Gesell-
schaft‘ als Netzwerk höfisch-adeliger Wissenskultur der frühen Neuzeit. In:
Denkströme. Journal der sächsischen Akademie der Wissenschaften 2 (2009), S.
152–191, hier S. 168.)
»Die Reihen der FG [also der Fruchtbringenden Gesellschaft] bevölkerten die
christlich-humanistisch akkulturierten jüngeren
höfisch-administrativ-militä- rischen Führungsschichten überwiegend
reformierter oder lutherischer Kon- fession, die sich die neuen
Leitvorstellungen höfisch-höflicher Gesittung zu eigen gemacht hatten. Sie
hatten Bildungs- und Kavaliersreisen einschließlich Universitätsaufenthalten
hinter sich, waren, auch ohne selbst schriftstellerisch in Erscheinung zu
treten, den Künsten und Wissenschaften gegenüber aufge- schlossen und hatten
im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges genügend Er- fahrungen mit
politisch-militärischen Konflikten, sozialen Notständen und erbitterten
dogmatischen Kontroversen, um auch dem harten Unglück „mit Manier“ zu
begegnen und Entscheidungen mit Augenmaß fällen zu helfen. Freilich: keine
Sprach- oder Literaturgeschichte verzeichnet all die Alvensle- bens,
Börstels, Knochs, Kospoths, Krosigks, die Bodenhausens, Dieskaus, Geu- ders,
Ortenburgs, Pfaus, Trothas usw. Sie sind in der deutschen Kulturgeschich- te
unbeschriebene Blätter. Und doch waren sie häufig Förderer, Mäzene oder
Büchersammler, versuchten sich an Übersetzungen, Gelegenheitsdichtungen,
geistlichen Liedern oder kleinen Satiren, wandten Zeit und Geld an
wissenschaftliche Studien und künstlerische Interessen. Kurz: es waren
überwiegend gebildete, in vielerlei Amtsgeschäften erfahrene und erprobte
Dilettanten.«( Andreas Herz: Philipp von Zesen und die Fruchtbringende
Gesellschaft. In: Philipp von Zesen. Wissen – Sprache – Literatur. Hg. v.
Maximilian Bergengruen und Dieter Martin. Tü- bingen 2008, S. 181–208, hier
S. 195.) (Wels 2018,
S.189)
"Fälschlich ist die Fruchtbringende Gesellschaft deshalb in der älteren
Forschung als Sprachgesellschaft bezeichnet worden. Auch wenn sie mit einem
Teil ihrer Bestrebungen in die Vorgeschichte der wissenschaftlichen
Akademien gehört, steht sie doch vor allem im Kontext der höfischen
Bewegung, neben den anderen Adelsgesellschaften, wie etwa dem Orden
Temperantiae des Landgrafen Moritz von Hessen-Kassel, der seinen Mitgliedern
Mäßigkeit im Alkoholkonsum zur Aufgabe gemacht hatte,83 oder neben der
adligen Damengesellschaft, die unter dem Namen der Getreuen Gesellschaft
(auch La noble Academie des Loyales und Güldener Palmorden) von Fürstin Anna
von Anhalt-Bernburg gegründet wor- den war. Für die Zusammenkünfte dieser
Getreuen Gesellschaft waren folgende Tätigkeiten vorgesehen:
»Wann die Glieder zusammen kommen/ es sei sämptlich oder absonderlich/ so
sollen Sie ihre Zeit/ wie auch sonsten/ mit Ehrlichen/ Ihnen und ihrem
Stande wohl anstehenden auch frölichen Ubungen und Gesprächen zubringen/ un-
ter welchen auch diese sein sollen/ daß Sie sich befleißigen/
unterschiedlicher Sprachen/ allerhand schöner Hand-Arbeit/ auch anderer
feiner künstlicher Sa- chen/ darunter auch die Musick/ Gedichte/ und
ingemein in allem dem/ was ihnen und ihres gleichen rühmlich ist/ und wohl
anstehet/ nach einer jeden Fähigkeit. (Zitiert nach Johann Christoph
Beckmann: Historie des Fürstenthums Anhalt. Zerbst 1710. Ndr. Dessau 1995,
Bd. II.2, S. 336.«" (Wels
2018, S.190)
"Dichtung im engeren Sinne macht nur einen kleinen Teil der
zivilisatorischen Bemühungen dieser höfischen Gesellschaften aus. Es ist vor
allem die schriftliche und mündliche Konversation, mithin eben der höfische
Stil und die „zierlichen sitten“, wie sie sich gerade im sprachlichen Umgang
zeigen, die den Kern der gesellschaftlichen Bemühungen bilden. Die
Korrespondenz zwischen den Mit- gliedern der Fruchtbringenden Gesellschaft
wurde im sogenannten „Erzschrein“ gesammelt und bei Gelegenheit auch
gedruckt. Die Satzung der Getreuen Ge- sellschaft erlegt ihren Mitgliedern
die Führung eines Briefwechsels ausdrücklich auf.90
Dichtung – wie das petrarkistische Sonett oder der höfische Roman – ist eine
Form des höfischen Umgangs, eine Übung der „conversatio“, beileibe aber
nicht die einzige oder gar die bevorzugte. „Schöne Hand-Arbeiten“ haben in
diesen Gesellschaften denselben Status wie ein Sonett oder ein
„Gesprächsspiel“, oder eben der Verzicht auf übermäßigen Alkoholkonsum. Das
ändert sich in den später gegründeten Gesellschaften, wie dem Pegnesischen
Blumenorden, der Deutschgesinnten Genossenschaft oder dem Elbschwanenorden.
In ihnen nimmt das sprachpflegerische und dichterische Interesse weitaus
größeren Raum ein.
Richtungsweisend für diese späteren Gesellschaften war die Fruchtbringende
darin, dass sie die Mitgliedschaft nicht auf den Adel beschränkte, sondern
sich für die ‚Nutzbringenden’ aller Stände öffnete.91 Dies konnte keineswegs
als selbst- verständlich gelten. Noch 1648 strebte der standesbewusste
Adlige Dietrichstein die Umwidmung der Fruchtbringenden Gesellschaft in
einen Ritterorden an, un- ter Ausschluss der nicht-adligen Mitglieder. Fürst
Ludwig lehnte dies mit der Begründung ab, der Zweck der Fruchtbringenden
Gesellschaft sei „auf die Deut- sche sprache und löbliche tugenden, nicht
aber auf Ritterliche thaten alleine ge- richtet, wiewohl auch solche nicht
ausgeschlossen“. (Fürst Ludwig in einem Brief vom 18.1.1648. In: Der
Fruchtbringenden Gesellschaft ältester Ertzschrein. Briefe, Devisen und
anderweitige Schriftstücke. Hg. v. Gottlieb Krause. Leipzig 1855, Ndr.
Hildesheim, New York 1973, S. 98. Vgl. Conermann: Die Fruchtbringende
Gesell-
schaft und ihr Köthener Gesellschaftsbuch S. 31.)
Angesichts der Tatsache, dass die meisten gerade der adligen Mitglieder kei-
nerlei Anstalten machten, sich sprachpflegerisch oder literarisch im
weitesten Sinne zu betätigen, muss dies nicht erstaunen. [...] Die höfische
Gesellschaft ist das Ideal des gesitteten Umgangs. Dieses Ideal ist von
Standesschranken unabhängig.
Es ist der gesellige Umgang, die Gesellschaft als solche, die ‚Frucht
bringen‘ soll. Diesem „fruchtbringenden“ Ideal der Gesellschaft hat Opitz in
seiner „Poete- rey“ die stilistischen Regeln gegeben. In deren letzten
Sätzen wird dieses sowohl stilistische wie gesellschaftliche Ideal klar
benannt, wenn Opitz dort fordert, seine Zeit nicht mit „Fressereyen/
Bretspiel/ vnnütze[m] geschwätze/ verleumb- dung ehrlicher leute“ oder der „lustige[n]
vberrechnung des vermögens“ zu ver- schwenden, sondern vielmehr die „vnvergleichliche
ergetzung“ der Dichtung zu suchen.(Opitz: Poeterey S. 74f.) Dichtung,
wie Opitz sie will, ist eine Form der gelebten Höflichkeit." (Wels
2018, S.192)
