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Das 17. kann ein „emblematisches“ oder allegorisches
Jahrhundert insofern heißen, als überall, wo im eigentlichen wie im
übertragenen Sinne bildlich gesprochen wird, von einem riesigen Fundus fest
vorgeprägter Bilder ausgegangen wird. Und zwar im Bereich des Geistes [...]
wie im täglichen Leben, im privaten und im öffentlichen. Wo einer steht und
geht im 17. Jahrhundert, wird er mit dieser Bilderwelt vertraut gemacht wie
mit einer Sprache, ohne die er gesellschaftlich ausgeschlossen wäre. Die mit
solchen Bildern, mit Emblemen und Allegorien, beruflich zu tun haben – die
Dichter, Theologen, Redner und Prediger und alle Künstler – können auf die
Lexika zurückgreifen, in denen dieser aus vielen Quellen geschöpfte
Bilderschatz endlos verzeichnet, systematisiert und damit handlich gemacht
erscheint. Anders als in nach-emblematischer Zeit, da zum Begriff ein je
eigenes, ungewohntes, wenn nicht überhaupt neues Bild oder Symbol gefunden
sein möchte – das gängige altbekannte: die „Rosen“ der Liebe, die „Flammen“
des Herzens, das „Schiff“ des Staates ... ist verpönt -, anders hält sich
die barocke Erfindung an das Vorgegebene, bedient sich des ‚mundus
symbolicus‘ und aller übrigen Lexika, hält sich an die Regeln, nach denen
Emblem und Allegorie zu behandeln sind, und bewährt ihre Güte so, dass sie
Altes und Tradiertes neuartig wiederholt, dabei möglichst „witzig“
überraschend.
Emblematik ist im 17. Jahrhundert ein bildersprachliches System, als solches
wie eine zweite, eine Fremdsprache lernbar. Vor Fassaden, in barocken
Schlössern und Kirchen mit ihren Devisen, Allegorien und emblematischen
Programmen stehen wir ratlos. Uns sind das „Hieroglyphen“, nicht mehr zu
lesen. Der barocke Betrachter aber war eingeweiht. [...]
Wie das Lesen der Bilder wird erst recht deren dichterischer Gebrauch
gelernt und geübt, sei das auf der Schule, sei es, wie Harsdörffer
vorschlägt, in Form eines „Gesprächspiels“, zum Beispiel eines solchen: „Ein
Teilnehmer der Runde fragt den nächsten nach einer Sache. Dieser muss mit
einer Bestimmungsmethapher darauf antworten und den folgenden seinerseits
nach einer neuen Sache Frage und so reihum. Es ist ein leichtes Spiel. So
fragt der eine: ‚Was ist der Mensch?‘. Der andere antwortet: ‚Ein Spiegel‘
und fragt den nächsten: ‚Was ist der Krieg?‘ und erhält zur Antwort: ‚Ein
Wolf‘. [...]
Dass von der Bildlichkeit, die derart zustande kommt, „Stimmung“ und etwas
„Seelisches“ ausginge,, erwartet niemand. Der gesuchte Reiz ist ein
intellektueller, er liegt in der novitas des Details und im Arrangement der
Teile. "
(aus:
Herzog 1979, S.92-94, gekürzt)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
26.01.2022