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Ein der Grundvoraussetzungen für das Verstehen barocker
Dichtung ist die Vergegenwärtigung des stets wirksamen Ordo-(Ordnungs-)gedankens:
[...]
So werden Mensch, Dichtung, Wiss, systematisiert, in eine ´feste Ordnung
eingefügt, auf einen bestimmten Platz innerhalb der weltlichen Hierarchie
gestellt, zwischen ihnen bestehen nur graduelle Unterschiede; deshalb kann
der Gelehrte zugleich Dichter, der Wissenschaftler zugleich Künstler, der
Mensch zugleich Dichter und Wissenschaftler sein. Ebenso vorgegeben durch
bestimmte Muster - in der Bibel, der gr., röm. und nlat. Dichtung - sind die
Dichtungsformen, die Bilder und Embleme, nach denen mit mehr oder weniger
Geschicklichkeit gedichtet wird, d.h. Dichtungsgebilde hergestellt,
kombiniert werden, denn Dichten gilt als lehr- und lernbar. Nicht
subjektiver Gefühlsausdruck, Originalität im modernen Sinne machen Wert und
Qualität eines Gedichts aus, sondern der Grad der Fähigkeit, aus
vorgegebenem Material mit größtem Kunstverstand und oft geradezu
raffiniertem Geschick neue Gedichte zu kombinieren. [...]
Barocke Lyrik ist öffentlich. Nicht inspirativ wird gedichtet, sondern im
Auftrage, ausgebreitet vor aller Augen, gerückt ins Wahrnehmbare und ins
Repräsentative:
rhetorische Grundhaltung und theatralische Gebärde
des Barockzeitalters."
(aus:
Braak
1979, S.12)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
18.01.2022